
doch ist jenes an den Dämmen der Kanäle in der Ebene von Yünnanfu
etwas damit vergleichbar. Ein Heiner Rasenfleck ladet zum Zelten ein.
Ein starker, Harer, blauer Bach zerschneidet ihn, aus einer wilden Felsschlucht
kommend, himmelhoch ragen die Wände roten Tonschiefers beiderseits
empor, von ungestörtem Buschwald bestanden. *
DER DOKER-LA
Das Seitental von Londjre. - Der Pilgerweg. - Der Gebirgs-Regenwald. - Störrische
Iräger. Auf den Paß (4600 m). — Spätsommerblüten.
Dieser Winkel läßt die Wildheit der Natur weiter drinnen ahnen, die
dem Doker-la zu seiner Heiligkeit verholten hat. Es ist die Mündung des
Tales von Londjre, durch das rechts der Pilgerweg nach Tibet führt und links
der große von den Chinesen angelegte Weg zum Ludse-djiang. Gegenüber
hoch oben ist der Steig aus dem Fels gehauen. Eine sehr vermorschte,
arg wackelnde Holzbrücke führt über den Bach, eine jener tibetischen
Brücken, wie sie von Miili geschildert wurden. Wieder absteigend ist er
kunstvoll auf einer geneigten Felsplatte gebaut. Im etwas erweiterten Tale überschreitet
er im üppig entwickelten Hartlaubwald (Pistacia weinmannifolia, die
neuen Quercus parvifolia und Viburnum Schneiderianum, die oben genannten
Nadelhölzer und als Unterwuchs Buchsbaum) mehrmals den Bach und tritt
nach etwa zwei Stunden in das Heine, heiße Becken von L o n d jre , wo
das Tal sich teilt. Die flachdachigen Häuser des Dorfes, vom oben geschilderten
Aussehen, etwa 20 an der Zahl, liegen zerstreut unter alten Nußbäumen.
Die Bewohner sind reinrassige Tibeter. Ungemischter Lebensbaumwald
deckt die dürren Hänge der Umgebung bis in eine Höhe von
3000 m. Im Bachschotter sieht man dicke alte Bäume derselben Art mit
kugelförmigen Kronen.
Der eigentliche Pilgerweg kommt von Yangdsa unter Atendse, steigt
Dange des Mekong-Tales an und biegt hoch oben über eine Ecke
des Berghanges in unser Tal ein. Von Londjre führt ein steiler Zickzackweg
schon über Granitboden zu ihm hinauf. Ein schmaler, schwankender
Steg, nur für Fußgänger, führt über den Bach, die Pferde hinüberzubringen
machte einige Schwierigkeiten; wir banden sie an ein langes Seil, um sie
halten zu können, wenn sie rutschen, und leiteten sie so durch das recht
starke Wasser. Der Pilgerweg, zwar sehr schmal, aber gut erhallen, führt
am Steilhang taleinwärts. „Nur für Schwindelfreie!“ müßte bei uns hier
stehen, aber hier ist alles schwindelfrei. Selbst den furchtsamsten Chinesen
wie Li scheint das Gefühl des Schwindels fremd zu sein. Ich selbst vertrage
glücklicherweise viel, wenngleich ich mich als unbedingt schwindelfrei
nicht bezeichnen kann. Jedenfalls wird man leichter erfaßt zu Pferde,
wenn man mit einem Bein über dem Abgrund hängt und dort keinen
Boden unter sich sehen kann, denn die Pferde, besonders solche, die als
Lasttiere verwendet werden, haben die Gewohnheit, am äußersten Rande
zu gehen, auch wenn der Weg breit ist. Leicht wird dann der oft nur aus
Grasbüscheln bestehende Rand durchgetreten, und einmal wäre ich auf
diese Weise beinahe samt dem Pferde in den Fluß von Weihsi gefallen.
Ich habe in China wohl Reitpferde von glänzender Sicherheit gehabt,
aber die Tragpferde haben mir darin viel weniger gefallen; die Maultiere
sind viel sicherer. Für die Pilgerfahrt über den Doker-la, einen Rundgang
um die Schneekette des Kakerbo, sind gewisse Jahre bevorzugt. Das Jahr
1915 war ein solches, und ich begegnete in den fünf Tagen, die ich am
Pilgerweg zubrachte, drei oder vier Gruppen von Pilgern, die meisten
zu Fuß, eine aus Lamas und Laien mit einem Maultier, zwei Kühen und
einem Schafe reisend. Sie lagern unter Bäumen, unter überhängenden
Felsen und Felsblöcken und auf den wenigen ebenen Fleckchen der Hänge.
Wir fanden an einem reißenden Bächlein ein solches, gerade fürs Zelt
groß genug. Das Tal wird immer enger, der Weg steigt 200 m ab und biegt
darauf in einen Seitenast, dessen Bach er bald erreicht. Der südliche große
Ast ist gänzlich weglos, auch nicht der bescheidenste Jagdsteig führt durch
seine tiefdunklen Wälder zu den düsteren Granitbergen, die man hoch
oben über Schneeflecken in die Wolken tauchen sieht.. Ein Nadelbaum am
Wege fesselte meine Aufmerksamkeit. Sein keineswegs dicker Stamm und
die regelmäßig quirligen dünnen Äste sind von glatter, fast schwarzer Rinde
bedeckt, die in zwei Zeilen abstehenden Nadeln bilden nur ein sehr
schütteres dunkles Dach, in welchem die aufrechten, jenen der Lärche nicht
unähnlichen, aber viel größeren und dickeren Zapfen überall zu sehen sind.
Er erwies sich als Pseudotsuga Wilsoniana, ein asiatischer Vertreter einer
amerikanischen Gattung. Streckenweise bildet er reine Wälder, und überall
ragen seine runden Kronen zwischen den Tannen, Fichten, Ahornen, Kirschen,
Birken, Eichen (Quercus oxyodon) und anderen Bäumen deutlich hervor.
Die Berge stecken weit herab in Wolken, es regnet fortwährend; was nicht
von oben der Regen begießt, wird durchnäßt von den Slräuchern und
Kräutern, die in den Weg ragen. Wo ein Wildbach,__ ein Bergsturz oder
Windbruch eine Bresche in den Urwald gerissen hat, da sprossen zunächst
Massen beinahe doppelt mannshoher, schon' im zweiten Jahre blühender
Kräuter, Bärenklau, würzige Artemisien, Springkräuter, Cimicifuga foetida,
besonders aber ein Knöterich, dessen umfangreiche Rispen verhältnismäßig
großer weißer Blüten weite Flächen bedecken (Polygonum polystachyum)-,
im Grunde der Bestände findet man halb in der Erde seine jungen Sprosse
mit dickfleischigen, faltigen, rosenroten Blättern. Etwas höher gibt es lichte
Kirschbaum- und Ahornwälder mit Unterwuchs aus halbstrauchigem Strobi