
bis zur Mitte gleiten, weiter mußte man hangeln. Schueller, als ich dies
bewerkstelligen konnte, zogen mich die Leute hinüber, so daß meine Hände
etwas zerschunden wurden. Die Bäume, an denen die Seile befestigt,
sind, mußten gegengehalten werden, damit, sie sich nicht entwurzeln und
samt der ganzen Brücke ins Wasser stürzen. Es tat. mir leid, diesen Platz,
der mir mein Leben lang in der Erinnerung bleiben wird, nicht photographieren
zu können, denn für eine Momentaufnahme war es in diesem
Schlunde viel zu dunkel und für längere Belichtung der Bach und die
zitternden Zweige und Seile zu bewegt, und außerdem das Bild im Vordergründe
von Zweigen und Laub verstellt. Wenn in trockenerer Zeit das
ganze vielleicht harmlos ist und der Bach durchwatbar, so ändert dies
nichts an der damaligen Lage. Da wir nur eine Wata hatten — diese
auch nur zufällig —, ging die Arbeit nur sehr langsam vonstatten, auch
war die Verständigung schwer, denn man konnte bei dem Tosen des
Wassers auf die Entfernung von nur 25»» keinen Laut von einem Ufer
zum anderen verstehen. Nach einer kurzen, aber recht rutschigen und
ausgesetzten Kletterei schlug ich bald das Zelt auf einer kleinen
Schulter des Hanges auf. Den halben Tag blieb ich hier, um die Ausbeute
aufzuarbeiten, der Nachmittag brachte mich den Zufluß entlang bis nahe
an den Djiou-djiang. Der Weg führt am Hange, der hier teilweise mit.
Adlerfarnbeständen bewachsen ist, aber doch auch wieder Birken (Betula
cylindrostachya) und Pinus excelsa trägt, deren Zweiglein und Nadel-
lmschel Orchideen (Bulbophyllum?) behängen und durchspinnen wie
tropische Tillandsien; leider war von ihnen wie von den vielen anderen
Orchideen hier unten kaum eine mehr in Blüte. Nur die blatt- und
chlorophyllose Galeola Lindleyana, die aus dem fauligen Gebüsche ragt,
das goldtraubiger neuer Bubtis chrysobothnys durchspinnt, und erst, wenn
man sie ausgräbt, ihre volle Länge von 27a m und ihre meterlangen kriechenden
Ausläufer zeigt, hatte ihre dottergelben, sich wenig öffnenden
Blüten noch frisch. Am Flusse war die Verschüttung eines alten Bergsturzes
durch das immer wieder steigende und fällende Wasser verhindert
worden, nur etwas Sand hält sich zwischen den hausgroßen Granitblöcken,
zwischen und unter denen man durch stockdunkle Gänge durchschlüpft.
lihaphidophora decursica mit dicken kriechenden Stengeln und dunklen,
lederigen, unregelmäßig fiederig gespaltenen Blättern klettert an ihnen.
Wie ich zum ersten Djioudse-Hause im Dörfchen N its c h e lu a n g kam,
mit dem Pickel in der Hand, zogen sich die Bewohner zuerst scheu
zurück, der Missionsdiener, der sich mit ihnen schon angefreundet hatte,
beruhigte sie aber. Gibt es etwas zu kaufen? »Da haben sie eben die
Hühnerställe mit kreuzweise gesteckten Stäben verschlossen,“ zeigte mir
mein Koch, »sonst sind sie gut und haben keine Waffen und auch keine
Kleider an.“ In der Nacht begann das Leiden, welches mir nun die
Arbeit sehr erschwerte. War es das Wasser der Waldbäche, das ich
frisch getrunken, oder die japanischen Fleischkonserven, was direkt auf
den Darm wirkte, oder Erkältung durch Nässe und Wind, der Durchfall,
den ich schon gemerkt hatte, wurde nun unerträglich, und die mangelnde
Nachtruhe in dem von Flöhen übervölkerten Hause tat das ihrige dazu
mich zu schwächen. Die drei Kilometer flußaufwärts zum nächsten Dorfe,
Schutsche, waren ein kleiner Tagesmarsch, so stark waren die Steigungen
und Abstiege. Es gibt, wohl keine Gegend in der Welt, wo die Verbindungswege
zwischen benachbarten Dörfern so erbärmliche Klettersteige
sind, wie hier. Auch B urrard sagt in seiner Begleitschrift zur neuen
Karte von Tibet, daß von dem ganzen von seinen Leuten aufgenommenen
Irrawadi-Gebiet hier am Djiou-djiang die Wegschwierigkeiten am größten
sind. Von einer Ecke 275m über Nitscheluang aus ist das Tal .gut. zu
übersehen. Es ist noch steilwandiger und weniger gegliedert als jenes des
Salwin. Im ganzen geradlinig sieht man seine Verschneidung weit gegen
Nordnordwest hinauf und nach Süden hinab. Der Fluß selbst ist etwa
halb so stark wie der Salwin, reich an Schnellen und bildet nur unbedeutende
Krümmungen um kleine Bergsporne herum. 30 km im Süden,
bei Furong, soll er nach O r l é a n s , der ihn von Yuragan aus erreichte,
einen großen Bug nach Westen machen. Da ich aber die Länge des nach
Süden einsichtigen Tallaufes auf nahezu 50 km, schätzen mußte, sah
ich mich zu der Frage • genötigt, ob nicht ganz gegen, den Anschein eine
größere west-östliche Verschneidung eigentlich das Flußtal darstelle. Dies
wurde aber entschieden in Abrede gestellt und auch durch eine bessere
Übersicht später vom Gebirge aus widerlegt. Nach der Karte Roux-, des
1 opographen O rléans’, fällt in ‘die Gegend jener Verschneidung der weitere
Reiseweg des Prinzen, und beim Aufträgen meiner Aufnahme erhielt ich
den Eindruck, daß der zweifellos vorhandene Fehler in jener Darstellung
dadurch zustandekam, daß er den Flußlauf nicht gänzlich übersah und
den Bug zu klein zeichnete. Wenn ich berücksichtige, daß die genannte
Tibet-Karte, die von genauer Darstellung ganz offenkundig weit entfernt,
ja mit Bezug auf die östlich angrenzenden Teile Yünnans durchaus
oberflächlich und fehlerhaft ist, den Bug schon viel weiter ausladend
zeichnet, so ist es mir am wahrscheinlichsten, daß es sich in Wirklichkeit
um ein völliges Zurückkehren, eine große S-Schlinge, handelt, die in jener
Gegend keineswegs widersinnig ist, und eine solche soll auf dem betreffenden
nicht verkäuflichen Blatt der neuesten indischen Aufnahme auch
ersichtlich sein. Die Bergkette gegenüber erreicht durchwegs 4000 m, ein
auffallender Gipfel talaufwärts zwischen dem fünften und sechsten Seitentale
bedeutend mehr, doch ist dieser noch nicht vergletschert. Alles ist