
Stunde durch Kiefern- und Eichenwälder flußabwärts führt eine Fähre
hinüber nach dem größeren Dorfe, Djidsung.
Das Wasser ist hier sehr reißend, das Boot dreieckig, damit man es
mit der Spitze gegen den Strom ziehen kann. In der Mitte dreht es sich
aber rasch herum und wird von nicht weniger als 14 Ruderern weit abwärts
ans andere Ufer gesteuert. Eine starke Quelle entspringt dort im
Talwege; ein Hain riesenhafter Eichen und Lorbeergewächse umschattet
ihren Abfluß. Drinnen findet man den moderigen Boden reichlich
mit Famen bedeckt. Durch einen ausgehöhlten Baumstamm hat sich der
Bach sein Bett gebohrt, so daß jener heute wie auf Stelzen beiderseits
des Wassers entspringt. Mächtige Lianen (Vitis und Celastrus) ketten die
Bäume aneinander, hängen im Bogen herab, treiben Wurzeln und werden
durch die Schwere der auf ihnen wuchernden Moospolster in den rauschenden
Bach gedrückt, der nun mittels dieser natürlichen Seile an den Baumwipfeln
rüttelt. Das Übersetzen der Karawane dauerte bis nach Mittag, auch
hatte ich, beim tibetischen Dorfvorstand untergebracht, trockene Pflanzen
herauszusuchen, konnte daher erst am nächsten Tage die Reise durch
das hier einmündende große Tal fortsetzen, dessen vielgebogener Sohle
der Weg nach Kakatang zwischen Weihsi und Hsiao-Weihsi drei Tage
lang folgt.
Ohne nennenswertes Gefalle kommt das Tal zunächst von Nordwesten,
indem es, wie draußen der Djinscha-djiang selbst, hintereinander drei mehr
oder weniger senkrecht aufgerichtete Kalkbänder durchbricht, die, zwischen
den Glimmerschiefer und später Arkosesandstein eingefaltet, weiter abwärts
dem Strome parallel verlaufen. In der gut bebauteD, streckenweise recht
breiten Sohle liegen ansehnliche Nahsi-Dörfer, deren Bewohner sich sehr
freundlich erwiesen, einmal sogar gleich bei meiner Mittagsrast neben
einem Dorfe mit Gastgeschenken kamen. Beiderseits sind breite Rücken
um ungefähr 500 m höher als die Talsohle; über den rechten, nördlichen,
führt, kurz vor meinem Nachtquartier Schogo abzweigend, der öfter begangene
Hauptweg über Bangdsera nach Atendse; ich aber trat nun in
unbekanntes Land ein. Schon die Stärke des Flüßchens zeigt, daß unser
Tal nicht so kurz sein könne, wie es die Karten schematisch zeichnen. Ein
Stück innerhalb Schogo gabelt es sich, mein Weg folgt dem von Süden
kommenden Aste. Die Höhe der seitlichen Hochlandsränder über der etwas
stärker steigenden und nun schmäleren Sohle nimmt ab, mehr immergrüne
Laubbäume und einzelne Fichten und Tsugen bedecken die Abhänge statt der
außen vorherrschenden Föhren. Von 2500 m Höhe ab stehen am Bache einzelne
mächtige, dunkle, pyramidenförmige Nadelbäume von mindestens 50 m Höhe.
Der eine ist eine Tanne, derf andere mit flachen, zweizeiligen, stechenden
Blättern und gegen 3 cm langen großen, grünen Steinfrüchten die eibenartige
Torreya Fargesii. Actinidia pupurea, eine mächtige Liane, die neue
Schefflera stenomera mit auffallend langen und schmalen Teilblättchen ihrer
handförmig vielteiligen Blätter, dann der neue Pentapanax Larium, ebenfalls
ein Epheugewächs, und Pterocarya Forrestü interessierten mich an
dieser Strecke. Schatyama, meine Unterkunft vor Verlassen des Tales, besteht,
wie die umliegenden Dörfchen, nur aus einzelnen Lissu-Hütten. Einen
dünnen Baumstamm haben die Leute über den immer noch starken Bach
gelegt, tun zu ihren Buchweizenfeldern zu gelangen, geschält, oben etwas
glattgehackt und nach den Seiten Zweigstückchen hineingesteckt. Für meine
Bergschuhe war er sicher zu glatt, so mußte ich auf den Händen und
Knien hinüberrutschen, um drüben zu botanisieren, und froh sein, daß
ich für dieses Schauspiel keine Zuschauer hatte. Ich fand unter anderem
Struthiopteris orientalis und eine Angelica. Das Tal kommt weiter aus südöstlicher
Richtung, wie sich später herausstellte, vom Litiping bei Weihsi her,
hat also einen im ganzen 80 km langen Lauf und der Bach fließt hier
eigentlich in einer Längsfurche auf dem Wasserscheiderücken zwischen
flachen Waldhöhen nur mehr wenig eingeschnitten. Mein Weg biegt nach
Westen über Wiesen, tritt dann in den Wald und erreicht den 3150 m hohen
Sattel Akelo. Morastlöcher zwischen freiliegenden Wurzeln im Dschungel
sind Fallen für die Tragtiere, deren mehrere purzelten. Ein großes Torfmoos
(Sphagnum pseudocymbifolium) wächst dort und der lebhaft grünblütige neue
Eisenhut Aconitum chloranthum in schattigen Gräben. Ein Blick jenseits des
Mittagsrastplatzes beim gleichnamigen Lissu-Dörfchen nach abwärts über den
steilen Hang belehrte, daß die Tanne, deren Zapfen noch nicht erreichbar
zu sehen gewesen waren, zunächst liier aufhört, und deshalb mußte ich
L ao- L j zurücklassen mit der Aufgabe, mir solche von einem der Baumriesen
herunterzuholen; er hat sie auch erfolgreich gelöst und danach konnte ich
sie als Abies Chensiensis bestimmen. Vor uns liegt das Tal von Weihsi,
zwischen der steileren, zurücktretenden Kante Akelo—Litiping, die sich erst
weit im Nordwesten in einer höheren Erhebung gegen Hsiao—Wehisi am
Mekong vorwölbt, diesseits und der Weihsi—Mekong-Scheidekette jenseits,
im ganzen eine breite Furche, welche zwischen den verschieden langen
Seitenbächen vorragende, aus Sandstein und hie und da auch Kalk
bestehende Rücken mit verschiedenen Buckeln und Spitzchen der Quere
nach gliedern. Wir kreuzen das Seitental uns zu Füßen und ersteigen nach
rechts die flache sumpfige Ebene am Ursprünge des nächsten, wo wir eine
Gruppe chinesischer Dörfer, Tima, finden. Mein Diener war darob sehr
erfreut, ich weniger, denn man lud mich in ein Zimmer, bei dessen Betreten
ich vor dem Gestank zurückprallte, wollte mir den Tempelraum unter dem
Dache verweigern, denn nebenan wohne die Hausfrau, und ließ mich erst
auf entschiedenstes Verlangen dort einziehen, und am Morgen stieß ich mit