
der als steile Treppe an einer Felswand hinaufführt. Mehrere Hilfskräfte
müssen aufgenommen werden, um bei den Lasten zu helfen, wenn eine
oder ein Tier aus dem Gleichgewicht kommt, doch hatten wir es nicht für
einen Augenblick nötig, von unseren unglaublich sicheren Ponies. zu steigen.
1000 m über dem Fluß wird der Hang flacher und bald erreichten wir
das Dorf Duinaoko. Am 4. Juli endlich ging es durch Waldland allmählich
zum 3125m hohen Passe und auf steilem Katzenkopfpflaster hinab ins
Becken von Lidjiang. Wieder waren wir im Regen und so schien uns,
sosehr die Üppigkeit der Hecken mit duftendem Gaisblatt, blütenübersäten
weißen Rosen und großen goldgelben Jolianniskrautsträuehern bestach,
die schmutzige Stadt unfreundlich aufzunehmen.
LIDJIANG UND DER YÜLUNG-SCHAN
Zwischenfälle. —■ Das Nahsi-Dorf Ngulukö. — Bau und sommerliche Blüten des Gebirges.
— Wetterverhältnisse. — Die Heidewiesen des Eisseebeckens und der Gletscherbach
Beschui. — Primelpracht der Sumpfwiese Ganhaidse.
Lidjiang hegt recht malerisch in 2475 m Höhe am Fuße zweier Hügel,
die das Ende einer von Norden in das große Becken eines ehemaligen
Sees hereinziehenden Bergkette bilden. Auf dem niedrigen äußersten, den
ein durch die Stadt geleiteter Bach abtrennt, glitzert ein Tempel zwischen
hohen Zypressen. Nordsüdlich ziehende Bergketten umsäumen das Becken.
Im Südwesten zweigt von einem spitzen Horn, dem Webi-schan, ein
Seitenkamm ab, der es in der Querrichtung abschließt und den westlichen
Bach, der dort bei hohem Stande einen See bildet, zum Umkehren in
den östlichen Teil zwingt, wo er sich mit dem oben erwähnten und einem
von Nordosten kommenden vereinigt und nach Süden wendet. Nichts als
eine schwarze Wolkenwand konnten wir zunächst immer im Norden sehen,
aus der nur dann und wann Teile des Plattenpanzers und der Eiskrone
eines Gipfels hervortreten, so hoch im Äther, daß sie von den unteren
Teilen der Stadt aus den recht ansehnlichen nördlichen Hügel überragen.
Erst nach Tagen konnte man früh morgens den „Pik“, den Yülung-schan
(„Berg des kostbaren Drachen“) der Chinesen manchmal in seiner ganzen
Pracht erblicken. Er ist es in erster Linie, der Yünnan in Botaniker- und
Gärtnerkreisen berühmt gemacht hat. Im Jahre 1884 vom französischen
Missionär D elavay zum ersten Male besucht und später durch viele Jahre
vom Schotten F orr est erforscht, hat er Hunderte für die Wissenschaft neuer
Arten und die prachtvollsten neueren Einführungen an Hochgebirgspflanzen
für die Gärten geliefert. Es war nicht meine Absicht, mich hier lange aufzuhalten,
aber einen Überblick über seine Pflanzenwelt wollte ich doch
gewinnen und insbesondere seine Kryptogamen sammeln, die noch ganz
unerforscht waren, während S c h n e id e r den Hochsommer hier zubringen
wollte.
Zunächst aber hatten wir zehn Tage lang in der Stadt zu tun, Tage,
die uns mancherlei Unannehmlichkeiten brachten. Auf einen vorausgeschickten
Brief hin hatte uns der Beamte Unterkunft in einem größeren Privathause
verschafft, nach zwei Tagen aber mußten wir in ein anderes umziehen,
denn dem Besitzer waren unsere Kulis zu viele. Die Bevölkerung von
Lidjiang setzt sich hauptsächlich aus Nahsi, dem hiesigen Stamme der
„Moso“, Chinesen und Mindjia zusammen, zu denen noch viele Vertreter
anderer Bergvölker kommen, die sich gelegentlich in der Stadt auf halten. Gleichzeitig
mit uns traf der österreichische Forschungsreisende A. K. G e b a u e r
von der anderen Seite in Lidjiang ein. Er hatte leider seine Pläne
nicht durchführen können, sondern war von dem als Fremdenfeind • berüchtigten
Beamten in Atendse gehindert worden, an dên Salwin zu
reifen, nachdem ihm unten in Lutschang ebenfalls der Beamte ein Weiterverfolgen
dieses Flusses nach aufwärts unmöglich gemacht hatte. Seine
Auskünfte und sein Mißgeschick wurden mir später der Leitstern für meine
größte Unternehmung, von der ich jetzt noch keine Ahnung hatte. Wir
verbrachten angenehme Stunden miteinander und ergänzten uns gegenseitig
die Ausrüstung. Da kam an einem dunklen Abende eine Depesche
aus Yünnanfu, die mir den Mord von Sarajevo mitteilte. Daß jener Mann,
den ich durch eineinhalb Tage begleitet und genugsam kennengelernt
hatte, nicht zur Regierung kam, konnte nur ein Glück sein, aber, warum
und wo es geschehen war, ließ für die Folgen fürchten, die nun zu erwarten
waren. Père E. M o n b e ig , der nach Dadjienlou reiste, um über den
kürzlich an der Straße von dort nach Batang erfolgten Mord an seinem
auch als Botaniker bekannten Bruder Nachforschungen anzustellen, und
mir hier auch wertvolle Auskünfte gab, hat mich zwei Jahre später
erinnert, wie ich ihm hier den Krieg vorausgesagt habe. Li bekam einmal
über einer Weibergeschichte Streit mit Soldaten und bezog dabei schwere
Prügel.
Sehr behilflich war uns der evangelische Missionär A. K o k , ein Holländer,
der mit seiner Frau und zwei Diakonissen hier arbeitete. Bei den durch
ihn geführten Verhandlungen mit dem General, der schließlich den beiden
Soldaten die Prügel weidlich zurückgeben ließ, erwähnte dieser ein von
Y üanschikai eben erlassenes Verbot des Kartenzeichnens für Europäer
und sandte uns auch gleich einen Soldaten als Spion in die Wohnung.
Dies beeinflußte die Fortsetzung meiner einschlägigen Arbeit natürlich
nicht, sondern erzielte nur, daß ich sie geheimer als bisher betrieb und
zunächst peinlichst vermied, seinen Rat zu befolgen, ich möge ihm meine
Weiterreise bekanntgeben, damit er mir Empfehlungsbriefe an die Beamten