
Kalke, die über den Mergeln des Rückens östlich einfallen. Die neue
Kiefer bildet Wälder und an den Felsen hat Abelia microphylla Mengen
ihrer rosafarbenen Glöckchen geöffnet. Kaum merken wir etwas von einer
Ebene, als wir aus dem engen Tälchen treten. Zwischen Bäumen versteckt
sieht man schon die Stadtmauer, eine halbe Stunde noch und durchs
Westtor treten wir in die Provinzhauptstadt G u iy an g -sen ein. Nach
längerem Suchen ist ein oberes Zimmer in einer einigermaßen entsprechenden
Herberge gefunden.
Guiyang (Kweiyang) ist gänzlich eben in 1070 m Höhe gelegen, weiter
ausgedehnt als Yünnanfu, und zählt angeblich 70.000 Einwohner. Die
Straßen machen mit ihren gut gedeckten Gossen einen vorteilhaft reinen
Eindruck, der Handel ist aber doch geringer als dort und irgend welche
ansehnliche Gebäude, die der Stadt Schmuck verleihen könnten, fehlen.
Spät abends und früh am nächsten Morgen bemühte sich die Polizei,
meinen Paß zu sehen, wenn ich keinen habe, müsse sie mich und mein
Gepäck bewachen; nachdem sie Li ersucht hatte, gefälligst bei Tage zu
kommen, und sie ihn schließlich eingesehen hatten, zogen sie befriedigt
wieder ab und später kam ein höherer Beamter, sich — freilich nicht
direkt — entschuldigen, ich sei ja schon vor längerer Zeit bestens hierher
empfohlen worden, aber sie hätten sich gewundert, daß ich in einer von
Chinesen überfüllten Herberge absteige. Aber wohin hätte ich gehen sollen?
Landsleute gab es hier nicht und Chinesen haben mich nicht eingeladen,
und bitten werde ich sie gewiß nicht; auch kann man sich als Gast die
Gaffer noch schwerer fernhalten als in der Herberge. In derselben Herberge
hatte der Schweizer S c h o c h gewohnt, als er 1916 zu Fuß von Yünnanfu
nach Dschenyüen reiste und dabei fleißig Pflanzen sammelte, deren einen
Satz ich erhielt. Die Erinnerung an die großen Bündel chinesischer Strohsandalen,
die er auf dem Rücken zu tragen pflegte, war hier noch frisch.
Solche Schuhe, das Paar, das unter dem Europäer sicher nicht länger als
einen Tag hält, für 15 Kesch ( = 2*/8 Heller Goldwährung), sind auf den
Püasterwegen gewiß die besten; ich habe mich 'mit meinen Lederschuhen
auf den glattgeschliffenen Pflastersteinen in Guiyang öfters niedergesetzt.
Auch die Ponies nehmen die Pflasterwege her. Das meine, nach yünnanesischer
Art an den Hinterfüßen unbeschlagen, hatte in den letzten Tagen öfters heiße
Fesseln bekommen und ich hatte fes deshalb den kleinen, leichten Li reiten
lassen, wollte es ihm aber nicht mehr länger anvertrauen, denn der
verstand vom Reiten so wenig wie irgend ein Südchinese. Ein Offizier,
der auch in der Herbdrge wohnte, war mir behilflich, es zu heilen, und mit
vier Eisen ging es dann wieder gut. Er machte sich auch erbötig, mich
in die umliegenden Tempelwälder zu führen; sonst erzählte er vieles, was
nicht wahr war, zum Beispiel, daß er mit einem Geldtransport nach Liping
gehe und mich dort wieder treffen werde, und soll ein für gar nichts
Ernstes brauchbarer Mensch gewesen sein. Ein anderer Besucher war ein
ganz intelligenter, englisch sprechender Junge, der oft recht ungelegen
anhänglich wurde, wenn ich bei der Arbeit saß. Mein Aufenthalt in der
Stadt zog sich hinaus, denn ich mußte mir Schuhe machen lassen nach
europäischem Muster, für 6 $ mex. das Pa a r; ich weiß nicht mehr, ob sie
bis zum Herbst gehalten haben. Auch einen Regenmantel aus ölbestrichener,
verhältnismäßig haltbarer Rohseide ließ ich mir schneidern, denn mein
Kameelhaarkragen wurde mir für dieses Klima zu schwer; jener erhielt
eine ganz ungeheuerliche Gestalt, stand jederseits um eine Spanne üher
die Schulter hinaus und war erst, nachdem ich ihn zweimal hatte neu
ölen lassen, für kurze Zeit wasserdicht. Gaffer konnte ich mir oben fem-
halten, aber genußreich war der Aufenthalt trotzdem nicht. Auf einer
Galerie wenige Meter gegenüber lag immer splitternackt einer mit einer
venerischen Krankheit und wischte sich den Eiter mit Papierfetzen weg,
die dann im ganzen Hofe herumflogen; als ich ihm etwas sagen ließ,
hängte er, bis er wieder darauf vergaß, einen Bogen Papier vor, aber die
Begriffe des Chinesen von Anstand und Antisepsis waren dadurch nicht
gebessert. Unten im Hofe sah man die Hotelgäste die Bettstellen aus den
Zimmern zerren und über die Ritzen zur Vernichtung der Läuse und
Wanzen kochendes Wasser gießen. Die Nacht hindurch gah es oft Höllenlärm,
Theater und Gesang in einem Raume schräg unter mir, und diesen
Betrieb einzustellen wollte sich der Wirt nicht verstehen, denn er verkaufte
seinen Tee dabei.
Da mir D schano-yi-dschu nur einen Paß für Yünnan und Guidschou
ausgestellt und gesagt hatte, für weitere Provinzen werde ich in Guiyang
das Nötige bekommen, machte ich hier dem Tutschün einen Besuch. Es
gab bei der Regierung hier weder ein Fremdenamt noch einen Dolmetsch,
deshalb mußte ich Lj zu diesem Zwecke mitnehmen. Der Tutschün verstand
wie viele unserer alten Generäle sicher höchstens von militärischen
Dingen etwas, denn als ihm Li erzählte, daß ich des Pflanzensammelns
halber gekommen sei, fragte er mit einem Gesichtsausdruck, der besagte:
Das wollt Ihr mich doch nicht glauben machen! und in Staunen offen
bleibendem Munde: „Was für Pflanzen?“ Da spielte Li wieder den Erstaunten
über die dumme Frage: „Na, die wild wachsenden Blumen!“
Mein Verständnis für meine Sache werde ich auch im Laufe des Gespräches
bei ihm nicht erzielt haben, denn er ließ sich genau berichten, was für
Ausflüge ich mache, bei den Stadttoren fragten die Polizisten immer
meine Begleiter danach. Gegen die weitere Reise auf der von mir gewählten
Linie durch Guidschou machte er keinen Einwand und stellte mir einen
neuen Paß aus, für Hunan und Djianghsi sei er aber nicht zuständig, und