
Das Ungeheuere dieses über 3500 m hohen Absturzes läßt sich nicht mit.
Worten ausdrücken. Vielleicht wird es verständlich, wenn ich sage, daß
ich zwei Platten übereinander brauchte, um das Bild aufzunehmen, und
noch im Zweifel war, ob nicht dazwischen ein Streifen fehlte. Die Gipfel
waren leider wieder nicht frei. So großartig die Schneeberge im Südteil
der Kette sind, so sind auch die Felsgipfel des nördlichen Teiles, allmählich
um 500 bis 1000 m niedriger, prachtvoll.' Von hier aus verschwimmen
sie nicht, jeder hat seine Eigenart, hier ein spitzer Turm,
dort eine mehr einseitig abfallende Kante, dann ein Massiv aus vielen,
wie nach aufwärts gebogenen Türmen, die Nischen dazwischen vom Winde
glattgescheuert, dann wieder ein riesenhaftes, schneegekröntes Trapez.
Stellt euch die Zinnen des Rosengartens doppelt so groß vor und ihr
werdet das richtige Bild haben, wenn auch so schmale Türme fehlen,
Noch hoch oben an steilen Platten hat schwarzer Tannenwald in kleinen
Flecken Fuß gefaßt. In einer ununterbrochenen, senkrechten, über
2000 m hohen Felswand stürzt der nördlichste Teil zum Flusse ab, und
diesseits erhebt sich nicht viel weniger steil ein dreigipfeliger Felsberg,
S c h u ts c h am b a , zu gleicher Höhe, ein Vorberg des schon öfter erwähnten
Tjata-schan. Uns gegenüber an einem steilen Rasenhang in der Tiefe
haben einige Lissu-Familien ihre Hütten gebaut; es kann nur ein Klettersteig
sein, der zu diesen weltverlassenen Wohnsitzen (Dahosa) führt.
Herüben am Wege, der in derselben Höhe weiter, mit tibetisch gepackten
Lasttieren begehbar, durch die Schlucht führt, sieht man, die wenigen
Häuschen des Nahsi-Dörfchens Dyipalo und weiter vorne soll noch eines,
Bundua, liegen. Die älteren Kiefern zeigen hier an ihren flachen, einseitigen,
nach Nordosten - hinausgezerrten Wipfeln die Wirkung des Windes, der
von der entgegengesetzten Seite um die Kante zu fegen pflegt. Unten am
Flusse soll ein Klettersteig „wie am Djiou-djiang“ zurückführen. Ihn zu
begehen, war keine Zeit mehr, deshalb kehrte ich auf meinem wieder
nach Tjiaotou zurück. Am nächsten Tage folgte ich dem unaufgenommenen
Teile des Djinscha-djiang nach Ahsi in einem schönen Tale, wo der Fluß
ganz ruhig, sehr breit, dahinfließt. In zwei starken Tagemärschen erreichte
ich so L id jian g .
Dort hatte ich noch drei Tage lang zu tun. Mein tadelloses Pferdchen
war von D s c h a o , der sich aufs Beschlagen verstehen wollte, in meiner
Abwesenheit gründlich vernagelt worden, die Folgen traten erst unterwegs
auf, so daß ich es die beiden letzten Tage der Reise leer gehen lassen
und dann in Lidjiang zur Heilung unter K oks freundlicher Fürsorge
zurücklassen mußte. Ich versuchte die verschiedensten Maultiere, denn die
Lidjianger Ponies sind viel zu klein und nichts wert. Man verlangte sehr
hohe Preise dafür, bis zu 300 $, und ich. fand nichts Passendes. Viele
sind unbändig, die meisten können den Schweifriemen nicht halten, er
gleitet über den Schweif hinauf und der Sattel sitzt sofort auf dem Halse;
das macht das Tier natürlich wild, und wenn ich nicht immer im richtigen
Momente herabgesprungen wäre, hätten das Tier und der abrutschende
Sattel ein unsanftes Herabkommen besorgt. Die Maultiere reitenden
Chinesen verwenden keinen Schweifriemen, sondern eine Stange, die
in die Kniekehlen zu liegen kommt und mit dem Sattel an den Seiten
verbunden ist., um ihn zurückzuhalten. Dieser Apparat bleibt nie rein und
daher wollte ich ihn vermeiden.
ÜBER YUNGBEI UND DEN YANGDSE NACH YÜNNANFU
Der Schidsi-schan. Aufschlüsse in der Yangdse-Schlucht. — Eine stammlose Palme, —
Arme Leute. — Wilde Baumwolle.1 — Grenzbewachung. — Opium. — Unsicherheit. —
Winter in Yünnanfu.
Um nicht wieder denselben eintönigen Teil des Yünnan-Hochlandes
zu sehen, wählte ich zur Rückreise den Weg über Yungbei und das
Yangdse-Becken von Matschang. Während ich am 24. Oktober die Karawane,
dieselbe, die ich im Vorjahre auf der Gebirgsreise gehabt hatte, auf dem
Hauptwege schickte, machte ich noch, vorläufig das Dienerpferd reitend,
einen Abstecher auf den S c h id s i- s c h a n in der Bergkette am Ostrande
des Beckens von Lidjiang. Der 3350 m hohe Berg besteht, so wie der
Kamm am Wegpasse, über Sandstein und festen Kalkbändern in seinem
ganzen oberen Teile, aus Kälkkonglomerat, das gerundete Verwitterungsformen
zeigt. Der gute Weg war von gestürzten Bäumen überdeckt, die
das Pony nicht alle überspringen konnte, auch führt wider mein Erwarten
jenseits kein Weg hinab, auf dem Duinaoko hätte erreicht werden können,
und ich mußte, nachdem ich bei prächtigem Überblick von dem kleinen
Tempel auf dem Gipfel aus die nötigen Ergänzungen für die Karte aufgenommen
hatte, wieder zurück, zu meinem großen Leidwesen und noch
mehr dem des Ponys ganz bis an den Bergfuß. Dann, auf dem Karawanenweg
wieder 600 m aufsteigend, erreichte ich erst in später Dämmerung
den Paß, an dessen_ Felsen ich das wie auf dem Konglomerat am Fuße
der Moränen dichte Polster bildende weiße Sedum primuloides wiedererkennen
konnte, und, mit Kienfackeln eingeholt, Duinaoko, wo sich der
Diener unterdessen vollständig betrunken hatte. Ich machte ihm energische
Vorhaltungen und muß sagen, daß er sie dann befolgt hat. Neben der
Herbstflora der tiefen Lagen interessierte mich jetzt besonders der geologische
Bau des Landes. Gleich unter dem Dorfe fand ich ganz aus Brachiopoden-
schalen, Bhynchonella-Arten und einer neuen Dayia aus dem Obersilur
oder Devon gebildete Kalkblöcke; sonst hatte ich ja mit Fossilien wenig