
öffnen, da war nichts zu machen, und meine war wertvoller, wenn sie
die einzige hier war. Am dritten Tage meiner Anwesenheit kam ich zu
ihm, um die Tempel zu besichtigen und womöglich zu photographieren.
Zunächst gelang die Aufnahme einer riesigen Gebetmuhle in einem eigenen
Häuschen, die ein Alter dreht; dann wurde sie aber sofort verschlossen.
Die unteren Tempel waren zugesperrt, der Besitzer des Schlüssels sei
sehr weit weg, hieß es, der obere Tempel sei aber offen. Wir steigen
hinauf, finden ihn aber verschlossen. Beim Angreifen geht das große Vorhängeschloß
am Fuße des Tores von selbst auf, es ist nämlich schadhaft.
Mein Gewährsmann aber meint, wir sollen das Tor nicht öffnen ohne die
Hilfe der Lamas, und mir wird selbst etwas ungemütlich, da alle unten
bleiben. Es seien genug Schlüssel da, aber der Tempelherr wolle sich mit
dem Aufnehmen der Heiligtümer nicht recht abfinden. Die Fremden seien
sonst eine Nacht oder wenig länger geblieben, aber ich bleibe so lange,
habe er geäußert. Da ließ ich noch schön mit ihm reden, ihn fragen,
ob die Uhr wohl noch gehe und er nicht vergessen habe, sie aufzuziehen,
und konnte die Tempel nachmittags ohne Kamera besuchen. Zunächst
aber mußte ich mich mit Tsamba bewirten lassen, dem tibetischen, mit
Butter gemischten Tee, in den noch verschiedenes Mehl und hier auch
Zucker gegeben wird. Opfertücher aus Seide und Räucherkerzen mußten
gekauft werden, dann brachen wir auf. Geheimnisvoll verhängen schwarze,
weiß geränderte Vorhänge die riesigen Tore der drei Stöcke hohen Bauwerke.
Mächtige Räucheröfen davor senden an Festtagen Rauchsäulen
gen Himmel. Wir stapfen durch einen Haufen Adlerfarn, der die Füße
reinigt vor dem Betreten des Heiligtums. Wie ganz anders als die Chinesen
betreten die Tibeter ihre Tempel! Vor den Göttern Gelage abzuhalten
und sich Spiel und Belustigungen hinzugeben, dürfte hier niemandem
einfallen. Hallen mit hölzernen Säulen trennen die einzelnen Räume voneinander,
deren Boden rote Kissen und Decken fürs Niederwerfen und
Niederknien bequem machen. Schwere Kupfer- und Silberarbeit zeugt
von großem Reichtum, Eine Menge aus Butter äuf flachgestrichenem
Lehm geformter Figuren wird geopfert. Bei den wichtigsten Götterstatuen
knien je zwei Lamas und beten sich an ihren Rosenkränzen heiser. Auch
meine Leute machen ihre Verehrung, der Freidenker Li bleibt aber ungerührt.
Am schönsten ist ein mit Seide geschmückter Tempel. In einer
Reihe von der Decke herabreichende Säulen sind schichtweise mit verschiedenfarbigen
Seidentüchern umhängt, die Holzpfeiler mit solchen
bedeckt, und von allen Galerien hängen dicht an- und übereinander
seidengestickte Fahnen herab. Die Farbentöne sind keine grellen, sondern
feierlich sanfte, unter denen helles Blau vorherrscht. In Regalen, in vielen
Reihen übereinander, liegen um den ganzen Raum die religiösen Bücher, ■
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