
aber auch in anderen Jahreszeiten geöffnet finden. Hier hatte ich die
Yünnan-Straße zu verlassen und den Bach nach Norden zu verfolgen.
In dem Tälchen am Südhange des Wasserscheiderückens zwischen
Rotem Fluß und Yangdse-djiang liegt hier das salzerzeugende Dorf
Alaodjing und im Nordosten dieses, jenseits des 2400 m hohen Rückens,
aber noch am Oberlauf eines zum Roten Fluße zurückkehrenden Baches,
die Salzstadt H o u y en d jin g . Beide Orte und das etwas weiter nordwestlich
am Dsolin-ho gelegene Hedjing liefern das ganze Salz für die Provinzhauptstadt.
In Houyendjing gab man mir ansehnliche Stücke eines grauen
Steinsalzes. Das Produkt, das in gleicher Weise gewonnen wird wie in
Maokoyendjing in Setschwan, ist aber rein weiß, das beste Salz, das ich
in China sah. Die von Kulis übervölkerten Orte selbst sind außerordentlich
schmutzig und machen mit den hohen, dunklen Steinmauern der großen
Amtsgebäude, den rauchgeschwärzten, qualmenden Sudwerken und den zu
mehr als Haushöhe aufgeschichteten Haufen als Brennholz abgehackten
Gestrüppes einen düsteren Eindruck. In botanischer Hinsicht interessant
war der Weg über den Sandsteinrücken selbst, obwohl fast aller Hochwald
abgehackt ist; die Gesträuche aber wachsen auf dem feuchten Boden
unter der Einwirkung der ausgiebigen Sommerregen offenbar immer wieder
rasch nach. So findet sich auch an ihren Rändern jetzt ein reicher Wuchs
von Weidenröschen, Karden (Dipsacus asper), Car ex cruciata, Baldrian,
Pedimlaris polyphylla, Phtheirospermum Chinense, einem Läusekraut ähnlich,
und zwei Polygonum-Arten, von denen die eine als Spreizklimmer wächst
Auf einer Felsplatte am Wege hatten sich grau-weiß gewürfelte Schmetterlinge
(Arichanna jaguargria) in größerer Menge niedergelassen und
drückten ihre Flügel so unbeweglich an den Fels, daß ich sie ruhig photographieren
konnte. Auch die große, langschwänzige, zartgrüne Actids selene
ningpoana fand sich in der Gegend. Mein Weg ging weiter nach Nordnordost
über zertaltes Hochland mit der üblichen Waldbedeckung, die
übrigens im Lithocarpus-Typus immer wieder einzelne hübsche Funde
ergab, wie das handteilige Blätter mit großen, graugrünen Abschnitten
tragende Araliazeen-Bäumchen Schefflera J)elavayi, das ich hier zum
ersten Male mit (noch jungen) Blütenständen fand, an vereinzelten Dörfern
vorbei, an deren Garteneinfriedungen die Erythrina arborescens ihre kurzen
Trauben scharlachroter Schmetterlingsblüten zwischen den großen drei-
zähligen Blättern herausstreckt. Es ist ein ganz kleiner Weg, aber in dem
einsamen Lande ließen uns doch an den Gabelungen und Kreuzungen oft
schon vom Gebüsch überwucherte Wegweisersteine den richtigen finden.
Beim Absteigen in das kleine Becken von Yanggai treten Kräuter tieferer
Lagen auf, Begonien (B. Sinensis und Henryi'), die veilchenähnliche
Gesnerazee Petrocosmea nervosa und die zarte schlingende Gommelinazee
Streptolirion longifolium mit wachsig-rosigen Stengelenden, die sich zu
sparrigen Trauben mit ebensolchen Blüten verzweigen, von denen die
unteren, fruchttragenden auf einem großen Deckblatt ruhen; den nötigen
Schatten für diese Pflanzen geben die Lianen Tripterygium Forrestii, Porana
Mairei, Oynanchum otophyllum und die krautigen Schlinger Apios carnea
und Codonopsis Forrestii, welche die Gebüsche und Bäumchen dicht überspinnen
und oft niederbiegen.
Kaum über Yanggai hinaus, die vierte Nachtstation seit Tschuhsiung,
die mir als eine der schlimmsten Unterkünfte meiner Reisen erinnerlich ist,
ein winziger, qualmerfüllter, glühendheißer Dachraum über einer Hühnerleiter,
über dem Pferdestall und doch voll Flöhen, steigt der Weg hinab in
das große, mergel-, Schotter- und sanderfüllte Becken von Magai. Erst hält
sich noch Keteleeria-Wald auf der Unterlage, der Baum und die stechende
Juniperus Formosana aber geschädigt durch die gliederstengelige, blattlose
Mistel Arceuthobium Chinense, dann noch etwas grauer Dornbusch,
unten aber bedeckt nur mehr kahle Steppe die durch zahllose WasSer-
runsen — Wadi würde man sie im arabischen Orient nennen p-,, Erdpyramiden
und andere Verwitterungsformen gegliederte Ebene. Heute war
es in der trüben Luft recht fraglich, ob die Aufnahmen dieses unübersichtlichen
Landes deutlich genug würden, um durch den Gegenblick
morgen von dem kleinen Rücken jenseits Yüenmou das Becken konstruieren
zu können. Über Nacht regnete es aber, am nächsten Tag war
alles im Nebel und von dem nötigen Ausblick gar keine Rede. Unter
Magai wird der von Tschuhsiung kommende Dsolin-ho erreicht. In meiner
Unterkunft Hailo war es schon spät und dunkel geworden, als es an das
Tor pochte und wir einem Europäer öffneten, dem Franzosen G uerin, den
ich im Frühjahr in Ningyüen kennengelernt hatte. Zum Kriegsdienst einberufen,
mußte er aus dem Lolo-Lande zurück und ist später gefallen.
Wir vertrugen uns noch sehr gut und ich ließ ihm, als am nächsten
Morgen mein kolikkrankes Tragpferd verendete und die Lasten verringert
werden mußten, einige Kleinigkeiten meiner Ausrüstung. Es geht allmählich
abwärts, das tiefer eingeschnittene Flußtal wird felsig, seit gestern steht
nebst Glimmerschiefer mit Quarz auch Granit an. Es beherbergt eine reiche
Trockenflora, Didissandra cordatula, die himmelblaue Commelina Kurzii,
den weißköpfigen Oyperus niveus in Mengen. Mittags ist die Fähre über
den Djinscha-djiang bei L u n g g a i erreicht. Gewaltig schwankt das Boot in
der Mitte des reißenden Flußes, und die Leute haben alle Mühe, die Tiere
zu beruhigen, indem sie ihnen Wasser ins Gesicht spritzen. Flach und
sandig ist das jenseitige Ufer des Flusses, und große Bestände des neuen
hohen Erianthus trichophyllus mit großen silberigen Rispen haben sich
hier angesiedelt. Nach Norden geht es hinauf durch eine dürre Schlucht,