
war, daß ich die Gegend im ganzen gerade peilen konnte, dann waren
sie auch schon wieder in Wolken versteckt. Vom Pangblanglong führt
jenseits ein Seitental des Naiwanglong hinab, in dem tief unten noch
Lawinen liegen. Wir müssen oben bleiben und den Kamm selbst wieder
nahe einem Knotenpunkt erreichen, den er zwischen unserem Aufstiegstal,
dem hier reichverzweigten System des Naiwanglong und einem nach
Norden, also gegenläufig, und dann scharf nach Westen zum Irrawadi
hinabführenden Tale bildet. Das Gebirge ist hier recht verwickelt gebaut,
das überreiche Wasser hat seine urspüngliche Einfachheit durch Erosionstätigkeit
unkenntlich gemacht. Die beinahe nordwest-südöstlich ziehende
Hauptkette hat der Fluß des Naiwanglong angeschnitten, und es ist nicht
recht zu ersehen, warum das Ganze nun aus mehreren genau nordsüdlich
streichenden Ketten zusammengesetzt erscheint, die 8 km nordöstlich
vom Pangblanglong ein Querriegel als Wasserscheide zwischen Salwin und
Irrawadi verbindet. Mühsam geht es auf den Kamm hinauf und ebenso
an der Westseite unter seiner Höhe hin zu einem dritten Sattel, mit dem
vorigen Buschao genannt, dann wieder auf flacherem Boden eines kurzen,
breiten Kares am Fuße einer nach Norden immer höher werdenden Zinnenkette
auf die Wasserscheide zu, immer in der Höhe von 4100«, über den
Tannenwäldern, die, von Lawinenstrichen arg zerfurcht, die oberen Steilhänge
der Täler bedecken. Die sehr eigenartige, weißblütige Potentilla
brachystßmon, wohl die kleinste ihrer Gattung, bildet an Felsblöcken niedrige
Rasen, ebenso Leontopodium muscoides, bei dem auch die Stemblätter ganz
schmal sind, Brdba granitica ist schlank und kleinblütig, Primula Gene-
stieriana, wie diese alle neu, steht unserer Mehlprimel nahe, ist aber mehrfach
kleiner, die dottergelbe Draba involucrata bedeckt Schutthänge in Massen.
Wo der Querrücken am Zackenkamme ansetzt, wird er in dem Passe Schualo,
dem vierten dieses Tagesmarsches, erreicht, dann bleiben wir aber zunächst
auf seiner Kante in der Richtung auf den Gomba-la zu und schlagen auf
einer kleinen Fläche über dem nach Norden zum Salwin ziehenden Tale
schon spät das Zelt auf. Noch in der Dunkelheit mußte ich Leute mit meiner
Laterne zurückschicken, um einen Träger zu holen, der sich, etwas unpäßlich,
am Wege hingesetzt hatte, sonst hätte er uns nicht gefunden. Hier, im waldfreien
Hochgebirge, konnte man doch größere Tagesstrecken zurücklegen als
am Hinwege. Weg und Wetter waren auch besser.
Der nächste Morgen war wundervoll. Der G om b a -la starrte als
mächtiger Felsdom mit einem kleinen, steilen Gletscher in einer dunklen
Kluft über uns in den tiefblauen Himmel. Von Sägezähnen gekrönt, stürzt
noch weithin seine Kette in Felswänden-von rechts in das Tal ab, das
nach Norden hinab ungefähr an der tibetischen Grenze in unzugänglicher
Schlucht in den Salwin mündet. Rauhes Felsgebirge auch links, aber
geradeaus, über der Verschneidung des Tales, glänzen ferne jenseits des
Salwin riesenhafte Schneeberge in einer Reihe, jene der Mekong—Salwin-
Kette nördlich des Doker-la. Tief herunter stecken ihre Hänge im Neuschnee,
deutlich kann man noch die dunklen Tannen als spitze Pünktchen
sich von ihm abheben sehen, aber die einzelnen Gipfel, unheimlich steile
Pyramiden und Hörner, jeder einzelne ein Koloß, ragen' darüber noch so
gewaltig empor, daß sie sicher über 6000 m Höhe erreichen. Der von hier
nicht sichtbare, gegen den Mekong vorgeschobene Kakerbo ist nur ein
Vorgipfel dieser; höchsten Berge, die ich je gesehen, eine Deutung,
welche durch die Beobachtungen und Lichtbilder Gebauers von den
Bergen um Atendse aus bestätigt wird. Der Vordergrund zu diesem
wundervollen Hochgebirgsbilde ist da und dort das Pegaeophyton Sinense
mit einzelnstehenden bläulich weißen Blüten, die zu den größten in der
Familie der Kreuzblütler gehören und im Schlammsand und zwischen den
Schieferplättchen der Quellsümpfe, zu Büscheln vereinigt, wie sie aus der
rübenförmigen Wurzel kommen, in Mengen ansehnliche Strecken bedecken.
Es gelang mir, durch Schließen der Blende bis auf eine kaum sichtbare
Öffnung, sie und die Schneeberge gleich scharf auf eine Platte zu bekommen.
Der fünfte Paß, Tsu k u e, der höchste dieser Strecke, führt in
4175 « Höhe zurück nach Süden über den Kamm des Gomba-la, hart östlich
an seinem Knoten mit dem an derselben Seite des gestern umgangenen
Naiwanglong hinziehenden Hauptkamme, in ein Seitental des Salwin. Von
seiner Höhe kann man mehrere ganz schmale hellgraue Marmorbänder
verfolgen, wie sie, senkrecht'aufgestellt, genau nach Nordwesten weithin
durchs Felsland ziehen, Zeugen des ursprünglichen Gebirgsbaues, der mit
der jetzigen Richtung der höchsten Kämme keineswegs übereinstimmt;
voraus aber sieht man unten an der Baumgrenze einen See, den rechts
eine grüne Wiese säumt, links aber die Schutthalden des Gomba-la, die
steil, von Rasenstreifen und Felsbändem durchsetzt, von der Scharte unter
dem Doppelgipfel herabziehen. Sie wäre wohl erreichbar, und die Hochtour
hätte sicher ungemein gelohnt, aber ich hätte sie nur unternehmen können,
wenn ich gesund und nicht durch die Knappheit der Vorräte zur Rückkehr
gedrängt gewesen wäre und ganze Bergschuhe zur Verfügung gehabt hätte.
So aber mußte ich vorwärts zum See hinab, dessen Wiese unter
anderem noch unaufgeblühte Korbblütler beherbergt, die neue stengellose
Jurinea Salwinensis, die ähnliche blaue Lactuca amoena und Leontopodium
HimalcCyanum, und weiter ins Haupttal, das nach Nordosten gegen 18 km
weit zum Salwin führt. Rechts sieht man unten kleine Moortümpel aus
dem Walde glitzern auf einer flachen Schulter, in einer Anordnung, wie
ich sie noch öfter fand und die mich immer an die Sinterbecken von Bödö
erinnerte, wenn sie auch in der Entstehung damit sicher nicht vergleichbar