
versicherte mir auch, daß ich auch dort bei seinen Amtsbrüdern wieder
volles Entgegenkommen finden werde. Die Leute, die ich nach Yedsche
gesandt hatte, brachten zwei Tragtierlasten Reis und noch einen sehr
freundlichen Brief des Tussu mit, der mich einlud, auf der Rückreise bei
ihm einzukehren. Es war offenbar kein Befehl gegen mich in die Gegend
gekommen, aber ich mußte trotzdem noch des Nachkommens eines solchen
gewärtig sein und deshalb vom Mekong wegzukommen trachten in eine
Gegend, wo die Chinesen mich nicht so leicht finden oder aber bestochen
werden konnten.
ÜBER DEN SI-LA NACH BAHAN AM SALWIN
Blütenpracht in den Wäldern und im Krummholz. — Frostiges Lager. — Im Schnee
über den Si-la (4400 m). — Kriebelmücken im Saoa-lumbä. — Über den Nisselaka. —
Der warmtemperierte Regenwald. —- Die Ludse.
Nach im ganzen dreitägigen Vorbereitungen wurde ich am 15. Juni
flott mit meinen Leuten und 25 Trägern, von denen vier Paare sich in
Tragtiere und einer in eine Trägerin verwandelt hatten, doch konnten die
Tiere für den steilen Weg keineswegs wie sonst, sondern nur mit den
kleinsten Kistchen beladen werden und der doppelte Preis eines Trägers
dafür (zwei Ruppien täglich) entsprach nicht recht der Leistung. Die
meisten Träger waren chinesisch-tibetische Mischlinge, deren mehrere ich
schon, zur Doker-la-Reise gehabt hatte, andere, darunter die Trägerin, gerade
auf dem Rückweg befindliche Ludse und einer ein-Lissu. Sie tragen
bis zu 50 kg nach Art der teilweise auf dem Kopfe ruhenden „Kraxen“
der Alpenbewohner oder mit Unterstützung eines über die Stirne liegenden
Bandes oder Riemens. Meine Ponies kamen auch mit, denn sie konnten
mir sowohl teilweise beim Aufstiege hier, als auch drüben am Salwin, wenn
ich von Ausflügen in die Tiefe wieder in den Aufenthaltsort zurückkehrte,
von Nutzen sein. Hier verwehren die Leute den Pferden sorgfältigst, von
einem starre Büschel bildenden Gras (wahrscheinlich Calamagrostis arun-
dinacea) am Wege zu fressen, denn es sei giftig. Die heißen, durch die
Mittagsrast in Niapaton unterbrochenen 1B00 Meter steilen Aufstieges bis
zum Sattel Tschranalaka trug mein mittels essigsaurer Tonerde rasch wiederhergestelltes
Pony meine 83 kg, wenn auch triefend und pustend, mit
beneidenswerter Gewandtheit hinan. Im Tale dahinter, kaum in den Urwäldern
entschwunden, hatte uns auch schon der Nebel umfangen, und
Regen setzte von da ab nur mehr zeitweise aus. Was ich im September
1915 nur mehr in Resten gefunden hatte, der üppige Staudenunterwuchs
der hygrophilen Mischwälder, war jetzt auf der Höhe seiner Entwicklung
und setzte durch seine Üppigkeit auch meine Nahsi-Sammler in Staunen.
Blüte an Blüte drängt sich hier über und zwischen saftig grünem Laub,
die einen prächtig durch die Farbe, Größe und Masse, die anderen abenteuerlich
in ihren Formen und düsteren Farben. Zu diesen gehören besonders
die drei dem Aronstab verwandten Arisaema-Arten, die hier rasch übereinander
und teilweise schon gemischt auftreten, A. biauriculatum, hochwüchsig,
mit elegant geschwungenen Umrißlinien seiner Blätter und tiefviolett
gefleckten Stengeln und Blütenstandscheiden, A. Elephas mit innen
tief purpurner Scheide und wohl A. Wilsonii, dann Diphylleia cymosa mit
ihren merkwürdigen Blättern, zu jenen die tief rosafarbene Cardamine
Griffithii, der zierliche Senecio euosmus, die glockeiiblütige weiße Smilacina
Wardii und schließlich die größte und wohl auch schönste aller Lilien, die
besonders kleine Lichtungen bevorzugt, Lilium giganteum. Ihr kräftiger
Schaft, unten von der Dicke des Handgelenkes, erreicht über 21/» m Höhe
und trägt große, hellgrüne, verkehrt herzförmige Blätter und an der Spitze
eine mehr oder weniger reiche Traube von 12 cm langen, wachsig schneeweißen,
innen purpurn gestreiften Blüten, die einen herrlichen, nur zu
schweren Duft weithin verbreiten. Ihre Zwiebeln werden gegessen und auf
den abgeschnittenen, hohlen Stengeln läßt sich musizieren. Ein chinesischer
Kaufmann, der erste, der heuer mit seiner Ware, hauptsächlich Küchengeschirren,
an den Salwin ging, war schon in der untersten, den Regen nur
mangelhaft abhaltenden Almhütte D o sc h ira ts c h o , und auch ich wartete
dort mein Zelt ab, dessen drittes Drittel natürlich erst als die letzte Traglast
ankam. Der alte Lü spürte seine Schenkel und fürchtete, nicht mehr
mittun zu können, ließ sich aber leicht trösten. Immer mehr blühende
Rhododendron-Arten fanden sich im allmählichen Aufsteigen am nächsten
Tage. Schon durch die Missionäre S o u l ie und M o n b e ig sind 23 verschiedene
aus diesem Tale bekannt geworden, die großen baumförmigen
am Bache hatten aber schon abgeblüht. Unheimlich war das Überschreiten
des Baches, denn er War so reißend, das wir eine abschmelzende
Lawine als Brücke benützen mußten, die über einem gewaltigen Tore keine
sehr dicke Schneeschicht mehr aufwies, so daß ich ernstlich fürchtete, die
Pferde könnten durchbrechen; sie war aber doch noch hart genug. Wundervoll,
süßen Duft verbreitend, blühten die Primeln, Primula Yargongensis,
muscarioides und Silaensis. Unter Alpenrosen- und Weidenkrummholz
ahmt die Primulazeen verwandte Diapensiazee Berneuxia Tibetica unsere
Soldanellen nach, aber es sind nicht zerschlitzte Blumenkronenzipfel,
sondern die mit den schmalen Zipfeln abwechselnden, ebenfalls weißen
Staubfäden der zu Köpfchen gehäuften, nickenden Blüten, die denselben
Eindruck hervorrufen. In dünnen Plättchen ziehen die in der Richtung der
Bergkette steil aufgestellten Tonschieferschichten quer über den Weg, der
in steilen Stufen emporführt zum obersten Kessel unter dem Si-la. Ein