
der Basis Bahan vermessen hatte, und dadurch die Lage dieser zweiten
zu jener bestimmen. Flußaufwärts eröffnet sich eines der eindrucksvollsten
Landschaftsbilder, deren ich mich entsinne, kein weiter, abwechslungsreicher
Ausblick, sondern ein beinahe zu enge begrenztes Bild düsterer
Großartigkeit, nicht durch den geringsten menschlichen Eingriff gestörter
Natur, denn völlig pfadlos ist die Flußschlucht und nur bei ausnehmend
niedrigem Wasserstande gelingt es, sie im Sande des Flusses selbst zu begehen,
während der Weg nach dem Tsarong von Tjionatong hoch übers Gebirge
führt. Heute aber zwängt der Salwin seine braunen Fluten tosend, schäumend
und wirbelnd zwischen gleichfarbigen senkrechten Felswänden heran,
und, sie unmittelbar fortsetzend, steigen in 60gradiger Böschung die
Tal wände rechts üb er 2000 m und links in noch größere unersichtliche
Höhe an, von nur durch Felsen unterbrochenem dunklem Walde bedeckt.
Im Hintergrunde aber schließt die bis zu jenem Punkte im Nordwesten,
wo der Fluß wieder aus Norden kommt, das ist 8 hm weit, einsichtige Talstrecke
der gewaltige Felsberg ab, dessen zackige Krone, 4500 m hoch, also
über 2700 m geradeaus über dem Flusse, die Grenze von Tibet bezeichnet.
An seinem Fuße mündet in einem durch die ineinander verschobenen
Felskanten dem Blicke entzogenen Winkel hinter dem Gomba-la jenes
Seitental, dessen Ursprung ich auf der Rückreise vom Irrawadi berührt
hatte.
Die Kiste, die ich von Bahan hieher bestellt hatte, kam mit zweitägiger
Verspätung an, denn der Träger hatte sich gefürchtet, die Seilbrücke zu
benutzen und war diesseits des Salwin auf Umwegen hiehergekommen.
Mit Lü, durch den ich ihn hatte begleiten lassen, als Sammler an Stelle
der zum Gomba-la geschickten anderen,. brach ich nun am 14. August
von Tjionatong auf. Auf Anraten G enestiers hatte ich zum neuen Beamten
nach Tschamutong geschickt, er möge die Seilbrücke erneuern
lassen, denn das Benutzen der alten sei zu gewagt, hier am Ludsedjiang
halten sie nie lange und von vier Reisenden waren hier einmal zwei
ertrunken. Er ließ sagen, am 13. könne man hinüber. Heute fanden wir
nun die halbwegs zwischen Tjionatong und Wuli gelegene Brücke aus
Seilen bestehend, die weder neu noch allzu alt aussahen, und begannen
mit Vorsicht überzusetzen, aber es knarrte doch recht bedenklich. Als
beinahe alles drüben war, kamen die Ludse in schwerer Menge mit den
neuen, anscheinend zu wenig gedrehten und schlecht geknüpften Seilen,
gute Gelegenheit zu Gruppenaufnahmen bietend, sonst aber für mich
zwecklos. Sie gingen gleich an die Arbeit. Die meisten setzen über, dann
wird das Endstück des neuen Seiles auf eine gute Strecke um das alte
gewunden und an vielen Stellen festgebunden, sodann das alte abgehackt
und nun bedarf es der ganzen Kraft eines Trupps Leute, um die schwere
Last aus dem Wasser, das sich ihrer bemächtigt, herauszuziehen und
drüben um den Pfahl zu winden und festzubinden. Keine geringere Arbeit
ist das Anziehen eines schlaff gewordenen Seiles, das sechs Leute beansprucht.
Schwül und feucht ist die Luft am Flusse und der Pflanzen wuchs
dementsprechend. Macchienwald wie am Mekong findet man nur an
wenigen Stellen, um so mehr aber subtropischen Regenwald, mit Mengen
von Orchideen (Cymlidium giganteum) auf den Stämmen, deren Blütenflor
123. Blick von Sitjitong Satvvin-abwärts.
man sich leider jetzt nur vorstellen kann, und der auch den Felsen entlang
kriechenden violettblütigen neuen Gesnerazee Lysionotus sessilifolius.
Ich übernachtete in Sitjitong, um in voller Muße zu arbeiten, hatte aber
deshalb keine wesentlichen neuen Erfolge.
In T s c h am u to n g machte ich dem Beamten meinen Besuch und übernachtete
in seinem Amtszimmer. Einst war Tschamutong ein großes,
wichtiges Lamakloster, die Mönche aber haben sich zerstreut und sind
Bauern geworden, neuer Nachwuchs fehlt, und heute zerfallen die Tempelmauern
und die Götterstatuen unter den zusammenbrechenden Dächern.
Dann errichteten die Chinesen einen Militärposten dort; als sich vor einigen
Jahren das Gerücht vom Anrücken der Tsarong-Tibeter verbreitete, suchten
die Soldaten aber eiligst das Weite, und heute hat Tschamutong jede
Bedeutung verloren; der Beamte, von ganz untergeordnetem Rang, hat nur
zwei Soldaten bei sich. Im Herbst aber hörte man davon reden, daß dort