
50 Patronen, bis er einen einzelnen schließlich zu Tode traf, dessen Seitengewehr
er dann als Trophäe abnahm; in Lingwandu gab ein Polizeitrupp
blindlings eine Salve in die Straße ab und tötete gerade vor den
Häusern der Deutschen einige Bürgersleute; Soldaten waren gar keine
dagewesen. Es gelang aber durch solche Mittel nicht, zu verhindern, daß
die ganze Polizei abgesetzt und durch Militär ersetzt wurde. Die Südtruppen
drangen bis Butji am Yangdse-djiang vor und hielten sich dort
lange. Auch die Yünnan-Truppen, verstärkt durch in Sold genommene
Räuberbanden, erkämpften sich den Weg bis ins mittlere Hubei („Hupeh“).
Die Erbitterung der Südlichen gegen die nördlichen Eindringlinge, die
ihrerseits angaben, zur Befreiung Hunans gekommen zu sein, war sowohl
bei den Soldaten als bei der Bevölkerung groß. Daß die Herzen und
andere Eingeweide erlegter Feinde geröstet und gefressen wurden, ist
verbürgt, uns aber hatten sie „wegen unseres völkerrechtswidrigen Benehmens“
den Krieg erklärt.
Anfangs März kam der Rückschlag. Die Löhnung war ausgeblieben
und da soll es genügt haben, daß die Nördlichen mit blanken Dollars
winkten, um die Hälfte der Südtruppen bei Butji zum Übergehen zu bewegen.
Trotzdem wollten sich jene nicht weiterwagen, bis der Führer
einer Gruppe, Oberst T s c h a n g t s c h in y a o , ihnen in der nächsten Stadt,
Pingdjiang, freie Hand zu lassen versprach. Die Stadt wurde denn auch
einschließlich der amerikanischen Missionshäuser vollständig geplündert,
der spanische katholische Priester auch durch einen Schuß verwundet.
Die Südtruppen strömten durch Tschangscha zurück, und die letzten,
Tschangscha-Leute, denen sich noch viel Stadtgesindel anschloß, plünderten
einen Nachmittag und die Nacht hindurch in den großen Geschäftsstraßen
der Stadt. Die Münze wurde ebenfalls gründlich geleert, wobei die eigenen
Beamten tüchtig mitgetan haben sollen, und dreimal angezündet, auch ans
Yamen Feuer gelegt. Die Bevölkerung verließ die Stadt in langen Zügen,
die bestgekleideten Leute trugen ihre Habseli'gkeiten auf den Schultern,
andere führten sie auf Schiebkarren, einem hier sehr üblichen Beförderungsmittel,
weg, die Felder wurden lange nicht bestellt. Im Geschäftsviertel sah
es wüst aus. Die Läden waren geschlossen, Glasscherben und zerschlagene
Holzläden, Papierfetzen und andere Trümmer lagen herum, besonders auf
Gold und Silber, Seide, Stoffe und Schuhe hatte man es abgesehen. Da
und dort hing oder steckte ein abgehackter Kopf eines Nachzüglers, den
man beim Plündern erwischt hatte. Freiwillige Bürgerwachen durchschritten
in größeren Abteilungen die Stadt. Wenige Tage später zogen
die Nordtruppen ein. Obwohl hier keine ernstlichen Ausschreitungen mehr
vorkamen, hatte die Bevölkerung viel unter ihnen zu leiden. Schlimm
aber erging es den Städten Tschüdschou und Liling; sie wurden völlig
niedergebrannt und die Bevölkerung niedergemacht, sofern sie nicht geflohen
war.
T schangtschinyao wurde Tutschün von Hunan, und er verstand es
meisterhaft, das Land auszusaugen. Langsam, aber sicher verschwand fast
alles Silbergeld in eine ausländische Bank für seine Tasche; als das Silber
weg war, begann er mit dem Kupfer. Das Papiergeld fiel von 1400 Kesch
für den Dollar bis auf 16.000 Kesch. Wie. dies im einzelnen gemacht
wurde, gehört nicht in den Rahmen eines Reisewerkes, vielleicht eigentlich
auch manches von den bisherigen Schilderungen nicht, aber es gehört zu
der Umgebung, in der ich dort lebte. Auf die strategischen Kunststücke
der chinesischen Truppen gehe ich nicht ein, weil mir solches gründlich
zuwider ist. Es waren meistens Umgehungen, um Kämpfe möglichst zu
vermeiden. Die großen Schlachten ergaben denn auch — mit wenigen
Ausnahmen — gewöhnlich einen verwundeten Soldaten, einige tote
Bürgersleute und mehrere geplünderte Dörfer. Die nördlichen Behörden
kümmerten sich nur um solche Erfolge, und in Tschangscha, das wohl mit
Recht als die reinste Stadt Chinas gegolten hatte, überdeckten nun die
Kehrichthaufen bald' die Straßen der ganzen Breite nach. Die hohen,
prächtig ausgestatteten und im Glanze der elektrischen Beleuchtung sogar
prunkvoll erscheinenden Geschäftshäuser wurden nicht so bald wieder
gefüllt und geöffnet. Alles wimmelte von Soldaten, die wohl modern,
sogar mit Schutzschilden, ausgerüstet, aber doch äußerst schmutzig,
schlampig und lümmelhaft waren, so herrschte rechte Kriegsstimmung.
In meiner botanischen Sammeltätigkeit hinderte mich diese keineswegs.
Tschangscha erwies sich als ein günstiger Platz, zwar nicht wegen besonderen
Reichtums der Flora, einer im östlichen China weit verbreiteten
mit vielen südlichen Einschlägen, sondern weil sie von jener der bisher
von mir bereisten Teile Chinas gänzlich ab weicht und daher für meine
Sammlungen beinahe nur Neues bot, und weil in Hunan bisher überhaupt
noch nicht gesammelt worden war. Der reichste Platz ist der Y o lu -sch an ,
ein 300 m hoher Berg gegenüber der Stadt. Er trägt den einzigen natürlichen
Waldbestand der Gegend, einen für hiesige Verhältnisse ziemlich
umfangreichen Tempelwald, der wohl seit undenklichen Zeiten im ganzen
geschont wurde. Schon im Winter, selbst unter einer freilich kurzlebigen
Decke von Rauhreif und Schnee, blühen dort drei Symplocos-Arten, Hartlaubbäume,
wie solche (Quercus glauca, Castcmopsis Tibetana und sclero-
phylla) den größten Teil des Waldes bilden. Mit dicht angepreßten Moosen
(Homalia Targioniania, Hypnum Yokohamae) und zahllosen Flechten sind
alle Stämme überzogen; sie gaben auch im Winter reichlich zu schaffen,
nicht umsonst, denn unter den Moosen des Berges zum Beispiel fanden
sich sieben neue Arten. Kräuter blühen schon im März und April,