
klein, und so konnte ich noch einen Teil der mondhellen, kalten Nacht
dazu verwenden, die Einsätze zurecht zu schneiden und zu feilen und am
nächsten Tage wieder mit geladenen Kassetten ausrücken, um noch den
Abschied vom wunderschönen Ludsedjiang .reichlicher aufzunehmen.
Erst geht es etwas in der mit Weidendickicht erfüllten Talsohle einwärts,
dann östlich am Hange sehr steil hinan in ein kleines Kar. Etwas
abseits, jenseits des Baches, sieht man im Tale einen winzigen kreisrunden
See zwischen Dschungel und den letzten Bäumen. Der Herbst war ins
Land gezogen, es blüht noch unter Büschen die neue Jurinea picridifotia,
oben Aconitum pulchellum, die gelbe Gentiana otophora und wenige Nachzügler.
Wieder sehr steil steigt der kleine Weg weiter, noch an den letzten
niedergedrückten, windgefegten Büschen schuppenblättrigen Wacholders
(Juniperus Wallichiana) vorbei, zum scharfen Kamm des 4400 m hohen Passes
S i-la , was eigentlich nur „kahler Berg“ bedeutet, in der Wasserscheide.
Die umliegenden Gipfel erreichen nicht 5000 m, die ferneren Gebirge waren
verhängt und die Zeit drängte, daher hielt ich mich, außer zur Vervollständigung
der Triangulation, nicht länger auf und begann, den felsigen
Hang hinabzusteigen, nachdem die hohe Bergkette nördlich des Doker-la
zum Abschied doch noch einige ihrer Schneeflanken hatte durchleuchten
lassen. Oben in den mit den Falten der Kammlinie gleichlaufenden Schnee-
tälchen im Glimmerschiefer blühten noch einzelne blaue Enziane (Gentiana
decorata, phytiocalyx und die neue G. oreodoxa), Saussurea obvallata
mit dickem Stengel und zwischen einer Hülle aus papierartigen Blättern
in großer Menge eingenisteten Blütenkörben und das nierenblättrige Poly-
gonum Forrestii mit scheindoldig gestellten, ansehnlichen, weißen Blüten,
und in den kalten Wässerchen selbst hatte Pegaeophyton Sinense seine
fettglänzenden Blätter und schlaffen Stengel mit den breiten, flachen
Sehötchen hingestreckt. Im Schutte darunter sammelte ich das großblütige,
tief blau und noch dunkler violett wechselnde neue Aconitum euryanthum.
In die Sohle eines hochwandigen Felskessels geht es hinab, dann durch
Alpenrosendickicht einem Bache entlang, dflr durch eine kleine Klamm
von Südwesten so sehr verstärkt wird, daß seine nächste Überschreitung
nicht ohne Fußbad abgeht. Fernblicke sind uns entzogen, das Tal führt
mit geringen Abweichungen nach Osten als Trogtal, nur auf dem linken
Kamme sieht man einige kegel- und trapezförmige Spitzen. Wald und
Dschungel bekleiden alles, aber Bilder wilder Verwüstung durch die Natur-
gewalten des Wassers und S.chnees zeigen sich allenthalben, Lawinengänge
mit abgebrochenen Stämmen, verschütteten Gebüschen, herabgeführten Erdmassen
und Holzwerk, Erdrutsche und Schutthalden, und ein wüstes
Durcheinander von Gerölle und Blöcken, vermischt mit Wurzelstöcken und
zerbrochenen Stammen von Bäumen hat der Bach allgelagert, wo er sich
über eine Tal Weitung ausbreiten konnte. Unheimlich rasch liefen die Träger
voraus der Wärme entgegen und ich, noch rasch sammelnd und knipsend,
hinterdrein. In trüber Nacht hatte ich endlich ein trockenes und halbwegs
warmes Lager im Walde unter der Alm R ü sc h a to n g , und auch die
Stimmung der Leute wurde dort besser. W usoling suchte sich ein paar
tibetische Worte zu merken, die Zahlen, aber die scharfen R bringt er als
Chinese nicht aus der Kehle; oben hatte ich ihn einen Träger nach dem
Namen eines Passes fragen geheißen, „Silarungu“ hatte er ihm gesagt
(rungu ungefähr = Paß) und „lungu“ berichtete er mir, und später verdrehte
mir L aö-li den Namen Ururu, den er erkundete, in „Ululu“, InH
tümer, vor denen man sich nicht genug in acht nehmen kann. Emen Stier
hatten die Senner bei ihrem Abzug am Vortag vergessen und meine Träger
nahmen ihn jetzt mit. Noch ein gutes Stück geht es durchs Tal steiler
bergab. Riesenhafte Größe erreichen hier die Tannen, Äbies Chensiensis im
Gegensatz zu der in der Höhe verbreiteten Forrestii, ich maß den Umfang
eines Stammes mit 61/« m, über die Höhe konnte ich mir nicht recht klar
werden, aber 60 m ist sicher nicht zu hoch gegriffen, und die untersten
Äste hängen sehr oft S-förmig geschwungen 10 m weit dem Stamme
entlang herunter; von offenen Plätzen aus sieht man ihre ungemein
schmalen Wipfel den übrigen Wald überall gut um das Doppelte überragen.
Das Tal .biegt nach links, der Weg aber steigt an der rechten Lehne
um 250 rn an auf den 3300 m hohen Sattel T s c h r a n a la k a in der scharfen
Kante, die e s . begleitet, und jenseits in steilem Zickzack an der dürren,
größtenteils mit Kiefern und auch mit einzelner Pseudotsuga bestandenen
Lehne wieder hinab über die wenigen Häuser von Niapaton nach Tseku,
wo sich früher die Missionsstation befand. Am Flusse eine Stunde weit aufwärts
erreichte ich am 30. September wieder meine Behausung in T s e d jro n g
mit schöner Ausbeute, einem kleinen Schnupfen, zerschundenen Händen,
drei Paaren zerfetzter Schuhe und eiuem ebensolchen Rock, abgebrochenen
Zeltstangenspitzen und verschiedenen aufgeweichten anderen Gebrauchsgegenständen,
knappem Geld und bester Laune, soweit, sie die immer noch
unabsehbaren Kriegsnachrichten zuließen. Zunächst wurde jetzt mit Bindfaden
und Federmesser geschustert, auch hatte ich ein Paar wunderschöner
tibetischer Stiefel, weniger allerdings als Reserve, denn als Andenken gekauft.
ÜBER WEIHSI, SCHIGU UND DALI NACH YÜNNANFU
Der Litiping. — Karawanenzusammenstöße. — Behördliche Maßnahmen. — Fossile
Pflanzenreste. — Opiumsuche.
In Tsedjrong verpackte ich die Sammlungen so gut als vorläufig
möglich, indem ich die Deckel der Blecheinsätze in den Kisten mit