
schwer gewesen wäre. Eine hiesige Karawane hätte ich bis Tsedjrong
nicht zu wechseln gebraucht, am Mekong war aber vielleicht ein Verbot
angekommen, und meine von hier zurückkehrenden Leute verrieten meine
Anwesenheit von selbst sehr bald. Deshalb zog ich die Schnelligkeit vor,
und reiste ohne Aufenthalt am 6. Juni weiter, indem ich bald in ein von
Westen kommendes Nebental einbog. Auch hier sind alles gewaltige
Schluchten mit ursprünglichem, nicht von Chinesen verwüstetem Pflanzenwuchs.
Diese hier steigt bald an, Thuja findet sich an den Felsen, auch
Pseudotsuga Wilsoniana nicht selten. Zum ersten Male fand ich blühend eine
Actinidia (callosa), eine Liane aus der tropischen Familie der Dilleni-
. azeen mit nickenden, kleinen Rosen ähnelnden, roten und weiß be-
randeten Blüten. Mein Pony begann mit Mauke einen Hinterfuß zu schonen,
auch eine Errungenschaft chinesischer Pflege, die mich nötigte, viel zu
Fuß zu gehen. Nach einem Irrwege langten wir mit anbrechender Dunkelheit
im kleinen Dorfe Schuba, gegen 3000 m hoch am Steilhange gelegen,
an. Der Diener kam mir schon entgegen mit einem Lissu, den er geholt
hatte und der mir freundlich den weiteren Weg zeigen wollte. Ich mußte
aber hier übernachten, denn weiter gibt es ja keine Häuser mehr. Der
Balken einer Tretmühle wurde bereitwillig zur Seite geschafft und unter
ihrem Dache schlug ich mein Bett auf, denn die Häuser sind ganz eng
und schwarz von Ruß, und ich hatte von der Hitze drunten genug, um
nicht auch hier noch gerade an dem nie erlöschenden Feuer schlafen zu
wollen. Beim Inhaber des ersten Hauses, den ich gleich für den nächsten
Tag als Führer aufnahm, wohnten meine Leute; er sprach wohl einige
Worte Nahsisprache, aber sonst war die Verständigung schwer und nur
viel zu wenig Pferdefutter und anderes konnte gekauft werden. Als ich
schon spät nachts im Bette lag, kamen meine Leute und klagten, einer aus
dem Kreise der sieben bis acht mit großen Schwertern und Armbrüsten bewaffneten
Lissu habe Ho mit einem Holz auf den Arm geschlagen: sie
fürchteten sich daher auch, die Pferde durch das Dorf zum Wasser zu
führen. Offenbar war beides ihre Schuld: im freundlichsten Gespräche
werden sie einen auf die Schulter geklopft oder am Ärmel gezupft haben,
und Berührung ist ein schwerer Mißgriff, einem Häuptling gegenüber-auch
eine tötliche Beleidigung, und warum dachte der Mafu wieder erst zuletzt
an seine Tiere, nachdem er sich selbst gepflegt hatte? Da sie erst unter
dem Dorfe am Bache getrunken hatten, vertröstete ich ihn auf den Morgen,
denn ich hatte auch kein Bedürfnis nach nächtlichen Abenteuern und
muß gestehen, daß ich wegen des seit der Ermordung B rc nh ü b er s und
S chmitz' schlechten Rufes der Lissu in Erwägung der Möglichkeiten und
ihrer Begegnung und auf verschiedene Geräusche achtend in dieser Nacht
nicht zu viel geschlafen habe. Mich grüßten die Leute übrigens immer
freundlich; auffallend, aber vielleicht ihren besseren Sitten zuzuschreiben,
war nur, daß sie gar nicht herankamen, um mich zu betrachten. Die
Kopfbedeckung der Männer bilden hier graue Filzhüte verschiedenster
Form, manche ganz wie unsere Lodenhüte.
Wir kamen erst spät weg, und noch dazu rutschte gleich außerhalb
des Dorfes ohne merkliche Ursache ein Maultier vom Wege ab, die Blechkoffer
sprangen in mächtigen Sätzen gute 60 Meter über den geackerten
Steilhang hinab, das Tier selbst kollerte nur etwas weniger weit, sein
Hoizsattel brach, den einen Koffer, der über den unten noch steileren Hang
dem Blicke entschwand, wähnte ich schon zerschellt im Bache, er wurde
aber doch noch hängend zwischen den Bäumen gefunden. Es gab beinahe
eine Stunde Aufenthalt, und über eine andere steile Stelle mußten die
größeren Lasten von den Leuten getragen werden. So kamen wir anfangs
durch Mischwald, d a n n über moderige Matten und durch Tannenwälder
aufsteigend, erst um zwei Uhr zur Mittagsrast wenig unter dem Scheidekamme,
der in 4050 m Höhe hinzieht. Nach Norden etwas ansteigend,
nach Süden wenig abnehmend, ist er an dieser Seite breit verzweigt
und reich bewaldet. Die beiden Quelläste des Tales von Schuba
kommen, der eine vom Norden, der andere vom Süden, nicht sehr weit
her und vereinigen sich knapp unter dem Dorfe. Kalter Wind bläst oben,
noch säum t am 7. Juni kein Gekräute die Wässerchen ein, sondern die
über armdicken und gegen meterlangen, saftigen, grauen Wurzelstöcke
einer Rosenwurz liegen frei auf dem Boden. Wenige Blüten sind den
Blättern in der Entwicklung vorausgeeilt, die Alpenrosen Rhododendron
Beesianum, aischropeplum, pholidotum und chaetomallum, Primula brevifolia
und im Moos das zarte kriechende Hemiphragma heterophyllum, und am
weiteren Wege, der den Rücken entlang ein ansehnliches Stück nach
Süden führt und an dem nach Gebader „Lenago“ genannten Übergang
selbst einen Kalkstreifen quert, Meconopsis pseudointegrifolia, Fritillaria
cirrhosa, Dipoma iberideum und Gentiana bella. Primula calliantha
färbt in dichten Scharen weite Strecken des Tannenwaldgrundes karminrot.
Steil, streckenweise in Felswänden, fallt seine Kante ins Mekongtal
ab und erst tiefer unten setzen die meisten der Rücken an, welche
die kurzen Seitentäler des Mekong von einander trennen. Ein Blick
flußaufwärts auf die vielspitzigen Gebirge meines weiteren Arbeitsgebietes
war nur kurz zwischen verschiedenen Regengüssen. Auch gegenüber ist
die Mekong—Salwin-Kette eine gewaltige Mauer von durchwegs gegen
5000 m Höhe mit dunklen Kegeln und Zacken, doch anscheinend ein
sanfterek breites Hochland über den Quellen des Tales von Sololo.
Nun ging es weit mehr als 1000 m fast geradlinig hinab in steilsten
Kehren von nur wenigen Schritten Länge auf steinigem und oft wenig