
aus Atendse angekommen; ich fürchtete schon, man suche mich, es stellte
sich aber heraus, daß er des Todes des Beamten halber geschickt worden
und ein guter Freund meiner Leute aus der Gegend von Lidjiang war.
Hieher war mir pünktlich mein Pferd entgegengeschickt worden, ich
hätte es nach einer solchen Fußreise am liebsten umarmt, so struppig
und schmierig es auch daherkam. So langte ich am 14. Juli wieder in
Bah an an und mußte zunächst daran denken, meine Eingeweide in Ordnung
zu bringen.
AUF DER MEKONG—SALWIN-KETTE GEGEN DIE TIBETGRENZE
Das Längenmaß. — Der Kalkberg Maya (4575»»). — Bau des Gebirges. — Weglose
Wanderungen. — Tote Bambusbestände. — Der Kakerbo. — Tibeter beim Essen. -
Eine Mondnacht am Karsee. — Yigöru, Schidsaru und Gondonrungu (4475 m). —■ Ein
Steig nach Tjionatong. -
Mit Opium, Wismut und Minzentee suchte ich meinen Zustand zu bekämpfen,
aber ein Erfolg ließ lange auf sich warten, und zwar wahrscheinlich
deshalb, weil ich auch Milch trank, die bei mir wieder gegen solche
Mittel wirkt. Schön war diese Zeit nicht. Die Ludse-Häuser sind für solche
Sachen überhaupt nicht eingerichtet, und bei Regen immer in die Maisfelder
zu spazieren, ist bei Tag kein Vergnügen, geschweige denn hei
Nacht. Die Flöhe nahmen in meinem Zimmer überhand und Wanzen gab
es auch, die Rußzapfen von der Decke fielen mir aufs Bett, auf den Kopf
und ins Essen und Schreiben. Die Blütezeit strich dahin und die Ausbeuten
meiner Sammler in der Umgebung des Dorfes enthielten wenig
Besonderes, so begann ich mich bald nach Zeltleben auf den Bergen zu
sehnen; es hat auch seine Schattenseiten, wenn man immer durchnäßt
wird, sobald man die Nase hinaussteckt, aber alle Plage und Arbeit bringt
Erfolg und ist viel besser als das Nichtstun da unten, für das ich nicht
hierhergekommen.
Am 31. Juli endlich war ich wieder so weit, daß ich eine größere
Gebirgswanderung unternehmen konnte. Es war mir darum zu tun, die
Sommerflora der Mekong—Salwin-Kette nahe der tibetischen Grenze, besonders
auch auf einem der dortigen Kalkberge, und die Tiefe des Salwin-
tales in mehr Muße als auf der Rückreise vom Djiou-djiang zu untersuchen.
Mit 14 Trägem verfolgte ich zunächst jenen großen Weg, den ich im Vorja
h re von Londjre hieher genommen hatte, bis auf den S c h ö n d su -la ,
der am dritten Tage erreicht wurde. Im Doyon-lumba machten mich die
Leute auf eine Felswand hoch oben im Walde der gegenüberliegenden
Talseite aufmerksam, wo man zwei Wildbienennester sieht. Sie erscheinen
von ferne wie riesige Wespennester und müssen mindestens l t ) | m Durchmesser
haben. In den Wäldern stand mehr in Blüte als im Vorjahre, an
abgerissenen Wegrändern die rauhhaarige neue Begonia asperifolia, über
Felsen hängt Rhododendron hidlatum herab. Der Maya-Gipfel war frei
und ich benutzte die Gelegenheit, um die zwischen seinen Felstürmen
klar ersichtliche Aufstiegslinie zu zeichnen, denn ich wußte ja
nicht, ob ich sie nicht, im Nebel werde finden müssen. Mein Diener
und Koch ging voraus, als er sich von dem Trägerobmann die Auskunft
geholt hatte, zum Lagerplatz sei es noch „liango bei“ („zweimal
tragen“) weit, das heißt, die Träger müssen noch einmal die Lasten
absetzen, eine noch etwas ungenauere Angabe als die bei den Tibetern
nicht übliche in Li. Wenn sie aber Li rechnen, so sind die ihren länger
als jene der Chinesen und werden von diesen Man-Li („das Li der Wilden“)
genannt. Man darf das Li überhaupt nicht als ein Streckenmaß, sondern
nur als ein Zeitmaß betrachten, und der beste Beweis dafür ist, daß mir
einmal auf die Frage nach der Entfernung die Antwort gegeben wurde:
„Sechs Li — abfer nein, Du reitest ja, da kannst Du mit vier Li hin»
kommen!“ Auf demselben Platze wie im Vorjahre schlug ich mein Zelt
auf, vom Koch bereits mit einem großen Laib Butter erwartet. 'Denn jetzt
war die Alm noch bevölkert, aber der alte Senner wog sehr genau und
wollte sich nicht vom Chinesen ums Gewicht prellen lassen. Zwei lustige
Burschen halfen ihm bei seiner Arbeit, denn es war viel Vieh zu besorgen,
Schafe, Ponies, gewöhnliche Rinder und Jak, auch mehrere Stiere,
darunter ein Riese von einem Jak, dessen kraushaariger Kopf und hoher
Nacken ganz dem eines Wisents glich. Morgens sorgten sie fleißig für
die Vermehrung, und bei der Gelegenheit, wie einer den .ändern von der
Kuh wegstößt, wird wohl der Senner sein blaues Auge abbeknmmen haben.
Der Maya zeigt sich besonders prächtig am Abend, wenn die grauen
Kalktürme lange Schatten über die smaragdgrünen Matten werfen und
Nebel durch seine Schluchten ziehen. Er war mein erstes Ziel und seiner
Besteigung widmete ich den 3. August. Kaum war ich etwas über dem
Passe am Fuße der ersten Felsen angelangt, sah schon der Gipfel des
Kakerbo als schmales Schneetrapez über den Rücken im Norden des
Schöndsu-la herüber, als wollte er ein gutes Vorzeichen für einen aussichtsreichen
und daher geographisch bedeutungsvollen Tag geben. Doch schon
von den offenen Rasenflecken über der ersten breiten Rinne war er
nicht mehr zu sehen und die Wolken senkten sich immer mehr, so daß
der ersten Freude bittere Enttäuschung folgte. Aber auch in botanischer
Hinsicht hatte ich mir von dieser Kalkeinlage im Urgebirge mehr versprochen.
Corydalis fidrieni blühte schön blau im Schutte, die kleine
Orchidee Amitostigma Forrestü geht bis auf den Gipfel. Primtila limbata