
Von der deutschen Kolonie herzlich verabschiedet, verließ ich Yünnanfu
am 5. Juni nicht ganz leichten Herzens, denn die ganzen mir unendlich
wertvollen Sammlungen samt den noch von C. S chneider hier befindlichen
mußte ich, in 51 gut verlötete Kisten verpackt, im Magazin des deutschen
Konsulatsgebäudes zurücklassen, einem ungewissen Schicksal entgegen;
Feuer, Wasser und Krieg war dort immer zu fürchten und, wie sich die
politische Lage entwickeln werde und was für eine Wirkung sie darauf
haben könne, war nicht abzusehen. Tatsächlich haben die Behörden dann
bei der Kriegserklärung mehrere Blecheinsätze öffnen lassen und nur
S tiebritz’ Sorgfalt, der die ganzen Kisten auch 1918 mit knapper Not
vor einer Überschwemmung rettete, ist es zu danken, daß sie erhalten
blieben.
Dem alten Karawanenwege folgend, der seine starke Benützung vor der
Eröffnung der Bahn dadurch zeigt, daß er stellenweise bis zu 5 m tief sich
in den Mergel hineingearbeitet hat, war ich am zweiten Abend in Yiliang,
und dort, kaum eine Stunde jenseits der Eisenbahn, wurde ich morgens
schon gleich an die Freuden chinesischer Regenzeit gemahnt, denn es
hieß am Beida-ho in zähem, rutschigem Schlamme, der seit dem letzten
Hochstande bis zu 2 m über der Uferhöhe einen breiten Streifen der
Wiese bedeckte, absteigen und ins elende Fährboot springen. Es ging
dann genau nach Osten über dem dürren Seitengraben hin, dessen Hänge
mit dornigem Ziziphus sativa bestanden sind, einem Strauche mit Datteln
tatsächlich nicht unähnlichen Früchten, die den Europäern als „chinesische
Datteln“ bekannt und als Kompott geschätzt sind, auf den 2000 m hohen
Mergelrücken, der eine ost-westliche schluchtartig eingeschnittene Strecke
des Beida-ho-Tales im Süden begleitet und beim Dorfe Daschao eine
breite Abzweigung nach dieser Richtung entsendet. Er ist mit Keteleeria-
und Quercus variabilis-Wald, auch mit Pinus Armandi bedeckt, noch
richtiges Yünnan-Hochland. Aber der Ausblick nach Südosten läßt schon
anderes erkennen. Da dehnen sich weithin öde, etwas gewellte Flächen
und in der Ferne dahinter eine gleichmäßig zackige, niedere Bergkette,
beiderseits ins Blaue verlaufend, jenseits noch im Südosten ein breiter,
höherer Gebirgsstock, den man mir Laogui-schan nannte, alles in größter
Einheitlichkeit in südwestlichem Streichen. Im Vordergründe zieht sich
eine seichte Talfurche gegefi Südwesten nach Mile. Aus ihrer Tiefe, nicht,
wie wir es im Gebirge gewohnt sind, oben auf den Kämmen, ragen durch
Karrenbildung zerschartete Felsgruppen wie Zinnenburgen auf, wie die
ausgegrabenen Ruinenstädte des Orients von ferne anzusehen, Kalkfelstürme
und Grate, die aus der harten unteren Schicht herausgewittert sind,
wo Erosion den weichen darüber liegenden Mergel entfernt hat. Einzelne
der Felshügel sind bewaldet, wie der mit dem Tempel Schifung-se gekrönte