
Hongkong liergestellte kondensierte Milch für den billigen Preis von
30 Cents die Büchse. Sie war mir sehr willkommen, um den
Schlammgeschmack des Wassers zu übert&uben, mit dem Li mir den Tee
zu bereiten pflegte. Der neu eingesetzte Beamte war sehr verständig und
freundlich, wollte mir zum Besuche des Tempelwaldes am N a n d jin g -
s cli an eine halbe Stunde außerhalb der Stadt am 25. vier seiner Diener
mitgeben und ärgerte sich, als dann auf mein Drängen doch zwei von
ihnen zu Hause blieben. Daß es einem der anderen Knoblauchesser, die
immer um mich herumstanden, eingefallen wäre, sich nach meinem auf
den Boden fallenden Bleistift zu bücken, darf man nicht etwa glauben.
Das findet kein chinesischer Diener für nötig, wenn er nicht eigens dazu
abgerichtet ist. Der Tempelwald besteht aus riesenhaften, uralten Bäumen,
die sich liier ungehemmt entwickelten, aber sein Unterwuchs ist recht arm,
außer am Rande, wo duftender Symplocos confusa blüht; die dichte
Schattendecke der Baumkronen hat ihn wohl erstickt. Im Gekräute um eine
Quelle fand sich die große Hydrocotyle Nepalensis.
DURCH SÜD WEST-HUNAN NACH WUKANG
Dsingdschou. — Nachrichten beim deutschen Missionär. — Schluchtwälder am Tschü-
djiang. — Das Bergland von Hsüning. — Opiumschmuggel. — Bambuswälder. — Lackgewinnung.
— Wukang. — Besuch des Yün-schan (1420 m). — Aberglaube. — Tempelwald.
— Gebirgsbau und Fernblicke. — Wallfahrer.
In der Talfurche unter Liping tritt wieder Kalk auf, aber die einzelnen
Klötze und Karren, die er bildet, verstecken sich in üppig wuchernder
Pflanzendecke; Ficus pumila überzieht auch die glattesten Wände. Sehr
bald verläßt der Weg das Tal gegen Nordosten, erreicht über einen
niedrigen Sattel ein in derselben Richtung allmählich hinabführendes und
darin die Grenze von Hunan. So war ich in der vierten und entgegen meiner
Absicht letzten Provinz von China, die mein Arbeitsfeld für längere Zeit,
als ich dachte, werden sollte. Ich hatte wieder zehn Soldaten mit, denn
auch hier war gestern geraubt worden und von Dsingdschou hatte der
Beamte Ablösung bestellt. Auch hatte er den Weg herrichten lassen, was
sich aber auf das Weghacken der hereinhängenden Gräser und Kräuter
beschränkte, gar nicht zu meiner Freude, denn da mag manches verschwunden
sein, was ich gerne gesammelt hätte. Wo das Tal noch eng
ist, sind seine niedrigen Hänge auf lange Strecken von Hainen eines nußähnlichen
Baumes bedeckt, die in dieser Reinheit sicher nicht ursprünglich
sind, sondern zur Gewinnung von Öl aus den Früchten angepflanzt. Schon
vor Liping hatte ich einen einzelnen in einem Dorfe gefunden, hier aber
scheint er doch in den üppigen, aber an Eichen armen Mischwäldern der
Talhänge auch da und dort wild vorzukommen. Seine Fiederblättchen sind
kleiner und schmäler als .jene der Walnuß und die Früchte sind außen
etwas kantig und braun filzig, im inneren Bau aber gleich. Es ist kein
eigentlicher Nußbaum, sondern die chinesische Hickory, Carya Cathayensis,
ein Vertreter einer durchwegs amerikanischen Gattung, der erst im Jahre
1912 bei Tschanghwa in Tschedjiang entdeckt worden war. Wo das Tal
breiter wird, sind die unteren Teile der höheren Berghänge reichlich mit
Stechtannen (Cunninghamia) bedeckt, der Weg aber führt vielfach durch
Pflanzungen des auch wild häufigen Teeölstrauches. Das Gestein des
niedrigen Gebirges ist durchwegs grüner Tonschiefer mit Quarzgängen,
wenig geneigt, hier unten liegt darüber aber wieder eine dünne Schicht
Kalkes mit karstartigen Verwitterungsformen. Das Tal wird flach und sandig,
die Bäche umsäumen noch mächtige Bäume, Viburnum odoratissimum und
Xylosma racemosa, beide süß duftend, der eine weiß, der andere gelb, aber
jetzt größtenteils abgeblüht, einmal fand ich die kletternde, scharlachrote
Bignonia Chinensis, die niedrigen Hügel aber deckt auf D s in g d s c h o u zu
mehr magere Heide und Steppe. Dort traf ich mittags am 31. Juli ein.
Die Stadt liegt an einem Flusse, der von einer Schiffbrücke überspannt
ist. Die Häuser am Ufer ragen auf hohen Pfählen über das Flußbett, so
auch die Herberge, die ich zmiächst fand. Als ich eben im Begriffe war,
das größte und luftigste Zimmer durch Hinauswerfen der Strohmatten
und Töten der riesengroßen darunter freiwerdenden Wanzen für mich
wohnlich zu machen, erzählte jemand, daß ein deutscher Missionär im
Orte ansässig sei. Ich wußte wohl, daß es in Hunan Landsleute gibt, aber,
gleich in der ersten Stadt einen zu treffen, hatte ich nicht vermutet. Er
mußte sofort aufgesucht sein, konnte ich da doch wieder Neues über die
Lage in der Welt und in China erfahren. Es war Herr A r e n d t , ein Deutschrusse,
mit seiner Frau, die über den unvermuteten Besuch eines Landsmannes
freudig erstaunt waren und mich sofort einluden, ihr Gast in dem
musterhaft sauberen Hause zu sein. Nichts hätte ich dankbarer annehmen
können, nur schade, daß es so kurz war, denn morgen früh mußte ich
doch wieder weiter. Reine Wohnungen hatte ich im Inneren wohl auch
bei Amerikanern getroffen und bei einem englischen Missionär in Guiyang,
den ich auf Empfehlung hin kurz besuchte, aber das war ein d e u ts c h e s
Haus und nicht mehr hatte ich mich mit fremden Sprachen zu plagen,
sondern im Mutterlaut verstanden wir uns! Riga war gefallen und eine
Weiterentwicklung der Spannung zwischen China und Deutschland komme
gar nicht mehr in Betracht. Diese Ansicht teilte auch der Beamte, der
uns besuchte. Konnte etwas meine düstere Stimmung mehr heben? Dieser
war ein Südchinese und ausgesprochener Deutschenfreund und auf die
Pekinger wegen des Abbruches der Beziehimgen gar nicht gut zu sprechen.