
Ein richtiges weites Polje, gegen die bebauten Ränder sich überall etwas
senkend, liegt dazwischen, Karstland ist auch der Hang hier, eine tiefe,
steilwandige Doline links am Fuße des mächtigen Gipfelkegels, eine weite,
flachere rechts vom Wege, und schon gestern führte er an mehreren
vorbei. Das Becken von Loping liegt 1600 m hoch, und schon 300 m
darüber am Abstiege bemerkt man eine Veränderung der Pflanzendecke.
Hier ist die klimatische Trockenheit des Yünnan-Hochlandes offenbar zu
Ende, das Land ist gegen den Südost-Monsun offen und der Reichtum
an Niederschlägen gleicht die Wirkung der edaphischen Trockenheit, der
Dürre des Karstbodens, aus. Die tiefere Lage entspricht jener der Subtropenstufe
auch in offenem Lande im mittleren Yünnan, und nebst der.
größeren Wärme wirkt die gleichmäßigere Verteilung der Niederschläge
im Seeklima auf die Pflanzen. Trotzdem der Hang entholzt und beweidet
ist und die Chinesen sich noch bemühen, durch Verbrennen zu zerstören,
was sie können, fallt der üppige Trieb der Gräser, Sträuchlein, Lianen
und Kräuter auf, die sich das Recht zu leben nicht nehmen lassen wollen,
und es kommen schon viele dazu, die wir bisher noch nicht getroffen
haben; wir treten also in ein auch floristisch anderes Gebiet, das sich
nicht an eine politische Grenze lehnt, denn wir bleiben ja noch durch
zwei Reisetage in Yünnan. Da gedeihen groß- und rundblätterige Actinidia
und Brombeeren, die erste (A. Chinensis) braunzottig, der Rubus clinocephalus,
ebenfalls ganzblättrig, mit in den Blattachseln sitzenden Blütenknäueln, dann
eben erst sprossende Hochgräser, wohl Sacchariim arundinaceum und auch
Themeda gigantea, dazwischen fast versteckt die kaum meterhohe strauehige
Castanea Seguinn, jetzt eben in Blüte, und das mannshohe Lilium Broionn
mit kleinen Blättern und wenigen sehr großen, außen bräunlichen, duftenden
Blüten. Auch die wasserliebende Erle (Ainus Nepalensis) ist noch ganz
besonders häufig, Viburnum cylindricum ist eine der größtblätterigen Schneeballarten.
Unten am Fuße, beim Dorfe Djinsolo, ist ein hochstämmiger Ham
bei einer Quelle erhalten, Photinien, Eriobotrya und baumartiger Weißdorn,
dessen gefiederte, starre Domen am Stammgrunde mit weißen, schwarz
gestrichelten Flechten, der neuen Graphis Lopingensis, überzogen sind:. In
der trockenen Ebene selbst ist Omninghamia lanceolata, Haine und Alleen
bildend, in Menge vorhanden; wenn sie' vielleicht auch hier noch nicht
wild ist, so ist doch das Vorkommen des weiter im Westen sehr seltenen
Nadelbaumes für das Klima bezeichnend.
Das nur zwei Stunden weiter gelegene L o p in g ist ein Städtchen wie
Sidsung, nahe dem westlichen Rande der abflußlosen Ebene. Erst am
nächsten Morgen (12. Juni) reiste ich weiter. Mehrere der Hügel sind mit
Laubwald bedeckt und beim Dorfe D jin d jis c h a n erstieg ich einen. Die
Bäume sind recht gleichmäßig hoch, gegen 10 m, und bilden ein vorwiegend
dunkelgrünes, nicht sehr großblättriges Laubdach. Itea Yunnanensis ist die
Hauptmasse, ein Baum, den man für eine klein- und grünblütige, starrblättrige
Traubenkirsche halten könnte, der aber zu den Steinbrechgewächsen
gehört, dann Platycarya strobilacea mit gefiederten Blättern, Xanthoxylon
■alatum, Schoepfia, jasminodora, großblättrig Ficus Silhetensis, die japanische
Mispel (Eriobotrya Japónica) und oben die ebenso filzige Photinia
crassifolia. Vom Gipfel des Kegels konnte ich die nächsten betrachten;
.sie stehen hier mehr getrennt und die Schichten fallen sanft östlich ein,
die Hänge sind dadurch sehr gleichmäßig gestuft, wie die Cheops-
Pyramide. Das Ganze ist wohl etwas mehr abgesunken, daher sind
die Dolinen ausgeföllt und geackerte Flächen fruchtbarer Verwitterungskrume
dehnen sich dazwischen. Was ist es, das solche Verwitterungsformen hervorruft,
wie diese Kegel, in einer geologischen Formation (Trias), die uns
anderswo ganz anders äußerlich entgegentritt? Das Gebiet liegt mir zu
ferne, als daß ich'mich an die Beantwortung der Frage machen könnte, aber
meinem Gefühle nach dürften die tropenähnlichen Niederschlagsverhältnisse
mitgeholfen haben. Weiter nach Osten zieht sich links vom Wege eine
Reihe von Klotzhügeln hin, und vorne sieht man darüber eine ganz sanft
nach Nordosten einfaflende Hochfläche, deren untere Schichten sich sozusagen
darunter herausziehen und, um 90° nach aufwärts gebogen, senkrecht
in etwas höhere Zacken südlich davon eintreten. Wir queren einen
Bach, der sich aus der Talfurche zwischen zwei Hügeln nach lin k s hinauszwängt
auf größere Klotzberge zu, und erreichen den Marktflecken B an tjiao .
Hier, wieder auf einem Kalkhügel, hat der Wald etwas andere Zusammensetzung;
Lithocarpus dealbata, Pistacia Chinensis, Carpinus Turczani-
nowii und das Xanthoxylon herrschen vor, auch Cupressus funebris ist
häufig, dürfte aber doch gepflanzt sein. Abends traf der von mir aufgenommene
Karawanenführer ein, seine allerschlechtesten Tiere hatte er
für die kleine Reise nach Schanghai ausgesucht und brachte nichts anderes
über die Lippen, als den nicht wiederzugebenden Fluch, der jedes dritte
Wort des Yünnanesen ist. Der Bach von Bantjiao trifft, mit dem nächsten
vereinigt, auch auf die Hügelkette links, findet aber keine Bresche, sondern
verschwindet in einem Saugloch unter einer Felswand. Bald steigt der
Weg zu den gestern gesehenen Zacken auf und erreicht wieder 1820 m
Höhe. Nochmals gemahnen die Pflanzen daran, daß wir noch in Yünnan
sind, die rötliche Steppe des Andropogon Delavayi mit den üblichen
Kräutern, Pinus Armandi und Yunnanensis, Keteleeria Davidiana als Bäume,
aber bald kommt wieder Neues dazu, an einem größeren Bache, den wir
mittags unter Kougai kreuzen, Pterocarya stenoptera und danach, beim
Dörfchen Begung, das dem Kampferbaume ganz nahe verwandte Cinna-
rnomum glanduliferum. Der Weg wendet sich von dem Gebirge, «auf dem