
länder nicht viel zu sagen haben. Doch das Innere Yünnans kannte er
nicht, meinte nur, es sei sehr schwer zu bereisen, verläßliche Leute zu
finden aber ganz unmöglich; wie wir wohl unser Gepäck befördern
wollten? Wir nähmen eine Pferdekarawane, wir wären schon auf der
Suche. „Ich denke, Sie nehmen besser Maultiere“, war der einzige Rat,
den er uns geben konnte. Er stellte uns dem Tutschün (Militärgouverneur),
dem 28jährigen General T a n g - j i - ja o und dem Zivilgouverneur der Provinz
vor. Deren Regierungsgebäude („Yamen“) liegt an dem höchsten
Punkte der Stadt und ist ein ausgedehnter europäischer Rau, im besteh
Falle einem großfensterigen Magazin gleichwertig. Es liegen auch Truppen
dort, und die politischen Gefängnisse der „freien Republik“ sind dort
über einer hohen Mauer, scharf bewacht von der anderen Seite. Den
ganzen Tag über blasen Trompeter ihre falschen Töne über die Stadt
hinaus. Wir kamen in Tragstühlen an, die Posten an jedem Tor präsentierten
die Gewehre, und durch Gänge und Höfe hin und her wurden
wir ins Empfangszimmer geführt. Champagner und Cakes wurden aufgetragen
und wir fanden gutes Entgegenkommen auf unsere Pekinger
Spezialpässe hin, wenngleich eine zugesagte besondere Empfehlung von
dort nicht eingelangt war, aber die Auskünfte waren nicht besser als beim
Konsul: „Die Leute, die Sie aufnehmen, laufen Ihnen nach acht Tagen
alle davon.“
Unsere ersten Versuche, vom Hotel aus Diener anzuwerben, waren
auch wenig versprechend. Da kam einer, von oben'bis unten fettglänzend
und auf viele Meter nach Knoblauch stinkend; die Hände in den Hosentaschen,
drehte er uns den Rücken und sprach über die Schulter, seine
Fähigkeiten gebe er doch nicht unter 30 im Monat her. Später meldete
sich ein kleiner, magerer Rursche namens Li, den wir aufnahmen. Er war
intelligent, energisch und man konnte sich in französischer Sprache hinreichend
mit ihm verstähdigen. „Rütschen-Französisch“ könnte man diese
verunstaltete Sprache der Europäerdiener in Yünnan nennen nach dem
Muster des „Bütschen2-Englisch“ im östlichen China, das ein Engländer
erst erlernen muß. „Moi pacler lui, lui pas complend“ ist nur eine kleine
Probe daraus. Für mich erprobte ich einen zweiten, Lo, der bald den
großen Herrn spielte, in der Sänfte zum Dienste kam und nicht imstande
war, nach dem Namen eines Dorfes zu fragen, wohl aber gleich in der
plumpsten Weise gegen Li Ränke zu schmieden suchte. Acht erprobte
Kulis aber verschaffte uns Herr Maiwald.
1 Der mexikanische Dollar, nicht der offizielle Tael (= 1*40 $), ist die gangbare
Münze. Sein Wert war vor dem Kriege gleich einem halben Golddollar oder ungefähr
zwei Mark.
-■ . 2 = business („pidgin?) in dieser Aussprache.
In unserem Hause und Garten wurde nun emsig gearbeitet. Aus wasserdichtem
Stoff wurden Säcke für die Pflanzen- und Papierpäcke und Wände
an die Sonnendächer der Zelte genäht, um Schlafräume für die Kulis
herzustellen; Riesenballen chinesischen Papiers, das zum Pflanzenpressen
sehr geeignet ist, wjtrden gekauft und durch ganze Scharen von Weibern zu
Zwischenlagen zusammengefaltet und geheftet, Reitpferde versucht, wieder
weggejagt oder schließlich gekauft, alles mit wesentlichen Preisaufschlägen,
denn im ersten Jahre zahlt jeder Lehrgeld. Nur ein Beispiel für die
Ränke, denen die noch sprachünkundigen Reisenden immer wieder zum
Opfer fallen. S chneider sandte einmal einen Mann von Lidjiang nach
dem eine Tagereise entfernten Hodjing, um für 8 $ Papier zu kaufen.
Zur Sicherung bat er bei einem Besuche den Beamten, einen Soldaten
mitzugeben. Dieser sagte zu, Li übersetzte aber seine Antwort: Sein
Papierkauf gehe ihn nichts an. S chneider schimpfte, drohte mit einem
Bericht nach Peking und entfernte sich. Der Beamte, erstaunt über diese
Wirkung, merkte wohl, daß der Diener seine Antwort nicht übersetzt
haben mußte, und erzählte das Vorkommnis dem Missionär, indem er
erklärte, wenn der Fremde vier Soldaten verlange, so sei er verpflichtet,
sie zu geben. Inzwischen war der Mann allein gegangen, kam mit einem
winzigen Päckchen Papier zurück und erzählte, das übrige habe ihm der
Litjin (Inlandszoll) weggenommen. In Wirklichkeit hatte er 6 $ redlich mit
Li geteilt. Die ganz lächerlichen Preise der Lebensmittel im Lande geben
immer Gelegenheit zum Schwindeln und, je weniger der Reisende aufs
Geld sieht, je größere Löhne er zahlt, desto mehr wird er außerdem
bestohlen. Es ist bekannt, daß mit wenigen Ausnahmen, zu denen China
nicht gehört, Eisenbahnbau in der ganzen Welt dasselbe kostet, denn,
wo das Material teurer kommt, sind die Arbeitskräfte billiger.. Die Bahn
von Tschangscha nach Tschüdschou in Hunan aber, obwohl unter den
denkbar leichtesten Verhältnissen gebaut, war die teuerste der Welt, denn
sie bauten Chinesen allein, die so viel dabei stahlen, und, als einmal eine
deutsche .Firma ein Elektrizitätswerk bis zur Bezahlung des letzten Kulis
in eigener Regie baute, da staunten sie, wie billig das war.
Ein bei der chinesischen Post angestellter Deutscher hatte sich erbötig
gemacht, uns die Karawane zu verschaffen und zwei seiner chinesischen
Beamten auf die Suche geschickt. Schließlich wurde uns der Vertrag vorgelegt,
ein großes Papier mit Siegeln mehrerer als Bürgen zeichnender
Kaufleute. 50 Cents pro Tag und Tier war der landesübliche Preis,
doch war verabsäumt worden, für Rasttage, wie man es tut, einen
geringeren vorzusehen; eine Anzahlung von 800 $ auf die voraussichtlich
zu zahlenden 1200 sollte uns das Mitschleppen größerer Geldsummen ersparen,
sie war aber ein schwerer Hereinfall für uns Neulinge in chinesischen