
84. Muli von
Lebensmittel erhalten. Am Tage vor meiner festgesetzten Abreise kam ein
Soldat mit einer Einladung des Beamten zum Essen für den nächsten
Abend. „Ja, was glaubt denn der“, fuhr Li ihn an, „das ist ja nicht wie
bei uns. Wenn ein Europäer sagt, morgen reist er ab, so reist er eben
ab, und da könnt ihr ihn lange zum Essen laden; einen Brief für
Dschungdien will ich haben, für Muli sorgt schon der Lama.“ Dies wirkte
und ein Soldat fand sich am Morgen des 23, Juli ein. Ich mußte noch
den Abt in den verschiedensten Kleidungen photographieren; was davon
für mich kein Interesse hatte, nahm ich ruhig auf den Kassettendeckel
auf, seinen 80jährigen Vater als lebenden Buddha und einen Bettellama
mit seiner gelben Mütze und der Gebetsausrüstung, der Gebetmühle und der
mit Menschenhaut überzogenen Trommel, wieder auf Platten, dann reiste ich
mit meiner Karawane ab, die sich um einen Gewährsmann des Abtes, der
gleichzeitig des Chinesischen, Tibetischen, Hsifan, Nahsi und Lüdi, ganz
verschiedener Mundarten der Moso-Sprache, mächtig war, vermehrt hatte.
Es ging nach Norden durch grüne Täler und über niedrige Rücken
und zwischen ungezählten, oft im stecheichenbuschdurchsetzten Walde
der dunklen Pinus tabulaeformis versteckten Dolmen hin durch Moso-
Land, außerhalb des Yungninger Beckens gleich durchs Gebiet der Provinz
Setschwan, bis zum ersten Hsifan-Dorf Wudjio, wo ich unter dem
Dache eines Hauses mein Feldbett aufschlug, da mir die Innenräume zu
anrüchig waren. Wie ich aber erst viel später bemerkte, kam dieser
Geruch in den Tibeterhäusern, der mich so oft abschreckte, von nichts
anderem als vom Räucherwerk und war wohl gar nicht ungesund. Am
Morgen kam ein altes Weib mit abgefressenen (oder abgerissenen) Haferhalmen
in der einen und einem Haufen Pferdemist in der anderen
Hand als Corpora delicti und klagte, meine Tiere seien in ihren Hafer
gegangen. Da sie aber*gar nicht im Freien gewesen waren, warfen wir
die Alte, die Schadenersatz verlangte, schließlich hinaus. Der nächste
Tagemarsch führte zunächst etwas durchs Seitental von Wudjio, das
östlich in den Yungning-Fluß mündet, abwärts, dann an einem Zufluß dieses
mit alten, von Moosen, dem neuen Didymodon corticola, bedeckten Sanddornbäumen
am Ufer aufwärts, weiter am Hange hinan durch prachtvolle
Wälder, bald Tannen und viele Eiben mit Bambusunterwuchs, bald
mächtige Eichen, auf das zackige Gebirge, welches das Tal des Litang-
Flußes begrenzt. Der Weg ist oft tief eingerissener Hohlweg und für den
Reiter mit Vorsicht zu benützen. Stämme sind darübergefallen, und, als
ich mich tief duckend und doch mit dem Rücken ihn streifend, unter
einem durchgeritten war und mich wieder aufrichten wollte, bemerkte ich
gerade eine Haarbreite .vor mir noch rechtzeitig den zweiten, der neben
ihm lag und, wenn ich mit der Stirn daran gestoßen wäre, mich sicher