
angelangt war und mir durch die Firma S chnabel, Gaumer & Co. kostenlos
nach Tschangscha besorgt und schon vor der formellen Überweisung
in dankenswerter Weise vorgestreckt wurde. Da der Verkehr durch die
Tore jetzt besonders scharf überwacht wurde, verteilte ich mein Gepäck
imd begleitete persönlich die Transporte an verschiedenen Tagen und
durch verschiedene Tore nach der Vorstadt Liiigwandu. Dann schwang
ich mich am Morgen des 2. Mai in den Sattel, ritt, wie so oft, durchs
Liuyang-men hinaus, aber diesmal, um hinter der Stadtmauer umzubiegen,
mich über den Fluß setzen und nicht so bald wieder sehen zu lassen.
Meine Lastträger gehörten einer Kuli-Gilde an, die den Transport von
Geschäftsbriefen, Geld und auch Gepäck der obengenannten Firma
nach ihrer Antimonschmelze in Hsikwangschan besorgt. Sie kannten
daher Wege imd Leute und wußten auf Nebenwegen durchzukommen,
denn die Hauptwege mußte ich meiden; sie waren von Postenketten der
Nordtruppen gesperrt, die mir mindestens lästig werden, wenn nicht meinem
ganzen Unternehmen ein frühes Ende bereiten konnten; auch hatten
Soldaten, besonders der berüchtigten siebenten Division, der des Tutschüns
T schangtschinyao selbst, schon Europäer ausgeraubt und verwundet.
So führte mein Weg schon bald ober Tschangscha vom Hsiang-djiang
ab, einem kleinen Seitenfluß entlang über Daoling auf das Berglaajd zwischen
Ninghsiang und Hsianghsiang zu. Dieses nur mit Busch bedeckte, wie alles
hier, anscheinend nur aus Sandstein bestehende Gebirge wurde an der
Nordseite umgangen. Der Weg quert dort in anmutiger Landschaft mehrere
Quellbäche eines nach Norden fließenden Flüßchens, an denen eine neue
Erle (Ainus trabeculosa) zu finden war, dann folgt er dem südlichen Fuße
einer mit riesigen Felsblöcken, wohl Granit, bestreuten Bergkette und biegt
an einem kleinen Flusse (Schilosan-ho) ganz nach Süden. Als ich einmal die
Blütenzweige eines Schneeballstrauches abzwickte, sah ich plötzlich einen
halben Meter daneben die kleine grüne Baumschlange Lachesis graminews
liegen, deren Biß tötlich ist. Glücklicherweise war sie angefressen und faul,
ein Hieb mit der' Bambusgerte betäubte siq und dann wanderte sie ins
Formalinglas. Zu Pferde zu reisen, ist in dem Lande überhaupt nicht
üblich und in der jetzigen Zeit erschien es noch ■ besonders verdächtig, so
hielten die Landleute mich von ferne meist für einen Offizier oder Soldaten,
liefen davon oder versperrten krachend hinter sich die Haustüren. Einmal
griff mich ein Irrsiniger an. Er kam mir auf dem schmalen Wege zwischen
Reisfeldern entgegen, abwechselnd auf einem Beine hüpfend, fiel dem
Pferde in die Zügel, kniete nieder imd zeigte mit stierem Blicke zum
Himmel, mir unverständliches Zeug schwatzend. Erst als ich meine
Reitgerte ergriff, kehrte er eilig um. Anwesende Bauern zogen ihn weg,
aber als gleich danach meine Leute mit dem Maultier, das ich nach
Hsikwangschan verkauft hatte und jetzt mitbrachte, kamen, war er schon
wieder da und schwang ein Tuch mit einem darein gebundenen über kopfgroßen
Erdklotz diesem fortwährend auf die Krupp. Die Leute begannen
in ihrer Angst, mit dem Tiere zu laufen, die an den Sattel gepackten
Kleinigkeiten hingen alsbald am Bauche und mein photographischer Apparat
wäre bei dieser Gelegenheit auf ein Haar ins Wasser gefallen. Das dritte
Nachtquartier, Daloping, liegt 190 m hoch auf der Wasserscheide zwischen
dem Schilosan-ho und dem Lien-djiang westlich des erwähnten etwa
600 m. hohen Gebirges. Die Bevölkerung war hier recht widerlich und
frech und bestätigte gar nicht, was die Missionäre sagten, die kürzlich
im Lahde gereist waren, daß die Leute jetzt überaus fremden- und
besonders deutschenfreundlich seien. Von dort ging es, sehr bald die ersten
westlich einfallenden Kalkbänder überschreitend, nach Südwest an den
Lien-djiang, der kurz vor Loudi erreicht und gequert wird. Hier und
weiterhin ist alles Kalkgebirge.
L oudi ist eine der wenigen geschlossenen größeren Ortschaften der
Gegend. Sonst ist alles mit Bauernhöfen und auch sehr ansehnlichen
Landsitzen reicher Leute übersät. Die Nachtstation Sangwotjiao lag wenig
weiter an einem Seitenbache, der über einen kleinen Sattel erreicht wird.
Über zwei weitere Sättelchen, am Nordfuße einer gegliederten, reich mit
Ounninghamia- und Bambuswäldchen und hie und da auch mit Eichenhainen
bestandenen Bergkette hin, geht es wieder an den Fluß, der bei
dem großen Orte Lantien, dem einen Verschiffungspatz für Hsikwangschan,
erreicht und wieder nach Norden überschritten wird. Etwas aufwärts, 150 m
hoch, lag mein fünfter Übernachtungsort, Tangtiaotjiao. Wenig oberhalb *
vereinigen sich drei Quellbäche des Lien-djiang, der eine von Südwest,
der andere von Nordost aus der Gegend von Ngandjiapu, der dritte aus den
Bergen von Hsikwangschan selbst, ein vierter an Tangtiaotjiao vorbeifließender
mündete knapp unter Lantien. Den mittleren entlang steigt der
Weg, streckenweise recht steil, in das südwest-nordöstlich streichende
Gebirge an, leider seit gestern als Pflasterweg, während es seit Tschangscha
vorzüglich reitbare Kieswege gegeben hatte. Zwei Pässe werden überschritten,
deren erster, höherer, 715 m erreicht; jenseits des zweiten führt
der Weg an der. Lehne eines Trogtales hin, dessen Hänge man weithin
mit Wald und besonders Bambusbeständen erfüllt sieht. Dann tauchen
bald mitten in dem vielgegliederten Berglande die ersten Schornsteine
des großen Bergwerksortes Hsikwangschan auf. Es regnete den ganzen
Tag, so konnte ich nicht viel sammeln, aber ich hatte genug Einblick,
um von den widersprechenden in Tschangscha erhaltenen Angaben
jene bestätigt zu finden, welche die Gegend als für mich lohnend be-
zeichneten.