
aus seinem Gesichtsvorsprung in den Papierkorb blutet, hatte ich schon
gesagt, daß ich über Sommer vielleicht nach Lidjiang gehe, und er hatte
nichts dagegen eingewendet. Als es dann klar war, daß von Heimreise
noch lange nicht die Rede sein könne, gab der Konsul meinen Abreisetag
bekannt und ersuchte um den üblichen Geleitbrief. Da erklärte die Regierung,
sie könne mich jetzt nicht reisen lassen, Lidjiang sei zu nahe
an der Grenze von Setschwan, mit dem sich Yünnan in Kriegszustand
befinde, und von Birma, und machte besonders naiv darauf aufmerksam,
daß die Pflanzen nicht auf den großen Wegen wachsen,' sondern an den
kleinen, und dort die „bösen Barbaren“ wohnen. Solchen Gründen war
auch Konsul W e is s nicht zugänglich, er meinte sogar, ich solle gegebenenfalls
einfach ohne Erlaubnis reisen, und ich ließ erklären, daß ich für Nichtverwendung
der neuerlich zur Verfügung gestellten Mittel strengstens zur Verantwortung
gezogen würde und die Abreise auch nicht im geringsten aufschieben
könne, da sonst die Ergebnisse nicht den Kosten entsprächen, und, da
jetzt in Europa Menschenleben so billig sind, es eine Feigheit wäre, für
m ein Höchstes nicht ein klein wenig mehr zu wagen als sonst. Da fügte
sich die Regierung und ich hatte die kostspieligen Vorbereitungen nicht
umsonst getroffen: In Wirklichkeit konnte mir nichts zur Durchführung
meines Planes erwünschter sein, als die ungeordneten Verhältnisse in
der Provinz, unter denen sich viele Beamte um die Regierung wenig
kümmerten.
Schuhwerk, Kleider und anderes mußte neu gemacht werden, europäische
Erzeugnisse, wie die als eiserner Vorrat für mindestens einen Monat
nötigen Konserven, forderten enorme Preise, für ganz einfache I lford-
platten von 8 X 1 0 '/ 2 cm Größe mußte ich 2-50 $ fürs Dutzend zahlen,
r.hinin, das mir der französische Arzt Dr. Va d o n bereitwilligst verkaufte,
kostete das Vierfache vom Vorjahre usw. Herr P awelka verschaffte mir
einen Koch, der ihm auf seiner Reise zur Zufriedenheit gedient hatte.
Er konnte zwar nicht den Dolmetsch machen, war aber findig und
energisch. Land und Leute an meinem Zugange kannte ich bereits, ünd
für schwierige Gespräche konnte ich mich an einen der zahlreichen mir
auch schon bekannten Missionäre wenden, für die gewöhnlichen Bedürfnisse
der Reise aber reichte mein Chinesisch schon aus, und es war mir diesmal
hauptsächlich um einen Mann zu tun, der auch zu Fuß über die Berge
mitkam. Leider stellte sich später heraus, daß er besser für seine Kehle
als für meinen Magen sorgte. Alles machte er im Handumdrehen, um
nur rasch zu seinem Schnaps zu kommen. Halbrohe,, blutige Hühner,
grüne Kartoffel, ungenießbar zähes Fleisch setzte er mir vor, sein Brot
stank nach zwei Tagen und zog Fäden und schlimmer noch die Kuchen,
die er aus Ersparungsgründen1 selbst buk. Von Sauberkeit, die den
Chinesen so schwer beizubringen ist, hatte er nicht die Anfangsbegriffe;
daß er zum Transporte immer die Pferdebürste ins Eßgeschirr verpackte,
war gewiß die harmloseste seiner Schweinereien. In seiner hohen Stimme
protzte er mit seinen meist falsch angebrachten paar französischen Worten,
wenn Chinesen dabei waren. Besonders bevorzugt war darunter „il-y-en-a
pas“, das bedeutete bei ihm: man kann nicht, er will nicht, er weiß
nicht und dergleichen mehreres. Auch andere Schildbürgerstücke leistete
er sich, so kaufte er am zweiten Reisemorgen billig vier Hühner, band
sie aber derart auf eine Last, daß mittags schon drei davon tot waren.
Ein Pferd für ihn hatte mir Herr P awelka billig abgelassen, als eigenes
hatte ich dem Konsul eines seiner schönen Setschwanponies abgekauft,
das sich glänzend bewährte, und beim Anwerben der nötigen Karawane
von zehn Tragtieren kam es mir sehr zustatten, daß ich meine Leute im
Gegensätze zu anderen Europäern immer gut behandelte, wenn sie ihre
Sache machten. Mein vorjähriger Karawanenführer drängte sich, mit mir
zu gehen, und ließ, trotzdem die Preise jetzt viel höhere waren, den
Unterschied bis auf 5 Cents herabhandeln. Ich schloß mit ihm ab: „Nach
Lidjiang und zehn Tage weiter auf großen Wegen“. Als Pflanzensammler
hatte ich zunächst ein grenzenlos langweiliges und blödsinniges Individuum,
denn ich dachte in Gwangdung D jindjingwen zu finden und aufzunehmen.
W dsoling wollte wegen des Alters seines Vaters nicht mehr
reisen, er hatte eine wandernde Gastwirtschaft und wohl auch genug von
der Erinnerung an die Salwinreise, von der er jedem erzählte,, daß in
Pehalo der Mais eine Setschwanruppie kostete.
Am 27. April nachmittags machte also der Polizist am Westtor mit
der Mütze auf dem Kopfe eine tiefe Verbeugung und fragte: Wohin? Ich
dachte mir: Ja, wenn Du wüßtest! und es waren keine Segenswünsche,
die ich für ihn und den Tutschün übrig hatte, als ich in die dürre Hitze
hinaus reiste. Man hängte mir meist zwei „Soldaten“ als Bedeckung an,
außergewöhnliche Vorkehrungen merkte ich aber keine. Der duftende Sym-
plocos paniculata, interessanter Dichotomanthes tristaniaecarpa, grünliche
Diospyros mollifolia, Phoebe neurantha und Picrasma quassioides, d a n n rotes
niedriges Jasminum Beesianum blühten jetzt überall. Einen Trupp Landsturm
begegnete ich ohne Waffen marschierend, nur durch auf die Kleider
genähte Zettel kenntlich, während der Offizier in der Sänfte schlief. Da
D jindjingwen nicht mehr in Gwangdung war, telegraphierte ich von
Tschuhsiung an Kok, mir Lao-Li nach Dali entgegenzuschicken. Lithocarpus
dealbata, Quercus Franchetii und andere Eichen trieben jetzt ihre beinahe
quirlig gestellten Schossen, und ihre Wäldchen hatten vom Filz der jungen
herabgeschlagenenBlätter eine gelbbrauneFarbe.Da und dort stand Castanopsis
Delavayi in voller Blüte, im Aussehen ganz wie Edelkastanien. Jetzt in der