
Er ging zunächst in die große Schlucht des D jin s c h a -d jia n g hoch
über dessen linkem Ufer. Da die • gegenüberliegende Wand weit hinauf
wolkenfrei war, gab es großartige Blicke. Bog der Weg links ab, so konnte
er noch meiner Absicht entsprechen; daß dies aber nicht der Fall war,
war bald zu erkennen, und gleichzeitig riefen Leute von den Feldern, er werde
zu schmal für unsere Lasten; den Beweis dafür erbrachte auch sofort das
Herabrollen einer, die noch glücklich gefangen werden konnte. Es war
offenkundig der Weg nach Ndaku durch die Schlucht, der ja schließlich
auch nach Haba führt, für mich zwecklos. Ich kehrte also um und ging
den Dschungdien-Weg weiter. Von T jia o to u nach Lendo tritt er auf die
linke Seite des Dschungdjiang-ho über, dem er zunächst hart am Ufer an
senkrecht abgerissenen Schotterwänden hin folgt; Die Hänge des sehr
spärlich besiedelten Tales steigen steil auf, verflachen sich aber oben sehr,,
besonders an der Südwestseite zu einem sehr breiten, welligen, um 3600 m
hohen Waldrücken, der es vom nordsüdlichen Laufe des Djinscha-djiang
trennt. Lissu und Hsifan hausen dort in ganz vereinzelten kleinen Dörfchen,
Chinesen nur in einzelnen Häuschen unten im Tale. Bei M e id sip in g
steigt der Weg in steilem Zickzack an der Lehne über 100 m hinan. In
eine tief eingeschnittene Seitenschlucht geht es wieder hinab und weiter all-
mählich bis an den Fluß. Ich konnte mich selbst überzeugen, daß bis
D u gw an tsu n , zwei Tage von Yulo, kein brauchbarer Weg rechts abbiegt.
Seit ich im Vorjahre vorbeigekommen war, war dort eine Herberge
errichtet worden, eine kleine Hütte aus Bambus, in der wir übernachteten,
nachdem uns auf dem Sattel, den man vom Flusse hierher überschreiten
muß, die Leute einer rastenden Karawane vor dem Lagern dort der vielen
Blutegel halber abgeraten hatten. Von diesem Sattel hatte ich für wenige-
Augenblicke, gerade lange genug, um eine Aufnahme machen zu können,
einen prächtigen Blick durch das Tal hinaus auf die Westseite der beiden
tief verschneiten Hauptgipfel des Yülung-schan; der diesseits gelegene:
aber, dem meine Reise galt, blieb verhüllt.
Dugwantsun ist eines der westlichsten Lolo-Dörfer, die es gibt; es liegt in
einem von Alo herankommenden Seltentale, das mit einer scharfen, vom Wege
über den genannten Sattel von Hungschischao abgeschnittenen Krümmung in
nächster Nähe in den Dschungdjiang-ho mündet. Von Dugwantsun führt ein
Weg nach Bödö und angeblich auf der Höhe eine Abzweigung zum Schneeberg.
Unter Schwierigkeiten und zu hohem Preise fanden wir einen Jungen
als Führer, denn ich wollte nicht ins Blaue gehen. Auf flachen Rücken
zwischen mehreren Seitenbächlein erstrecken sich die Äcker der Lolo als:
das Bild ursprünglichster Siedelung. Noch ragen verbrannte und abgehackte
Strünke in die Höhe, und einzelne'mächtige Baumstämme, die man nicht
verwendete noch wegschaffen konnte, liegen längs da; dazwischen wachsen
Hafer, Gerste, Buchweizen und Kartoffel, die Hauptnahrung der Leute,
deren niedrige, einfache Bambushütten zerstreut stehen. Hinter der letzten
tritt der Weg in den Wald, der zunächst aus Kiefern besteht. Schon hier
ist die Kräuterdecke schön und farbenprächtig: mehrere Frauenschuh-und
/¿oscoea-Arten, Nomocharis aperta mit großen, flachen, nickenden, schön
rosa Blüten und andere Liliazeen. Stellera Chamaejasme, Morina Delavayi.
Ein orangegelber, wie lackiert glänzender, nach gemeinstem Schnaps riechender
Holzschwamm, dessen harter, halbkugeliger Hut nur eine ganz kleine
Öffnung zu der sporentragenden Porenschicht läßt, Cryptoporus volvatus,
wächst auf Kieferstämmen und wird roh gegessen. In feuchteren Lagen
kommt man durch Dschungelstreifen auf recht steilem,- morastig-rutschigem
und öfter durch gefallene Bambusse und Baumstämme fast gesperrtem
Wege, der den Tragtieren viel Mühe macht. Dann tritt er auf Matten,
heraus, die wieder an Blumenpracht schwer ihresgleichen finden. Hier
sind es besonders die tief rosafarbigen, halbkugeligen Döldchen der Andro-
säce spinuliferä, die ganze Flächen bedecken, während Veratrilla Baillonii
eben ihre in dichten Rispen stehenden grünen Blüten öffnet und ihre
abgestorbenen vorjährigen Stengel zwei winzige Pilzarten als Ausbeute
ergaben. Bei einer noch nicht bezogenen Hirtenhütte an einem Tannenhaine
machten wir Mittagsrast, ich aber suchte, sobald ich das Essen
verschlungen hatte, die Hänge darüber ab. Wo er nur einigen Halt fand,
hat sich Moder angesammelt und darauf jene Vegetationsformation gebildet,
der ich den eigenen Namen „Modermatte“ gegeben habe. Aus verwitterten
Pflanzenteilen, Wurzeln und Wurzelstöcken, Blättern und besonders Blattscheiden,
die an den lebenden Stöcken Hüllen um den Wurzelhals bilden,
besteht die braune Unterlage. Zwergsträucher, Berberitzen, Heckenkirschen,
kleine Alpenrosen und Thermopsis alpina mit großen schwefelgelben
Schmetterlingsblüten treten oft zu dichtem Geflechte zusammen und dazwischen
wurzeln tief die jetzt blühenden Stauden, die regelrecht auszugraben,
schwere Arbeit macht. Anemonen, Nomocharis lophophora, Potentillä
stenopylla mit kämmig gefiederten, silberglänzenden Blättern und die
sonderbare Mandragora caulescens. gehören dazu, dann die kräftige Meco-
nopsis pseudointegrifolia, eine meterhohe Staude mit dickem, hohlem, goldig
rauhhaarigem Stengel, der an aufrechten Stielen eine größere Anzahl
nickender, mohnähnlicher, schwefelgelber Blüten trägt, und Primula Sze-
chuanica, schwefelgelb, herrlich duftend, ähnlich der P. Sikkimensis, aber
durch die scharf zurückgeschlagenen, der Röhre angedrückten Zipfel
der Blumenkrone einen nur in wenigen Arten vertretenen Typus darstellend.
Bald war der Kamm erreicht, und ein prächtiger Ausblick bot sich mm
nach der anderen Seite über das Tal des Bapadji, des Flüßchens von Bödö,
an dem man, winzig wie ein Spielzeug, Waschwä liegen sieht, auf die