
haltbarem Wege, erst unter Juniperus recurva-Bäumen, dann durch die
moderigen Matten einer Rinne in die bambusdurchsetzten Wälder. Wieder
gab e$ Aufenthalt, denn zwischen Felsblöcken durch ist der Weg zu
schmal, und der Führer mußte durch Abhacken der Bambushalme einen
eigenen bahnen, um diese Stellen zu umgehen. Hier gab es aber gute
Ausbeute, Tupistra aurantiaca, eine unscheinbare Schatten-Liliazee mit
breiten, welligen Blättern und kurz gestielten, Kolben zu nennenden Ähren
fleischiger trüboranger Blüten, die großblütige Leptodermis Forrestii, Gaul-
theria Griffithiana mit zweierlei Blüten, grünen, kugelförmigen zwitterigen
und rötlichgrünen, schmäleren nur weiblichen, als Baum Rhododendron
praestans mit unterseits weißen Blättern. Schließlich erreicht der Weg ein
von links kommendes Tälchen, quert es und führt an seinem Hange eben
hinaus zum großen Lissu-Dorfe Aoalo, wo ich schon in der Dunkelheit
sehr freundlich aufgenommen wurde und mir als Schlafplatz die „Veranda“
eines leerstehenden Hauses aussuchte. Auch Pferdefutter und alles
Gewünschte gab es hier reichlich, und eine Frau sprach gut Chinesisch.
Das Einlegen der Ausbeute ließ ich für den nächsten Vormittag, nachdem
ich sie nach verschiedene Verbreitung und Standorte bezeichnenden Tagebuchnummern
zusammengelegt, hatte. Nicht je«ie einzelne Art, sondern
alle von einem Vorkommen unter derselben, später hinfälligen Nummer
summarisch einzutragen, spart sehr viel Zeit und Arbeit auf der Reise,
verlangt aber etwas mehr dann zu Hause, wo man sie ja meist daransetzen
kann. Bis gegen Mittag beschäftigt, hatte ich dann die Bewohnerschaft
als bescheidene Zuschauer von ferne, meist Frauen und Mädchen,
denn die Männer waren zur Arbeit gegangen. Graue, ziemlich kurze
Faltenröcke tragen die Weiher, und als Kopfbedeckung den Nacken noch
ganz bedeckende, mit Reihen von Kauri-Muscheln dicht besetzte und mit
Silberplättchen verzierte Hauben. Alle tragen die Tabakspfeife, eine lange
Bambuswurzel mit kleinem gedrechseltem Kopf, rückwärts in den Hals
gesteckt. Eine überraschende Aufnahme gelang mir dort gut, nicht aber
der Kauf einer solchen Haube, denn, als sie sich ein Mädchen schon von
meinem Diener abnehmen ließ, schickte es eine Alte mit einem tüchtigen
Rippenstoß fort. . ...
Es war ein prächtiger Tag, als ich am 8. Juni zum Mekong selbst
herabstieg. Gelb und braun glänzten die dürren Hänge in der Sonne, aber
gerade vor dem Verlassen der Kante, die, 2525 m, so hoch wie Aoalo
gelegen, von dort gegen den Mekong vorspringt, zeigte sich sonnen-
glitzemd in der Feme neben und über zahllosen Spitzchen, in die die
Mekong— Salwin-Kette mit ihren Seitenkämmen zerspalten ist, hoch aufragend
der Kakerbo am Doker-la gegenüber Atendse, eine gewaltige
gegen den Fluß vorgeschobene Schneenadel, die dem Satseto gewiß gleichkommt.
Zur Sicherheit, um ihn im Lichtbild nötigenfalls richtig retuschieren
zu können, zeichnete ich ihn außerdem ins Notizbuch. Bei Düku ganz
nahe an Yedsche erreichte ich den Karawanenweg des Mekongtales, bog
aber gleich nach aufwärts ab, um nicht in Auseinandersetzungen mit dem
Tussu zu kommen. Durch meinen Führer, der dorthin ging, und den
Mafu, den ich im Vorjahre von hier nach Tsedjrong gehabt hatte und
jetzt bald begegnete, wird er ohnedies nicht allzulange in Unkenntnis
meiner Reise geblieben sein. Ich mußte mir aber jetzt noch Reis als
Vorrat für meine Leute und Tragtiere mit tibetischen Sätteln für die
Strecke von Lota nach Tsedjrong verschaffen. Mit einem Mafu von Lota,
den ich unterwegs begegnete, machte ich ab, daß er mir am 11. dort zur
Verfügung stehe. Reis konnte ich aber in keiner der größeren Ortschaften
finden, sondern mußte schließlich Lü nach Yedsche zurückschicken, um
einzukaufen. Beide sollten dort nur sagen, daß ich nach Atendse gehe,
und sie haben mir auch nichts Dummes angerichtet. Die Eindrücke vom
9. Juni waren nicht gerade die angenehmsten. Gewaltiger Feuerschein am
Abend vorher hatte den Brand des Dorfes Djitin verraten, wo ich im
Vorjahre übernachtet. Als ich vormittags durchkam, war die Hälfte abgebrannt,
-die Pfosten in den teilweise zusammengebrochenen und in die Dorfstraße gestürzten
Lehmmauem brannten noch lichterloh, aber niemand bemühte sich,
zu löschen. Die einen waren in den Feldern, die anderen richteten ihre Dachbretter
wieder zurecht, die sie abgetragen hatten. Den von der Schneeschmelze
hochgeschwollenen Mekong herunter trieb eine Leiche, weiß, ausgespreizt,
langsam in den Wirbeln sich drehend, einer der Toten, den die Tibeter
ins Wasser werfen „den Fischen zur Nahrung“. Aber solche Sachen sind
ja nur Idylle gegen die Orgien des Militarismus „kultivierter“ Länder!
Nach zwei Nächten in Daschan bei Lota, welche mir das erst durch ein
Bombardement mit Dachziegeln eingestellte, gänzlich grundlose Geheule
zweier großer Hunde auf einem flachen Dache gerade vor meinem Fenster
versauerte, reiste ich der Abmachung gemäß weiter und kam anstandslos
und von der Bevölkerung freudig begrüßt, über die Seilbrücke nach
T s e d jro n g . „Da ist ja ein Franzose!“ meldete mir der Diener ganz entsetzt
und deutete dazu einen großen Bart an; er schloß offenbar aus meinem
geheimnisvollen Vorgehen, daß ich auch politische Pläne führe. Père
V a l e n t in war mir ebenso freundlich behilflich wie im Vorjahre, er schob
sogar seine für den nächsten Tag vorbereitete Reise nach Weihsi auf, um
mir die nötigen Träger über den Si-la nach Bahan zu verschaffen. Daß er
ein wenig sehr gesprächig ist und wir nach über zwei Stunden Redens der
Sache noch um nichts näher gekommen waren, verzögerte die Arbeit
etwas, aber ich setzte ihm rückhaltlos die Gründe auseinander, weshalb
ich möglichst rasch von hier fort an den Salwin kommen wollte, und er