
riospermum tenellum; in Wassergräben aber wächst Kalmus, Dotterblumen,
weißer Hahnenfuß, Pfeilkraut, Froschlöffel und Hippuris. Am nördlichen
Seeufer fallen sandige Tonschiefer, mit hellbraunen Mergelbändern und viel
Schalenstein wechsellagernd, sanft nach Norden ein, aber von Kalkriffen unterbrochen
und im durch die Form eindrucksvollen Schidsi-schan von mächtigen
Kalkbänken überlagert. Auf ihn zu, an Hsifan-Dörfern vorbei, geht zunächst der
Weg, dem wir am nächsten Tage folgten, dann biegt er etwas links ab über
einen kleinen Sattel in ein Tälchen mit trockenem Bachbett, das allmählich
abwärts in das Becken von Y u n g n in g führt. Durch den See geht die Grenze
von Setschwan und Yünnan, hier sind wir schon in dieser Provinz. Zungen -
förmig reichen niedrige Rücken ins Becken hinein und an ihrem Fuße
entspringen starke Quellen; auch hier dehnen sich blumenreiche Sumpfwiesen,
in denen besonders ein glatter neuer Ampfer, Bumex Yungningensis,
auffallt. Der Landesherr, ein Freund des Tussu von Kwapi, hat uns zwei
Berittene entgegengeschickt und bald erreichen wir sein Dorf, eine lange
Zeile von großen hölzernen Blockhäusern am Bergfuße hin, in der Mitte
geteilt durch den von Süden herausbrechenden Fluß, den eine große
chinesische Brücke übersetzt. Die Wege sind grundlos, und noch eine
kleine halbe Stunde geht es so weiter bis zum großen Lama-Kloster, das
erst am jenseitigen Rande der Ebene liegt.
Der Abt, ein Hüne an Gestalt, mit mächtigem glattrasiertem Schädel,
ein Moso von Abstammung, aber ganz tibetanisiert, in die rote Mönchskutte
gekleidet, empfing uns hier. Sein Amt ist erblich; zwei der Söhne
werden jeweils wieder Lamas. Das Kloster ist im Viereck gebaut, der Tempel
liegt in der Mitte im Hintergründe eines Hofes mit zwei hübsch verzierten
steinernen Brunnen und überragt als massiges Bauwerk mit goldener Spitze
alle anderen. Sein großes Tor ist unter Vorhängen versteckt, und nur wenige
kleine Fenster hoch oben und die Ritzen zwischen dem Reisig, das die
Ausfüllung unter dem Dach bildet, lassen mattes Licht ins Innere dringen.
Die große Buddha-Statue in der Mitte war neu und auch sonst war nichts
besonders Wertvolles zu sehen. Die Lamas bewohnen Zellen in den äußeren
Gebäuden des Klosters, die in Stockhöhe von hölzernen Galerien umzogen
sind. Sie sollen 200 sein, jetzt waren aber nur 20 anwesend, die anderen
auf Sommerfrische oder Geldeinsammeln oder sonstwo. Wir wohnten im
Hauptgebäude neben den Räumen des Abtes. Die Altane vor unseren
Zimmern schmückte ein großes Wandgemälde von Lhassa, wo er zehn
Jahre lang studiert hatte. Die Lamase liegt am Fuße eines 550 m. hoch steil
aufragenden, ziemlich frei stehenden Berges aus Sandstein mit. Kalkklötzen,
Ho örl, den ich am nächsten Tage bestieg. Das klare Wetter gestattete die
Aufnahme der ganzen Umgebung. Alles ist grün, die Wiesen, Hafer- und
Gerstenfelder unten im 2725 m hoch gelegenen Becken, durch die sich
in weiten Mäandern der Silberfaden des Flüßchens schlängelt, die Heidewiesen,
eine offene grasarme, aber an Scheingräsem und niedrigen Kräutern
reiche Formation, die den Hoörl und jenseits der Ebene überall die
zungenförmig hereinragenden niedrigen gerundeten Rücken bedeckt, und*
darüber die Wälder, unter denen sich zuoberst die schwärzliche Tannenstufe
scharf abhebt. Nur hie und da tritt eine hellgraue Kalkwand hervor,
wie im Osten der Südabsturz des Schidsi-schan und im Süden drei
Kuppengipfel des Berges Waha, die den Wald überragen, im Nordosten
aber trennt das ganze gesenkte Waldland eine dunkle Kette scharfer
Zacken vom Tale des Litang-Flusses, in dem dort Muli liegt, und im
Norden glänzt in frischem Schnee ein steiler Gipfel jenseits der Wälder
herüber, Gonschiga, auf den ich im nächsten Jahre meinen Fuß setzen
sollte. Aus Holz gebaüt, heben sich an den Rändern der Ebene und ihrer
Auszweigungen Dörfer von Moso und Hsifan nur wenig ah. Mittags, nach
meiner Rückkehr, hatte ich plötzlich Anfälle von Dysenterie mit Fieber
und Schwindel, die mich verhinderten, die Besteigung des Waha zu unternehmen,
aber daun rasch und folgenlos vorbeigingen. Die „Moso“ 1 der
hiesigen Gegend bilden einen eigenen Stamm und nennen sich Lüdi. Ihre
Sprache steht jener von Kwapi näher als der von Lidjiang, die nur sehr
mangelhaft verstanden wird. Sie haben auch einen weltlichen Herrn am
anderen Ende des Dorfes, und noch weiter wohnt ein chinesischer Beamter
mit einigen Soldaten, dem es aber nicht sehr gemütlich hier sein soll,
trotzdem. er äußerlich mit dem Lama in guter Freundschaft lebt. Beide
besuchten wir, ich maß in der Ebene noch eine Basis für die Karte,
S chneider tauschte vom Lama völkerkundliche Gegenstände für ein Gewehr,
eine Uhr und anderes ein, ich erhielt einen kleinen plattnasigen
Hund für ein versprochenes Autochrombild, und am 23. zogen wir
wieder weiter, um auf größtenteils unbekannten Wegen über Yungbei
Lidjiang zu erreichen.
Der Weg folgt nach Süden nicht dem Flusse, sondern umgeht sein
als kleine Schlucht im Bogen herankommendes Tal auf einer niedrigen
Höhe im Osten. Mit Riesenschritten geht der Pflanzenwuchs dem Höhepunkte
seiner Entwicklung entgegen oder,, richtiger gesagt, der Höhepunkt
der höchstgewachsenen .Vegetationsschicht löst den der kürzeren ab in
fortwährender Steigerung der Pracht. Den ganzen Kiefernwald durchleuchten
die Bäumchen des Rhododendron decorum, voll von Dolden großer, weißer,
elegant geformter Blüten. Die niedrigen Anemonen verwelken, während
sie höhere, gut spannenhohe Stauden zu beschatten beginnen, ein hoher,
1 Mit diesem Namen bezeichnen die Chinesen die Leute. Er soll einen verächtlichen
Beigeschmack haben und von ihnen nicht gerne gehört wei’den.