
13. BERGFAHRTEN DM LIDJIANG *
am Ziele. Auf die Platten eines Grates unter einem Felshorn gelehnt,
erblickt man in schwindelnder Tiefe eine zerklüftete Gletscherzunge,
steil von ihr hinabziehend Moränen, einen winzigen grünen, kreisrunden
Eissee und die letzten schwarzen Tannenstreifen in der Schlucht Lokü,
welche zwischen dem 4500 m hoch gelegenen Standpunkte und dem
Hauptgipfel Satseto einschneidet. Weiter wogen die Nebel auf und ah,
bald lassen sie Streifen einer ungeheueren Felswand gegenüber durch-
blicken, bald hüllen sie mich ganz ein, und Graupel poltert herab. Werden
sie sich noch lüften und einen Überblick gestatten, nur einen kurzen,
aber umfassenden, um das großartige Hochgebirgsbild auf der Platte
dauernd festzuhalten? Der Apparat steht, auf den Pickel geschraubt, es
bedarf nur eines Griffes, um das Bild in der richtigen Begrenzung hereinzubringen,
wenn es erst frei ist. Beängstigend wird die Spannung, ob es
dauernd entzogen bleibt, was ich morgens von unten gesehen, und
ich nochmals herauf muß in ebensolcher Unsicherheit. Bald kam auch
K ok und nach mehr als einer Stunde der Beamte gezogen. Der Mann
hatte wieder Glück, denn nach wenigen Minuten stiegen nun die Nebel
und jetzt vereinigten sich Höhe und Tiefe zu einem der großartigsten
Hochgebirgsbilder, die man sich denken kann. Gegenüber, wenig über
einen Kilometer entfernt, erhebt sich beinahe senkrecht 1800 m hoch die
Südwand des „Pik von Lidjiang“, S a ts e to , grau und rissig, nur stellenweise
mit gelbbraunen oder schwarzen Flecken. Hängegletscher kleben an
ihren Klüften, der unterste in riesige Eisblöcke zerspalten. Ober der Wand,
über einer steilen Firnmulde, glänzen die Eiskuppen und Zacken der von
Nebelschwaden umzogenen Grate und hoch oben der Gipfel, ein prachtvolles,
wächtengekröntes Schneedreieck. In schön geschwungenen Absätzen
zieht sein Kamm nach links hinab zur nur um 5000 m hohen zackigen
Felskette Ünlüpe, die, sich nach Südosten herüberbiegend, das Kar Pältschwa
abschließt, in einem gewaltigen Absturz nach rechts gegen das nach
Osten weit hinausstehende Felshorn Tschaloko. Fortwährend donnern Eislawinen
und Steinschläge aus den Wänden, Wasserfällchen stürzen
über hohe Felsstufen von links in die Schlucht; so lassen die gebirgs-
formenden Naturgewalten ihm nicht die majestätische Ruhe alter Hochgebirge,
denn der Yülung-schan ist noch nicht fertig geformt, er gehört
dem Lande der tiefen Korrosion an, wo Abtragung und Wiederausfüllung,
freilich aus anderen Ursachen, noch so tätig sind, wie nach der Eiszeit in
den Alpen. 800 m tief stürzt die Felswand senkrecht, nur von einigen Rissen
durchzogen, von meinem Standpunkt hinab in die, Schlucht. Unsere Leute
ließen durch erstauntes „Oioioi“, das sich manchmal zu wenig wohlklingendem
Chore verdichtete, ihre Bewunderung zum Ausdruck kommen. Wir waren
ein für dieses Land recht bezeichnendes Völkergemisch dort oben: