
gerade ins Dorf herabblickenden, 4950 m hohen Felszinne Ü n lüpe grenzt
dieser in einer scharfen senkrechten Linie an den nördlich anstoßenden hellen
Kalk. Das Baumaterial der Häuser ist meist dieses Eruptivgestein in verschiedener
Zusammensetzung, oft aus radialstrahligen Kugeln. Rechts, näher
als dieser Ünlüpe-Gipfel, erhebt sich steil zu 4400 m ein weißes schotterbedecktes
Trapez, Hosayigo, und setzt sich im Nordön in dem nischenreichen
klotzigen Sabä fort, während der Hauptkamm, als Zackenkette
immer höher ansteigend, einen Bogen gegen Westen beschreibt. Ohne daß
die Zusammenhänge von unten zu erkennen wären, blickt unvermittelt
zwischen Hosayigo und Ünlüpe der 5450 m hohe vordere Hauptgipfel des
Yülung-sehan, der „Pik von Likiang“, wie ihn die Europäer nennen, S a ts e to
der Nahsi, als herrliches Eisdreieck herüber; ein riesenhaftes Felshorn, Tscha-
loko, läßt er nach Osten hinausstehen in dieselbe Linie wie Hosayigo—Sabä.
Gleich am nächsten Morgen ritt ich den vom Dorfe sichtbaren Weg
durch steilen Kiefernwald hinauf. Schon dort prangen schöngeformte Blütenköpfe
des weißen Pteröcephalus Hookeri und der roten dem Baldrian verwandten
Nardostachys grandiflora. Ein geschlossener Blütenflor aber ist die
über dem Steilrand zwischen dunklen Tannenwäldern ausgedehnte Wiese
Ndwolo (um 3500 m), ganz' überdeckt mit den großen, meist blauen Blüten
des Strobilanthes versicolor, die nicht nur an den gegen 1 m hoch liegenden
Stengelspitzen, sondern über die ganzen Pflanzen rispig verteilt sind. Dazu
kommt der ungefüllte Trollius Yunnanensis und an trockeneren, weniger
erdigen Stellen die hohe Cimicifuga foetida und Veratrum stenophyllum
und die gelbe Draba Yunnanensis, die sich an Größe ruhig mit unseren
Brillenschötchen messen kann, u. a. Zerstreut stehen, ihre zahlreichen
Stämmchen besenartig in die Höhe streckend und die Zweige zu einem
schirmartigen Dache ausbreitend, zahlreiche Sträucher, besonders Weiden,
Flieder, Spiraeen (S. arcuata), „wilder Jasmin“ (Philadelphus Delavayi) und
Berberitzen (B. dictyophylla), deren Äste von dunkelgrünen Moosen (Ortho-
trichum Hookeri, Hypnum hamatum) und grauen und braunen Flechten
(Parmelia cirrhata, Oropogon Loxensis, Leptogium Menziesii) in dicken
Krusten und Ballen bedeckt sind. Aber in dem hohen Gekräute beginnen
die Blutegel und lauern noch weit hinauf am Hange zu Tausenden auf
den arglosen Wanderer. Wir steigen wieder steil an durch einen
Streifen besonders flechtenreichen Waldes und gelangen an einen Wasserlauf
in felsigem Bette. Da schwanken, von Tropfen bespritzt, die weißen
Köpfe des Junrns allioides auf fadendünnen Halmen und die weißen Blüten
der Saxifraga Chinensis, wie herabgezogen durch die zwei einseitig hängenden,
zu Bändern verlängerten Blütenblätter auf rotdrüsigen Schäften.
Nebenan geht es über steinigen Rasen hinauf, Bambusgebüschen entlang, unter
denen eine niedrige Brombeere (Rubus lutescens) ihre großen gelben Blüten
geöffnet hat und immer mehr gelbe und rote Pedicularis auftreten. In
3700 m Höhe liegt wieder ein ebener Fleck, ein blockerfülltes, aber ganz
verwachsenes Kar voll üppig blühender saftiger Stauden, hoher gelber
Liguralien, gelber, violett gefleckter Salvia flava, hochwüchsigen Fingerkräutern,
blauer Aconiten und Ritterspornen, der rosavioletten Megacarpaea
Delavayi und dem mächtigsten aller Läusekräuter, Pedicularis superba,
deren fingerdicker, vierkantiger Stengel beinahe Meterhöhe erreicht und
an den Quirlen der am Grunde zu sackartigen Scheiden verwachsenen
Blätter zahlreiche 4 cm im Durchmesser haltende Blüten von zartem, wie
bei unserer Orchis purpurea violettlich durchscheinendem Rosa trägt. Jede
Wegspur hört auf, in 4125 m Höhe kommen wir an den letzten vereinzelten
Tannen vorbei, aber je höher wir steigen, desto prächtiger wird
die Hochgebirgsflora. Die steilen Matten prangen in grellbunten Farben an
Formenpracht und Größen wetteifernder Blüten zwischen den Horsten der
Gräser, besonders Schwingel, Riedgräser und Cobresien. Gelbe arnikaähnliche
und schwarzbraunblütige Cremanthodien (C. nobile und campanu-
latum), die drüsige gelbe Saxifraga nutans mit in Trauben gestellten Blüten
und viele andere Steinbrecharten, Primeln in schweren Mengen, Kreuzblütler
wie das zarte, in der Farbe wechselnde Dipoma iberideum, Fingerkräuter,
zierliche Parnassien, das niedrige Dracocephalum speciosum, die
vergißmeinnichtähnliche Microula hirsuta, viele Orchideen, wie Orchis
spathulata und die vanilleduftende Gymnadenia Delavayi, gelbblütiger
Cyananthus macrocalyx, Edelweiß (Leontopodium calocephalum) mit breiten
flachen Sternen, aber doch wieder am schönsten von allen die roten
Pedicularis-Arten mit ihren abenteuerlichen Blütenformen, P. Delavayi mit
langer dünner Kronenröhre und Elwesii mit großen, zu nahezu 10 cm
breiten Köpfen gehäuften Blüten und fast blattlosem Schaft. Lange weiße
Schotterstreifen, die nie ganz zur Ruhe kommen, ziehen sich am Hange
herunter,, und sie haben wieder einen eigenartigen Pflanzenwuchs. Da drücken
Doldenblütler mit mächtigen Rübenwurzeln ihre zarten Blattrosetten dicht
an das Gestein, Pleurospermum foetens und Trachydium hispidum, ebenso
wurzelt Meconopsis rudis, die auf ihrem hohen, fast stechend borstig-behaarten
Schaft große nickende blaue Blüten trägt; das weißwollige taubnesselähnliche
Eriophyton Wallichianum, mehrere gelbe, blaue und violette
Lärchenspomarten und der kleine rosablütige und weiße Kreuzblütler
Hemilophia pulchella, auch Anemone rupicola mit unten violett überlaufenen
Blättern treiben ihre fadendünnen Wurzelstöcke aus der Tiefe
zwischen den Steinen durch, bis sie sich an der Oberfläche, zu
lockerem Rasen zusammentretend, entfalten können. Wo der Schnee in
Mulden länger gelegen ist, in 4250 m Höhe, blühen wieder Primeln ganz
besonders schön, Primula pseudosilckimensis mit großen schwefelgelben