
gekerbt, fällt die Kette zum anmutigen Waldland mit der großen WTiese
Gaba, einem ehemaligen Seebecken, ab. Am Südfuße des Satseto aber öffnet
sich die große Schlucht Lokü gerade auf uns zu, ihr eiszeitlicher
Gletscher hat seine mächtigen Moränen weit ins Vorland hinausgeschickt,
es ist, wenn-auch keineswegs das größte, doch vielleicht das reinste-und
schönste Eiszeitbild, das es überhaupt gibt. Der größte heutige Gletscher
dieser Seite hat sein Firnbecken hoch oben unter dem Satseto, seine
Zunge hängt zerklüftet über den Hang bis 4075 m herunter. Aus dem Firnbecken
fuhrt eine hohe befirnte Felswand zum Grate, und dieser selbst
hat auch einen senkrechten Absatz. Der klare Überblick ließ mich erkennen,
daß ich mich nicht mit einem Gedanken an eine Besteigung des
Hauptgipfels tragen könne, wenn er auch für sehr tüchtige Bergsteiger
vielleicht erreichbar ist. Nach Norden schiebt sich die Felszinnenkette
gegen Ndaku in der Verkürzung zu einer geschlossenen Mauer zusammen
.und verschwimmt hinter dem gerundeten Vorberge Konsago über dem
Hesehui. Ringsum Bergland, die alten Bekannten von. meinen beiden
früheren Reisen, die Berge zwischen Yungbei imd Yungning, um Muli
und Ndaku. Alles so klar in der Herbstluft, angeschneit, weit im Südsüdosten
noch die Ketten des Yünnan-Hochlandes. Mich kümmerte jetzt
aber besonders die nähere Umgebung, das Bergland um die Yangdse-Strecke
nordöstlich von Lidjiang. Alles ist niedriger als mein Standpunkt, mehrere
Gipfel treten deutlich hervor, so der nächst dem Strom als scharfer Kegel
aufragende .T om an y o mit einem weiß glänzenden Tempelchen auf der
Spitze, aber die Talverläufe sind doch nicht recht entwirrbar; es kommen
offenbar auch noch mehrere blinde Senkungen vor, ähnlich-jener am
Südfuße meines Standpunktes, in der die Lolo-Ansiedlung Gwubä liegt.
Daß ein Gipfel von ungefähr 5000 m Höhe im südlichen Teile des
Yülung-schan (Ünlüpe) unschwierig zu ersteigen sein dürfte, hatte ich
schon früher gesehen, jetzt wurde es mir noch klaren In - der nächsten
Nacht regnete es und morgens waren die Berge verhängt, am 14. konnte
ich die Sache unternehmen. Durch das mir von dem Gange mit K ok und
dem Beamten wohlbekannte Kar PältschWa mußte man aufsteigen zu
einem steilgeneigten breiten Bande, das auf einen Seitengrat führt, der
nicht sehr steil und gewiß erkletterbar vom Gipfel herabkommt. Die
wenigen noch übrigen Nägel pflanzte ich an die gefährdetsten Ecken meiner
Bergschuhe zu zwei und zwei, wie es gerade noch ausging, denn die in
Yünnanfu erzeugten hatten schon am Ludsedjiang das Zeitliche gesegnet,
und zur Vorsicht nahm ich auch die Steigeisen mit. Auf der großen Wiese
Ndwolo hatten die Amerikaner die Zelte aufgeschlagen, ihre hiesigen Jäger
und Maultiertreiber lagerten unter Bäumen und Felsblöcken; jetzt, da die
Blutegel durch den Frost verschwunden waren und das vom Schnee verstärkte
Bachlein weiter herabkam, konnten sie es tun. Sie selbst aber
traf ich ober dem großen Felsklotze über der Quelle, als ich um %9 Uhr
vom Pferde stieg. Sie hatten über Nacht Fallen ausgestellt und reiche
Beute gemacht; alle Taschen hatten sie voll Mäuse, Maulwürfe und dergleichen.
Nun stieg ich in den Nebel hinauf, der sich inzwischen angesammelt
hatte, hielt mich etwas zu weit links, verfehlte das Kar und
geriet in die jetzt tief verschneiten, vom Kamme dorthin abfallenden
Schutthalden. Der Schleier tat sich wieder auf und ich übersah meinen
weiteren Weg, mein Gipfel, eine dreizackige Felsenkrone, hob sich hoch
oben hellgrau vom blaüen Himmel ab, auch der Satseto grüßte für einen
Augenblick, nebelumzogen herüber. Die Lawinen waren bereits abgegangen
und nicht mannstief, die Sonne kam nicht durch, ich konnte also ohne
besonderes Bedenken den Hang queren, die Lawinen entweder unten oder
um den oberen Zipfel umgehend, aber oft genug brach ich weit übers
Knie ein. Am . Einstieg zum Bande wollte ich L ao-l i, der nur in Halbschuhen
war und zu frieren begann, zurückschicken und den Rucksack
selbst übernehmen, er erklärte aber, mit mir zu gehen, wohin ich gehe.
Felsendurchsetzt führt es als Schneehang sehr steil hinauf. Nachdem die
Querung schon viel Zeit genommen hatte, stampften wir hier nun noch
langsamer vorwärts, denn jeder Tritt muß ausgetreten oder ausgehauen
werden, das häufige Einbrechen ermüdet und man muß in dieser Höhe
besonders in der Schneeluft nach jeden paar Schritten aussetzen, man
doch Herz lmd KoPf hei dieser Arbeit. Eine leichte, weil weniger
steile Strecke führte zu einer kleinen Kante, die das mm seitlich sehr
steil geneigte Band weiter übersehen ließ, der Felsgrat aber erwies sich hier
von nahe doch als sehr glatt. Wir waren 4750 m hoch, Blütenpflanzenreste
waren noch festzustellen, aber leider war es schon >/a2 Uhr. Der
Aufstieg bis zum inzwischen, wie alles, gerade von dieser Höhe an wieder
bewölkten Gipfel hätte mindestens noch l</a Stunden erfordert, um 6 Uhr
ist es dunkel und für 5 Uhr war ich von den Amerikanern zum Abendessen
geladen. So mußte ich von der Gipfelbesteigung absehen, nahm
die leider auch dort nicht ganz wolkenfreie Aussicht gegen Osten auf
und machte mich auf den Rückweg. L ao-l i überkam am Rande der steilen
Strecke das blasse Grausen, Schwindel genannt. Er drehte sich mit dem
Gesichte gegen den Berg, was ich übrigens der mit den Schuhspitzen
getretenen Stufen halber streckenweise auch tat, machte aber seine Sache
auf meine genaue Anweisung, vorausgehend, vorsichtig und gut. Unter dem
Bande fuhren wir zu seiner großen Belustigung sitzend ab und dann
wanderten wir rascher, als wir an seinem Hange herangekommen waren
durchs Kar hinaus. Der Schnee hatte, so lange er auch gelegen war, doch
manche blühende Pflanzen ungeschädigt gelassen, besonders Delphinium