
3925 »» hoch gelegene Übergang; er bietet zwar keinen Überblick, aber ich
konnte die Zusammenhänge dann leicht finden. 375 m tiefer liegt eine
kleine Weitung an dem von Piepun genau nach Norden ziehenden und so
den ganzen Gebirgsstock umkreisenden Aste des Dschungdjiang-ho, in der
wir Mittagsrast machten. Beim Untersuchen eines kleinen Moores dort
bemerkte ich zum ersten Male, daß ein winziges, auf bloßem Schlamm
wachsendes Pflänzchen, das ich schon ein- oder zweimal gesehen, aber
für dichtgesäte Keimlinge gehalten hatte, unter seinem Schopfe spatelförmiger,
vorne gezähnelter Blätter schmale Früchtchen trägt, die aus noch
winzigeren grünen Blüten hervorgehen; erst viel später kam ich- darauf,
daß dies Circaeaster agrestis ist, eine der wenigen Blütenpflanzen, über
deren Verwandtschaft und systematische Stellung wir uns heute noch
vollkommen im unklaren sind. Mit ebenso geringem Gefälle kommt der
zweite Quellbach jenes Dschungdjiang-ho-Astes zwischen den flachen
Rücken von den Karen am Fuße der Steilwand des Piepun her. Aus
seinem Tale geht es -— immer in gleicher Richtung — hinauf zum Haupt-
paß S ch u la k a d sa , der auf einer weiten Hochfläche liegt. Ein Rücken
rechts von ihm mußte guten Überblick über das Land bieten, weshalb ich
ihn erstieg. Ich hatte mich nicht getäuscht. Seine Lärchen und Eichen
hindern nicht, lehrreiche Blicke aufzunehmen. Da sieht man über der
Verschneidung des Bapadyi klar den Hsüetschou-schan jenseits Ndaku und
näher links die gewaltige etwa 4700»* hohe Bastion des Küdü, deren
bändergleiche Schichten nur sanft nach Nordost einfallen, rechts die herrlichen
Gipfel des Piepun, an deren andrer Seite ich im Vorjahre meine
letzte, schönste Arbeit geleistet hatte, hellgraue Kalkzinnen über Schutthalden
und dunkelgrünem Tannenwald, die sich von schwarzen Gewitterwolken
scharf abhoben, bald aber selbst von weißen Nebeischwaden umzogen
wurden. Nach Norden nehmen seine Ketten an Höhe ah, die letzten
braunen Sandsteinrücken tauchen nur wenig aus dem Hochland auf, das
sich wellig, um 4100 in hoch, zwischen uns und Dschungdien ausdehnt.
Gleich jenseits des Paßes zählte ich acht mit ihren silberglänzenden
Spiegeln recht zur Beleuchtung passende Seechen, sonst bedeckt es zum
großen Teile brauner Stecheichenbusch. Sein Vorwiegen spricht ebenso
wie die eigenartige Zusammensetzung der Wiesen dafür, daß die Gegend
von Dschungdien einen Ausläufer jenes vor der tibetischen Hochwüste
gelegenen Florengebietes darstellt, das im Norden von Dadjienlou durch
einen bis zu 700»* hohen Stecheichebgürtel gekennzeichnet ist. Aus wissenschaftlichem
Interesse aber fesselte mich besonders der Blick nach Norden ins
unbekannte Land gegen Djiatschrin. Eine unentwirrbare Menge von Spitz;chen
und Buckeln, die wohl größtenteils aus Sandstein bestehen, erhebt sich dort nur
wenig über ein kaum bewaldetes Hochland, das von einigen anscheinend von
Westen nach Osten ziehenden, zum Dou-tschu-System gehörigen Tälern
durchfurcht wird, ganz die Landschaft, wie sie mir später ein Missionär
für die Gegend von Yaragong zwischen Batang und Djiatschrin schilderte.
Mit einer Aufnahme von anderwo zusammen hätte sich wohl einiges davon
konstruieren lassen, eine solche war mir aber nicht mehr vergönnt. Links
versteckt sich die Fortsetzung dieses wohl nirgends 5000?» erreichenden
Berglandes hinter dem unweit nordöstlich von Dschungdien gelegenen
Berge Lopipema, rechts konnte ich, von meinem Kamme herabgekommen,
für einige Augenblicke den mindestens 5500 m hohen Schneeberg Kunka bei
Konkaling aus Wolken treten sehen und peilen; er scheint westlich
außerhalb der hohen Felskette zu liegen, die ich vom Kamme südlich
Muli gesehen hatte. Dsilu ist eine kleine Jakalm auf einer Matte an einem
Bache, der nach der vierten Richtung, nach Nordwesten, zum Dschungdjiang
ho fließt. Abends kamen langsam die vielen Jak-, Schaf- und Ziegenherden,
jede einzelne aus mehreren hundert Tieren bestehend, die den
Lamas von Dschungdien gehören, über die herrlich smaragdgrün beleuchteten
Wiesen, am Lager vorbei. Auch viele Kreuzungen zwischen Jak und
Hausrind, eine vollständige Übergangsreihe darstellend, finden sich darunter.
Daß die Jakkuh ein besonders schönes Tier wäre, kann man nicht
finden, wohl aber das männliche Tier. Auch als Tragtiere kamen solche;
sie sind recht nervös, biegen oft bei der Begegnung erschrocken vom
Wege ab, steile Hänge hinunter oder hinauf, sind aber durchaus gutmütig.
Im ganzen immer geradeaus geht es weiter zwischen dem immergrünen
Eichenbusch und schütter gestellten Nadelbäumen über wenig ausgesprochene
Rücken, dann durch Mischwald und sommergrünen Buschwald
allmählich längs des Hanges zum Dschungdjiang-ho hinab. In Windungen
kommt das Flüßchen mit kiesigem Bett ruhig zwischen den üppigen Wiesen
und Getreidefeldern der breiten Talsohle heran, die oben hinter dem ungefähr
4500 m hohen Lopipema sich dem Blicke entzieht. Sanfte, runde Formen
zeigt dieser Berg, brauner Sandsteinboden' liegt überall frei, denn er ist
für diese Gegend merkwürdig wenig bewaldet, mußte wohl das Holz für
Dschungdien und die zahlreichen Tibeterdörfer liefern, deren sehr ansehnliche,
giebeldachige, rotbraun gestrichene Häuser im Tale zerstreut liegen.
Es ist ein interessanter Winkel, wro ich mittags den Fluß erreichte. Sein
Tal hat sich verengt oder besser, der Fluß hat in dessen breite Furche
am linken Rande eine kleine Schlucht eingeschnitten, hart an seinem Ufer,
in einer Nische einer Kalkfelsbank, entspringt eine heiße Schwefelquelle,
zu der man nur im Fluße watend gelangt. Auf ihre frühere Tätigkeit sind
wohl die Sinterablagerungen zurückzuführen, die über der jetzigen Quelle
einen gestuften, mit Gräsern und Riedgräsern dicht - bedeckten und an
Orchideen reichen Sumpf bilden und flußabwärts neben ihr eine natürliche