
T s c h ia n g s c h e l gab wieder anderes, wie die zarte glockenblumenähnliche
Meconopsis lyrata und der Zwergstrauch Diplarche multiflora, viel Arbeit.
So kamen mir die Träger vor, ich verlor mit meinen Sammlern die Steigspur
im Nebel und begann geradeaus hinabzusteigen. Wenn mir die Sache
mangels jeder Spuren nicht doch bald verdächtig vorgekommen und auf
kräftige Anwendung meiner Pfeife hin der Führer uns holen gekommen
wäre, wären wir in gänzlich unwegsame Urwälder geraten, denn der Weg
biegt scharf rechts ab und führt noch hinauf auf einen besonders mit
Zwergkirschen und Viburnum cordifolium var. hypsophilum bewachsenen
Grat, der sich nach Westen bald zu den obersten Tannenbäumen hinab-*
senkt. Matten dehnen sich zwischen ihnen, und zwischen deren Grase
kriecht ein Rhododendron, wahrscheinlich wieder repens, dessen Blüten
sich da, am Boden sitzend, ganz eigentümlich, beinahe wie purpurner
Enzian, ausnehmen. Im ganzen fast eben, aber doch zwischen Granittrümmern
fortwährend hin und her kletternd, geht es ein gutes Stück
weiter, dann kann an der westlichen Ecke des Grates an einem Tümpel
das Zelt aufgeschlagen werden.
Am nächsten Tage begann bald das tollste Stück der ganzen Reise,
ein mit Ausnahme einer ganz kurzen schrägen Strecke schnurgerader
Abstieg von mehr als 1600 m über eine natürliche Treppe von Felsstufen,
Wurzeln, Steigbäumen und Morastlöchern im Dschungel. Oft muß man mit
dem Gesicht gegen den Berg klettern, meist gibt es Wurzelschlingen oder
Bambusstengel zum Anhalten, oft aber auch nichts.. Stellenweise kann
man vom First einer Felswand durch die Löcher zwischen Wurzeln und
Felsblöcken, auf die man die Füße setzen muß, auf Baumwipfel hinabsehen.
Unter B400m gibt es Lärchenwald mit nur noch wenigen Tannen,
darunter Mischwald, der jenem des Ludsedjiang ähnelt. Viele Epiphyten
überziehen die Baumstämme im Walde, die uns bereits von dort bekannten
Sträucher und dazu Vaccinium Nummularia (?), das große holzige Knollen
an Stämmen und über Felsen bildet, auch mehrere Orchideen, darunter
die neue Coelogyne Taronensis mit wenigen, großen,'^grünen, mit wie angesengten,
beiderseits rostfarbenen Flecken gezierten' Blüten, finden sich
hoch in den Zweigen zwischen den Flechten und den goldgrünen Moosen
(besonders Plagiochila-Arten und Pseudospiridentopsis horrido), die mit dicken
Polstern alles Holz bedecken und in langen Strähnen selbst noch von Blättern
herabhängen. Erst als wir auf eine kleine Rodung heraustreten, können wir
sehen, daß wir der Talsohle schon nahe sind. Aber es ist erst ein
Seitental, Naiw an g lo n g , das von Norden herabkommt und hier nach
Westen abbiegt. Am Rande der Lichtung steht eine eigenartige Föhre,
die indische Pinus excelsa, ein mächtiger Baum mit wie in Trauer herabhängenden,
außerordentlich feinen Nadehi und jenen der Weymutskiefer
ähnlichen, über 20 cm langen und ganz schmalen Zapfen, und auch aus
den umgebenden Wäldern sieht man ihre bläulichgrünen, runden Wipfel
deutlich hervorragen. Noch ein Stück klettert man steil hinab in die
eigentliche Schlucht. Zwei große Farne befremden hier, der eine,
Gleichenia glauca, übergeneigt, erreicht mehrere Meter Länge und hat mehrfach
gabelig geteilte Wedel mit fein gefiederten Endverzweigungen, der andere,
Dipteris conjugata, ist aufrecht und sieht aus wie ein ins Ungeheuere
veigrößertes Ginkgo-R>\o.t\. mit nur in der Mitte tief gespaltener Spreite, auf
deren Rückseite sich die
winzigen Sporangienhäuf-
chen ganz zerstreut finden.
Beides sind Formen, die
man schon eher tropisch
als subtropisch nennen
möchte. Plötzlich stand ich
zwischen meinen vorausgeeilten
Trägern am oder
richtiger auf einer Felskanzel
über dem tosend
e^ hochgeschwollenen
Bache.
W enn j emand sagt, daß
er kein Gruseln kenne, so
möchte ich ihn an diese
Stelle schicken, es zu lernen,
unter den gleichen Verhältnissen,
wie ich sie traf.
In einer düsteren, wasserstauberfüllten
Schlucht
114. Seilbrücke am Naiwanglong.
(Nach Skizze.)
baumeln drei nur fingerdicke Bambusseile in bedeutenden Abständen übereinander
gerade über einem Wasserfalle, und die müssen uns hinüberhelfen.
Wie vermorscht sie sind, läßt sich nicht beurteilen ; zur Sicherheit fügte ieh
noch mein Seil dazu. Die Einheimischen zauderten keinen Augenblick, ans
Übersetzen zu gehen; da der Abend herannahte, benützten sie aber die
Gelegenheit, um, der Missionswächter obenan, zur Beschleunigung der Arbeit
einige Ruppien zu erpressen. Meine Leute aber blickten fragend die Seile
und mich an. Erst unter dem Drucke der Wata wurde diese Brücke ein
einigermaßen einheitliches Gebilde. Ohne einen Knoten zu binden, konnte
mein Seil, das etwas kürzer war als die anderen, nicht befestigt werden, und
dieser behinderte nun die Abfahrt. Mit einer Fußspitze auf ein abgehacktes
Bäumchen sich stützend, konnte man die Wata darüberschieben und dann