
seinen Tieren nicht schnell genug auswich, stürzte mein 'Mafia auf ihn zu,
der Tilieter zog in der Angst sein Hackmesser und der Mafu wollte ihn
mit dem Eisenspieß zum Aufhängen der Kochgeschirre angreifen; ich
schimpfte aber die Kerle rechtzeitig auseinander. Kein Wunder, wenn die
Tibeter nervös werden: vor kurzem hatten hier tibetische' Karawanenleute
in einem Dorfe von einem Baum Holz gehackt. Darauf stürzte sich
die Einwohnerschaft auf sie und stieß ihnen 4-2 Maultiere in den Fluß,
wo sie ertranken. Die Tibeter verlangten dann beim Beamten von Lidjiang,
daß dieses Dorf ihnen die Maultiere bezahle, dieser entschied aber, sie
hätten zuerst gestohlen, daher sei ihnen ganz recht geschehen. „Wohin
sie kommen, machen sie Schlechtes“, erklärte der chinesische Mafu und
versorgte sich am nächsten Tage mit Hüben für lange Zeit in einem Feld
am Wege. Trüb und verhängt war die Gegend sowohl am Abend als am
Morgen, als ich am 15./16. Oktober in S ch ig u übernachtete, an dem
merkwürdigen Punkte, wo der Djinscha-djiang inmitten nur 1000 m höherer
Mittelgebirge plötzlich vollständig zurückkehrt, um sich durch das Schneegebirge
von Lidjiang mitten durchzugraben, und es regnete auch den ganzen
nächsten Tag während des Überganges nach Gwanschan.
hi D jie n tsc hw a n ließ ich die Soldaten dem Beamten ausrichten, ich
brauche jetzt keine mehr, denn weiterhin' sei ja die Gegend sicher; es
kamen aber in großer Eile wieder zwei nach und erzählten d a n n Li, es
sei telegraphischer Befehl gekommen, mich bis Yünnanfu durch Soldaten
begleiten zu lassen und unbedingt zu verhindern, an den Salwin zu gehen.
Durch die von den französischen und englischen Behörden als politisch
bezeichnete Beise eines Landsmannes an der südlichen Provinzgrenze war
die Aufmerksamkeit der Begierung auch auf mich gelenkt worden, glücklich
um zwei Monate zu spät, was mich heute noch diebisch freut. Am 20.
traf ich in Dali ein und machte für, einige Tage Halt. Ein Bediensteter
des Yamen fragte, wann ich Weiterreise, ich sagte ihm meine Absicht, und
es ließ sich keiner mehr sehen. Da ich mich wegen des Befehls just nicht
imi Bedeckung bewarb, reiste ich dann ohne solche ab. In Dali trieb sich
jener Mafu herum, den wir im Vorjahre wegen seines groß angelegten
Betruges, nachdem wir seine Pferde als teilweisen Ersatz behalten, hinausgeworfen
hatten, machte Schulden und spiegelte seinen dummen Gläubigern
vor, ich sei ihm ohnedies noch 400 $ schuldig. Li hatte große Furcht
vor ihm und lieh sich für einen nächtlichen Spaziergang ohne mein Wissen
meine unters Bett gelegte Browning aus. Ich dachte, ich hätte sie vielleicht
abends beim Missionär G uilbaud verloren, als ich sie aber, nachdem Li mit
irgendetwas Nebensächlichem in mein Zimmer gegangen war, an ihrem
Platze wiederfand, stellte ich ihn gleich zur Bede, und da wurde er kreideweiß;
er hatte schon gemeint, die Täuschung sei ihm gelungen. Ich konnte
hier Geld beheben und einige chinesische Andenken kaufen, fein gearbeitete
Teetassen und Seidenstickereien und 270 chinesische Drogen pflanzlicher
Herkunft, deren Bestimmung ein ebenfalls hier für 30 Gents gekauftes
dreibändiges Werk mit Abbildungen erleichtert. L ao- L i schickte ich mit
der Bitte an K ok, mir das Basis-Barometer durch die Post nach Yünnanfu
zu schicken, in seine Heimat zurück, recht besorgt, ob sein Fuß wohl vollkommen
geheilt werden würde.
Um das Plankton des Ö rl-h a i zu fischen und auch die Blütenpflanzen
des Sees kennenzulemen, mietete ich am 27. ein Boot; Xystrolobus
Yumianensis, Boottia Yunnanensis, Nymphoides peltata, Polygonum amphi-
bium wachsen dort nebst unscheinbareren untergetauehten. Erst in
Hsiagwan traf ich zur neuaufgenommenen Karawane, die nur den halben
Tagmarsch gemacht hatte. Daher kamen wir am nächsten Tag beim
Abstieg gegen Hungngai in die stockdunkle Nacht und mußten die
Petroleumlampe aus ihrer Kiste packen, um den schlechten, Weg zu
finden, und noch froh sein, daß wir nichts verloren. Hungngai liegt südlich
der Hauptwasserscheide der Yünnan-Hochebene im' Gebiete des Roten
Flusses, und der etwa 2600 m hohe Paß, den wir überschritten haben, ist
der höchste und ausgesprochenste an der Straße von Dali nach Yünnanfu.
Nachdem man dann das Plateau wieder erstiegen hat, gibt es nur
mehr geringe Höhenunterschiede. Auf dem Kalk des Berglandes zwischen
Y ü n n a n -h s ie n und Yünnanyi, dem letzten bis kurz vor der Hauptstadt,
lief genau an derselben Stelle, wie im vergangenen Jahre, wieder ein Wolf
über den Weg. Dann gibt es nur Sand, Sandsteine und Mergel. Zwischen
Dschennan und L ü h o g a i und auch gleich nach dem letzten Dorfe wieder
sieht man verkohlte und verkieselte Baumstrünke und gefallene Stammteile
an Kohlenflözen, die bereits ansehnlich steil gestellt sind, und etwas
Nachgraben mit dem Pflanzenstecher in den hangenden Mergeln des zweiten
lieferte sehr bald einige recht gut erhaltene Abdrücke von Dikotylen-
Blättem, wenn auch nur in Bruchstücken. Aber wie die brüchigen
Dinge mitführen? Für solche Funde war ich wirklich nicht ausgerüstet.
Doch war guter Bat bald gefunden. Ich entledigte mich einfach der
Weste, die ich jetzt an den kühlen Morgen und Abenden zu tragen pflegte,
wickelte die Stücke einzeln hinein und steckte den ganzen Pack in eine
Satteltasche. In Lühogai war ein Vetter meines Dieners Ortsbeamter, und
abends konnte ich den für die chinesischen Verhältnisse so bezeichnenden
Vorgang beobachten, wie die Polizei in die Herberge auf die übliche Opiumrauchersuche
kam und, als sie Li durch einen Türspalt bei seiner beliebten
Tätigkeit erkannte, schleunigst wieder abzog.
In T s c h u h s iu n g tränkte ich die Fossilien mit Petroleum und legte
mich dann bald zu Bette, denn anderes hatte ich heute nicht einzulegen.