
dunkelroter Salbei (Salvia castanea), die skabiosenverwandte Morina Dela-
vayi mit dornig gewimperten Blättern und karminroten, mehrere Zentimeter
langen Blüten, mehrere Frauenschuh-Arten, wie das trübpurpurne
■Gypripedilum Himalaicum mit beinahe faustgroßen Blüten und Leontopodium
Dedekensii. In kleinen Mulden und Dolinen und zwischen Gebüschen
schießen Hochstauden in den Saft und bilden schon ein drittes Stockwerk,
die goldgelben kreuzkrautartigen Ligularia-Arten mit großen ei- oder nierenförmigen
Blättern und langen Blütentrauben oder -ähren, hier besonders Ligu-
laria vellerea, unser Chamaenerion angustifolium u. a. Wo wir das Flüßchen
wieder erreichen, sprudelt es, schön blau, in winzigen Fällchen über Schichtköpfe
kaum geneigten Kalkes in einem prächtigen Waldtal, zwischen nur
niedrigem Gebirge im Osten, den hohen Hängen der Kette des Waha
aber im Westen. Bald treffen wir vom Wasser nur durch eine Reihe
hoher Sanddornbäume und flügelstengeligen Evonymus Lichiangensis getrennte
Sumpfwiesen in prächtig buntem Blüteaflor roter Primeln und
Läusekräuter, gelber Iris Forrestii und blauer Bulleyana und Strobilanthes
versicolor, großer buschiger Euphorbia nematocypha, weißer Anemonen und
Aletris, und in dieser schönen Umgebung liegt so malerisch wie irgend
eines in unseren Alpen das heutige Ziel, das Hsifan-Dorf Mudidjin. Wieder
wird das Tal enger, eine mit Wald und Dschungel erfüllte Schlucht mit
prächtigem Pflanzenwuchs. Besonders gerne unter Bambus gedeiht die
schöne Nomocliaris Mairei, einer offenblütigen Lilie ähnlich, mit weißen,
purpurn gepunkteten Blütenblättern, von denen die inneren zierlich gezähnt
sind. Aber jetzt in der Regenzeit kommen auch die Unannehmlichkeiten
in dieser Zone zum Vorschein, winzige Stechfliegen („Kriebelmücken“) und
die Blutegel, eine braun und grün längsgestreifte Art, die auf Kräutern und
Büschen sitzen, sich haardünn und gut fingerlang nach dem Vorbeikommenden
strecken und im Augenblick an die Kleider oder ans Pferd
anheften, um nach dem Blute zu suchen. Ihr Biß schmerzt zwar gar
nicht, man kann ihn gerade bemerken, wenn man eigens darauf achtet,
aber die Wunde blutet noch beinahe eine halbe Stunde lang nach und alles
wird mit Blut verschmiert, und dies ist das Widerliche an der Sache.
Am Nachmittag verließen wir das Talsystem von Yungning über einen
kleinen Sattel (3450 m), der aus Birkenwald mit Weidenbusch schönen
Ausblick auf den früher von ferne erkannten Südpfeiler der westlichen
Kette bietet, den G ervais- C ourtellemont „Pic Le Guilcher“ taufte, ganz überflüssigerweise,
da er mir — später, von der anderen Seite ħAl>o genannt
wurde und überdies bei den Chinesen Yo-schan heißen soll.
In allmählichem Abstieg hatten wir, zwischen Föhren heraus, den ersten
Blick auf Schnee und Gletscher des Yülung-schan, die, zwischen Wolken augenblicksweise
freiwerdend, noch ferne genug, jenseits des nicht erkennbaren
Yangdse-Tales aus gewaltiger Höhe herabgrüßten. An liefen Karsttrichtern
vorbei erreichten wir abends Piyi in einem Becken, das nach Osten zum
Hauptarm des Wolo-ho entwässert wird. Weiter, wie immer im allgemeinen
nach Südsüdosten, querten wir noch ein ansehnliches Becken und zwei höher
gelegene Seitentälchen und erreichten erst gegen Abend unter dem großen
Dorfe Baodu den Wolo-ho selbst, der abwärts in engem Tale sich gegen
Nordosten wendet. Überall liegen Dörfer, Chinesen und Moso wohnen
gemischt, die erstgenannten müssen von weither sich hier angesiedelt haben,
denn sie haben große Schöpfräder in den Fluß gebaut, wie ich sie auf
meinen Reisen erst wieder in Hunan fand. Südlich von Baodu gegen das
Ende des gestreckten, mit Reis bebauten Beckens, an dessen Ostseite hoch
oben am Gebirge Kohle gegraben wird, liegt L a n d ji-d s c h o u , der Sitz
eines Bezirksbeamten. Der Fluß macht, wieder eingeengt, einen ziemlich
widersinnigen Bug und empfängt an dessen Ecke einen größeren Zufluß
von Osten. Bald treffen wir ihn wieder und steigen an seinem östlichen
Ufer nach H s in y in g p a n an, wo ein Neffe des Kwapi-Tussu herrscht.
Mit dem Manne war nicht, viel anzufangen, denn er erwies sich als
ausgesprochen schwachsinnig, aber wir blieben doch zwei Tage bei ihm, den
ersten (27. Juni), um den Berg über uns zu besteigen, den zweiten, um
allzu argen, mit Hagel gemischten Regen, der auch reichlich in meine Tempelunterkunft
hereinfand, abzuwarten. Ein Weg führt an einem kleinen Lama-
Kloster vorbei abseits vo<n dem Gipfel Hungguwo, der mir von unten
für einen Ausblick der günstigste schien, über den im Osten das Tal
begleitenden Rücken. Nirgends zweigt ein Steig ab, aber das Ziel mußte
erreicht werden. Daher stieg ich frisch in den Dschungel, das Pferd führend '
und mir den Weg zwischen den zahlreichen gefallenen Baumstämmen hin
und her selbst bahnend. Als ich dann im Freien wieder in den Sattel
stieg, erschrak ich nicht wenig über das Fehlen der Tasche mit dem
Aueroid, die losgerissen war. Der Kuli, der sie, ohne etwas zu sagen,
gefunden hatte, reichte sie mir aber gleich und glücklicherweise hatte das
Instrument keinen Schaden noch irgend eine Beeinflussung erlitten. Der
mit Kiefern bebuschte, 3 4 7 5 « hohe Gipfel erwies sich nun als der denk-i
bar ungünstigste für meinen Zweck, den er bot nach Osten gar keinen
Ausblick, nur zwei hohe Berge bei Yenyüen waren zu sehen, nach denen
ich seine Lage einrichten konnte. Da die Zeit fehlte, um noch einen anderen
Gipfel ebenso mühsam zu erreichen, begnügte ich mich mit der westlichen
Hälfte der Rundsicht. Nachdem sich der Yülung-schan, von dem einige
dunkle Felstürme schon von weit unten noch für kurze Zeit sichtbar
gewesen waren, jetzt ganz verhüllt hatte, sah man bis zum Alo nur Bergland
von gleichem Aussehen. Etwas niedriger als unser Standpunkt, besteht
es aus schrägen Hochflächen, runden Rücken und hie und da einem flachen'