
Er wolle nach Yenyüen in Setschwan schreiben um einen Empfehlungsbrief,
meinte der Präfekt. „Meinethalben auch nach Peking“, erwiderte ich,
„aber bis eine Antwort kommt, bin ich von Muli schon längst wieder
fort“, stand auf und empfahl mich,'er sah mir mit langem Gesichte nach.
Es ging mm zunächst an den Besuch des Gebirges W ah a im Süden
von Yungning, auf den ich im Vorjahre hatte verzichten müssen. Nachdem
ich noch einen gar zu argen Regentag hatte Vorbeigehen'lassen, machte
ich mich am 19. Juli auf den Weg, der zunächst vom Dorfe südwärts
in das schlammig-trübe, angeschwollene Flüßchen gezwungen ist, wo man,
das Pferd vorsichtig tasten lassend, sich unter hereinhängenden Rosendickichten
fest auf seinen Hals drücken muß, um nicht mit zerrissenen
Kleidern, verlorenem Hut und geschundenem Rückgrat herauszukommen.
Überall blüht jetzt hier Primula Viali. Sie kommt bei Lidjiang, wo sie
entdeckt wurde, nur an zwei Stellen auf Wiesenmooren vor, hier aber
bewohnt sie die verschiedensten Standorte, selbst zwischen den Trockenheit
liebenden Stecheichengebüschen trifft man sie in Menge; es ist offenbar
ihr Verbreitungszentrum, während nach anderen Richtungen noch vereinzelte
Vorkommen bis Muli und Yenyüen liegen. Der Weg läßt die steil- aber niedrig-
wandige Schlucht, aus der der Hauptast des Flüßchens von Yungning kommt,
links liegen und steigt allmählich, aber unausgesetzt durch Wälder an.
Die Tragtiere waren auch durch den moderigen, rutschigen Weg und das
Übersteigen der darüberliegenden Stämme schon recht ermüdet, mein Grauer
hatte Schüttelfröste, als v\nr eine Jak-Alm in 4080 m Höhe erreichten und
dort das Zelt aufschlugen. Da sie noch nicht bezogen war, war die Matte,
auf der sie stand, unberührt und lohnte die genauere Untersuchung. Da
fand ich zunächst in den Gräsern alte Bekannte aus unseren Alpen und solchen
ganz nahe stehende, Trisetum Sibiricum, Festuca ovina, Poa pratensis und
Elymus nutans, dann das einer großen Katzenminze ähnliche Dracocephalum
Wilsoni und zu meiner großen Freude mein Taraxacum Tibetanum, unserer
gewöhnlichen Kuhblume ähnlich, aber mit sehwarzen, mit einem großen
-hornförmigen Höcker versehenen Hüllblättehen, auf nackter Erde am Zaun
aber in Dichtsaat die winzige Draba elliptica. Dann kroch ich in den
Alpenrosengebüschen herum und ging den Sporenpflanzen nach. -Ein
orangegelber Becherpilz auf altem Jakmist (Plicaria fimeti var. miniata),
ein winziger, aschgrauer, gestielten Schüsselchen gleicher, der über die
abgefallenen zusammengerollten Rhododendron-Blätter in großer Menge
verstreut ist, das neue Lachnum foliicola, Von Moosen an Tannenrinde.
Zygodon brevisetus waren die besten Ergebnisse. Am nächsten Morgen
stieg ich mit meinen Sammlern, den beiden mit Gewehren versehenen
Gewährsmännern des Lamas und dem Begleitsoldaten des Beamten, der
sein Gewehr in der Hütte zu lassen für besser fand, auf den Kamm. Im
ausklingenden Tannenwalde, mit dein noch Vogelbeeren bis zur Baumgrenze
steigen, blühen Saussurea poophylla, Dracocephalum speciosum, ein
groß-, aber kurzblütiger Salbei, Gentiana puberula und Primula florida.
Darüber finden sich tiefe Löcher im Karstkalk, der erst hoch oben über
dem Sandstein liegt. Zwischen drei kahlen Kuppen, die man von Yungning
aus nebeneinander sieht, erreichte ich den nach Süden ziehenden Hauptrücken.
Ärenaria'' Kansuensis bildet hier breite Polster mit sitzenden grünlichen
Blüten, weil nämlich ihre Blütenblätter kürzer als der Kelch sind,
A . oresbia treibt höhere Stengel mit einzelnen großen weißen Blüten, das
einjährige neue Lasiocaryum trichocarpum täuscht ein kleines Vergißmeinnicht
vor, Androsace euryantha, ebenfalls neu, hat große rote Blüten auf dichten
Rasen und Sibbaldia purpurea kleine noch dunklere; Lagotis Yünnanensis
mit fleischigen Blättern und kleinen weißen Blüten in einer walzenförmigen
Ähre wächst in schlammigen Mulden. Rechts sieht man einen kleinen
See in einem scharf eingeschnittenen, unter Dschadse ausmündenden Tale.
Links vom Kamme mich haltend, stieg ich nach nicht allzulanger Wanderung
zu einem anderen etwas hinab, der wieder an der Barungrenze
liegt. Sein Abfluß ist unterirdisch, speist aber wohl das gleich darunter
beginnende Tal, das zum Yungninger Flüßchen hinabzieht. Befremdend
war die hohe Lage der Baumgrenze, die ich damals 'eines Wettersturzes
halber nicht gleich genauer bestimmen konnte; die Berechnung nach der
Basis in Lidjiang ergab dann aber 4325 m. Ich war dies noch nicht gewohnt,
aber im kontinentaleren Klima höhergelegener Massen, auch im angrenzenden
Setschwan, ist dies die Regel. In dem See in dieser Höhe, dessen
Wassertemperatur 19° betrug, wächst noch ein Batrachium, und eine
schöne bunte Wildente scheuchten wir auf. Sie scheint hier heilig gehalten
oder doch geschont zu werden, denn, als die Leute mir davon erzählt
hatten, indem sie mir Quaken vormachten, und ich, an Frösche denkend,
unter einer entsprechenden Gebärde sagte, die werde .ich mitnehmen, legten
sie dagegen entschieden Verwahrung ein. Fische sollen hier nicht Vorkommen,
was um so mehr zu wundem ist, als B acot angibt, in nur kurze
Zeit eisfreien Seen zwischen Litang und Konkaling in 5000 m Höhe solche,
ganz eigenartig angepaßte Formen, gesehen zu haben. Die wundervoll
duftende Primula Yargongensis blühte im Moor, von dem die großen Zotten
des Drepanocladus turgeseens ins Wasser reichen, und sehr reiche Ausbeute
ergab die Schutthalde darüber, das kleine, sparrig verzweigte, im Schutt
vergrabene- neue Thalictrum glareosum, Saussurea leucoma, Oremanthodium-
Arten und vieles andere. Auch die Matten, kurz, wie gemäht, aber doch
natürlich, durch Auslese, nur aus solchen niedrigen Gräsern und Blütenpflanzen
bestehend, die das Abweiden nicht in ihrem Fortbestand gefährdet,
waren interessant. Da steht die kleine rasenbildende, weichhaarige Pedicularis