
dunkles Urgestein. Gegenüber auf einem Grate sieht ein abgetrenntes Stück
hellen Himmels durch ein ungeheueres Felsloch herab.
In einer tiefen Schlucht, die mich die Pflanzen des Flußniveaus
(bei 1650 m) kennenlernen ließ, hatten vorausgeschickte Leute schon den
Seitenbach mit Zweigen und Bambus überbrückt. Gleichenia glauca hängt
über die Felsen herab, eine Brassaiopsis, wohl B. Hookeri mit ganz-
randigen, mindestens meterlangen Blütenständen, war leider hier zum
zweiten Male unerreichbar. Dann ging es gegen 50 m auf oft beinahe senkrecht
gestellten Steigbäumen hinauf zum Dorfe S c liu tsch e , das aus einer
unteren und einer oberen Häusergruppe, diese 2025 m hoch gelegen,
besteht. Nirgends gibt es hier mehr eine Andeutung des noch am Salwin
vorkommenden Yünnan-Kiefern- und Eichenwaldes oder der Hartlaub-
macchie, denn das Tal ist um vieles feuchter als jenes. Von dem
von G enestier weiter abwärts gesehenen Palmenwald ist hier aber auch
noch keine Rede. Doch fand ich Bäume imd Sträucher aus dem subtropischen
Sikkim-Himalaya, Bucklandia populnea, Neillia thyrsiflora, Pen-
tapyxis stipulata und die windende Trichosanthes palmata, alle neu für
die Flora von China. Denn zu China gehörte dieser Teil des Irrawadi-Tales
nach dem freilich ganz unnatürlichen und noch nicht durch Verträge festgelegten
Grenzverlauf tatsächlich noch, denn die Bewohner zahlen dem
Tussu von Yedsche Naturalsteuern und sagten mir, über der Bergkette
drüben sei englisches Gebiet und gebe es einen guten Weg. Hie und da
wird ein kleiner chinesischer Beamter, der aber dem Yedsche-Tussu untersteht,
zum Einziehen der Steuern hierhergeschickt, im vorigen Jahre aber
war er zu spät gekommen, denn die Tsarong-Tibeter, die ihre Raubzüge
nach Ware und Sklaven noch viel weiter hinunter ausdehnen sollen, hatten
sie eben für sich geholt. B urrard zieht das ganze Tal samt dem viel
weiter oben gelegenen tibetischen Ridong zu Birma.
Unter dem vorspringenden Dache eines Hauses im oberen Teile von
Schutsche, auf einem wenig über meterbreiten Vorbau, schlug ich das
Bett auf und schaltete einen Rasttag ein. Die Leute hatten sich nämlich in
ihrer Sorglosigkeit etwas zu wenig Lebensmittel mitgenommen und dann
gestern den Esel in ein anderes Dorf geschickt, um Mehl / u kaufen. Zu
meiner Cholerine lag mir der Abstieg doch noch in den Schenkeln, so war
auch mir die Sache willkommen. K ru kam abends, ohne ein Korn gekauft
zu haben; es war auch wahrscheinlich gar nicht seine Absicht gewesen,
sondern er wollt?; seine alten Freunde besuchen und den anderen einen
Rasttag verschaffen. Deshalb wandte ich mich nun an den Dorfältesten,
der uns auch für gutes Geld Hirse und ein Schwein verkaufte. Zwei nur
mit schmal zusammengerolltem, lockerem Lendentuch bekleidete Leute
zerstießen die Körner mit einer hölzernen, aus einem dicken Stammstück
bestehenden Keule in einem auf der „Veranda“ des Hauses aufgestellten
hohlen Baumstumpf; bei der angestrengten Arbeit waren sie sehr geschwätzig
vüid wiederholten dazu immer die zwei chinesischen Brocken, die sie von
meinen Leuten eben aufgeschnappt hatten. Die D jio u d se sind noch viel
weniger kultiviert als die Ludse. Das dunkle Haar hängt ihnen dick in die
Stirn. Sie sind keineswegs alle klein und zeigen sehr verschiedene Gesichtsformen,
hohe schmale und niedrige runde. Die Weiber sind etwas mehr
bekleidet als die Männer, tragen genau dieselbe Haartracht Und haben das
Gesicht auf der ganzen Fläche zwischen Augen- und Mundwinkeln, dann
Stirne und Kinn mit blauen Viereckflecken tätowiert. Die Sprache soll von
jener der Ludse nur als schwacher Dialekt verschieden sein. Ihre Häuser
stehen auf niedrigen Pfählen, sind klein, aus Holz gebaut und mit Schilf
in Giebelform gedeckt, der einzige Raum hat an einer Schmalseite eine
kleine Tür auf den schmalen Vorbau heraus und an der entgegengesetzten
ein noch kleineres Fenster. Um die Türen sind Ochsen- und Jakschädel,
trotzdem die Leute selbst gar kein Großvieh halten, im Inneren viele
Schädel kleiner erjagter Tiere angebracht. Mais, Buchweizen, Bohnen,
Yamswurz, Hirse, etwas Weizen, Tabak sind ihre Kulturpflanzen. Die Felder
ackern sie mit einer hölzernen Axt ohne jeden Eisenbeschlag, einer
natürlichen Astgabel. Sie jagen mit Pfeil und Armbrust wie alle Ureinwohner
hier. Das Wetter war klar geworden, so konnte ich eine Basis
messen, peilen und photographieren. Wie sich aus B urrard’S Berichten
ergibt, war die Gegend vorher schon bis zu einem Orte Naktai weiter im
Norden aufgenommen worden. Wenn aber die von ihm veröffentlichte Karte
das ganze Ergebnis dieser Arbeit ist, war meine Tätigkeit keineswegs
überflüssig.
Am 9. Juli stieg ich zunächst auf etwas besserem Wege am Hange jenes
Seitentales, das man mir unten überbrückt hatte, dann in diesem selbst
nach Norden an. In den Mischwäldern gab es wieder drei neue Holzpflanzen,
Ficus filicauda mit langer Träufelspitze, Pentapterygium interdictum,
einen heidelbeerverwandtenEpiphyten,und den blaublühenden niedrigen neuen
Halbstrauch Hydrangea Taronensis. Tsuga bildet am steilen Hange abseits
des Weges dunkle reine Haine. Am Bache wurde gelagert, am nächsten
Morgen mußte er gleich durchwatet werden, denn sonst hätte man ja an
diesem Tage trocken bleiben können. Steiler Aufstieg führte nach rechts
auf den Paß des für die Ludse-Sprache bezeichnenden Namens P an g -
b lan g lo n g . Von dort hatte ich guten Überblick über das Gebirge im Südwesten
jenseits des Djiou-djiang, das über den Quellbäehen eines größeren
Seitentales sehr breite Rücken zeigt, daran nach Norden anschließend, in
der Richtung von 228°, aber dunkle Zinnen mit dazwischenliegenden
kleinen Gletschern, auf die mir nur ein so kurzer Durchblick vergönnt