
werden. Morgens war in Ganhaidse alles in Nebel und Regen, so mußte
ich unverrichteter Dinge wieder abziehen, aber nicht ohne doch den ersten
Teil des großen Dschungdien-Weges kennengelernt und die jetzt schön in
Blüte befindliche Eoscoea- und im-Flora der Kiefernwaldheide sowie die
reichliche Sträucherblüte, vor allem die große Indigofera pendula mit
ihren langen, lockeren Trauben von ansehnlichen zart rosa Blüten, die in
den Hohlweg hineinhängen, genossen zu haben, während in der schönen
Primula Viali-Wiese am See noch kaum etwas blühte.
Am 4. Juni ging ich wieder nach Ngulukö und bezog S chneider’s
frühere Wohnung, einen niedrigen und wenig luftigen Dachraum, dem
zwei als Oberlichter eingesetzte abgezogene Trockenplatten seines früheren
Bewohners noch etwas Licht verschafften. Ich ' wurde mit größter Freude
und Freundlichkeit empfangen, als aber Li ankam, gab es überall Schreck
und düstere Blicke. Ich war entschlossen, seine Tätigkeit besser im Auge
zu haben, und:; so konnte er auch nichts unternehmen, was das gute
Verhältnis zu den Ortsbewohnern gestört hätte. Ein gutes Gewissen hatte
er vom vorigen Jahre her sicher nicht, sonst hätte er nicht das große
Hoftor immer geschlossen gehalten und das kleine nur auf Verlangen
geöffnet. Sicher sind die Nahsi von Ngulukö nicht mehr dieselben, wie bei
F o r r e s t s erstem Einzug in das Dorf vor elf Jahren. Sie sind Geschäftsleute,
Roßtäuscher — neben Ackerbau ist Pferde- und Maultierzucht, freilich
ohne jede Auswahl betrieben, ihr Haupterwerb — und sind dies
auch den Botanikern gegenüber immer mehr geworden; aber soweit, daß
sie die Absicht ausgesprochen haben sollen, S chneider eines Abends zu
überfallen tind zu prügeln, was ihnen K ok durch Hinweis auf die ganz
anderen> Prügel, die sie dann im Yamen bekommen würden, leicht aus-
redete, hat sie erst Lrs Tätigkeit gebracht, der ihnen, was sie nicht verkaufen
wollten, einfach wegriß, ohne zu zahlen, sich mit einer im
Dorfe ansässigen Chinesin wider ihren Willen befaßte, Opium rauchte 'und
vieles andere mehr, was die Leute’ mehr oder weniger seinem Herrn in
die Schuhe schieben zu müssen glaubten.
Die Ausflüge, die ich auf die Hänge des Gebirges machte, endeten
auch diesmal meistens in strömendem Regen. Die Voralpenmatten in
3500 m Höhe, die später der saftige, hochwüchsige Strobilanthes versicolor
deckt, wären jetzt noch mit der niedrigen scharlachroten Incarvülea
grandiflora, blauer Meconopsis Delavayi, beides prächtigen großblütigen
Pflänzchen, der merkwürdigen Eoscoea cautleioides und unscheinbareren
Pflanzen, wie Kreuzblütlern, zwischen dem kleinen Halbgras Cobresia
eurvirostris bestanden, Flieder und andere Sträuchen blühten in der Umgebung,
in den Wäldern mehrere Frauenschuharten, so in tiefem Moosgrund
das niedliche Cypripedilum ebracteatum, das zwischen zwei dem Boden
aufliegenden großen, fast kreisrunden, braungefleckten Blättern eine purpur-
braun gesprenkelte und gestreifte, saftig-wachsartige Blüte treibt und jetzt;
15 Monate-nach Ablauf der Garantiefrist der Platten, noch ein tadelloses
Autochrombild ergab. Die Mulde, in der es steht, kommt von einer Felswand,
die ein tiefer Spalt durchschneidet, ein vom Wasser rundgewaschener
Kolk, der von ferne schon zwischen Gesträuch als schwarzer Schlund
sichtbar ist. Einmal gelang bei Vermessung einer Basis in der rollsteinerfüllten
Ebene des ehemaligen Seebodens unter dem Dorfe die Triangulationsaufnahme
der Kette, die endlich auch eine recht genaue Konstruktion
der Gipfelhöhe ermöglichte; 5450 m habe ich für den vorderen (südlichen)
Hauptgipfel S a ts e to danach ermittelt. Über dem Dorfe, weit über der
geschilderten Kluft, zieht eine hohe Felswand schräg am Steilhange hinan,
die nach meiner Erinnerung an F o r r e s t s Angaben auch ein reicher
Standort sein sollte. Ein Holzhackersteig aus einzelnen Tritten führt von
Süden sehr steil aufwärts an ihrem oberen Rande hin, von wo die
Lidjianger Ebene tief zu Füßen übersichtlich wie eine Landkarte liegt.
Gerade herab von ihrem höchsten Punkte geht es über' die hier bebuschte
Wand; Daphne aurantiaca, ein buschig verzweigtes Sträuchlein mit zahlreichen
dottergelben Blüten, schmiegt sich dort an den Felsen mit oft
bandartig plattgedrücktem Stamme, und Eoscoea Chamaeleon, die prächtigste
der Gattung, von scharlachroter Farbe, steht in Menge zwischen
den Büschen. Mittags war ich wieder herunten, abends kam, seinem
Versprechen gemäß, der Bezirksbeamte mit K ok hinaus, um, meine Tätigkeit
benützend, sich seinen Yülung-schan von der Nähe zu besehen.
Er brachte schönes Wetter mit, der Morgen des 11. Juni war klar,
und so ritten wir mit großer Begleitung den Hang durch Kiefernwald
hinauf auf „die große Wiese“, wie wir sie zu nennen pflegten, (Ndwolo),
dann durch einen Streifen Tannenwaldes und über einen begrasten und
teilweise bambusbewachsenen Steilhang zwischen Felswänden neben
einem Wasserlaufe hinan bis Ober einen mächtigen, kopfförmigen Fels-
( block, der fernhin ein Markzeichen ist. Neben ihm entspringt das Bächlein,
und dort sind die Steine mit Moospolstern überzogen, die ich schon im
vorigen Jahre ausgiebig gesammelt hatte. Besonders das krausblättrige
Ptychomitrium Tortula mit gebüschelten, kurzgestielten Sporenkapseln konnte
ich nochmals reichlich mitnehmen, um durch Ausgabe in Exsikkaten-
werken die schönen Vertreter der dortigen Moosflora unter die Leute zu
bringen und — zum erstenmal, kann ich sagen — in größerem Maßstab
den Fachmännern Kenntnis von der reichen Kryptogamenflora Südwest-
Ghinas zu bringen, die an pflanzengeographischer Bedeutung jener der
Blütenpflanzen,' an deren Erforschung schon mehrere arbeiteten, nicht
nachsteht. Dort, in 3700 m Höhe, zwischen den von üppigen Kräutern,