
Dürre fiel mir besonders auf, wie auf weichem, bröckeligem Mergelboden die
einzelnen Sträucher, besonders Osteomeies Schwerincie, auf kleinen Kuppen
stehen, die sie mit ihren Wurzeln Zusammenhalten, während Wind und
Wasser alles herum abgetragen haben, wie man es gewöhnlich in Wüstengebieten
sieht. In L ü h o g a i blieb ich den 5. und 6. Mai, um die fossile Flora
am Kohlenflöz zu imtersuchen, die ich im vorigen Jahre auffand und
in der Eile nur durch wenige Stücke hatte belegen kömien. Ich fand
heuer 40 m in der Schichtfolge unter dem Flöz mit den Dikotylenblättern
noch eine Mergelschicht mit älteren Resten, darunter auch einem Zweiglein,
das wahrscheinlich der mit Taiwania sehr nahe verwandten Gattung Palissya
angehört. Es war gerade kein Vergnügen, im Sonnenbrand und Staub zwei Tage
lang zu kratzen und zu klopfen mit dem spärlichen Ergebnis nur weniger
brauchbarer Stücke, da der Mergel äußerst brüchig ist. Auch das heiße, vom
Schweinestall mit schauderhaftem Duft versorgte Loch, das. mir als Unterkunft
diente, verließ ich gerne. Bevölkerung und Vorbeireisende — die
Stelle liegt gerade am Hauptwege — hatten sich aber sehr freundlich
und nicht lästig verhalten. An dem Kohlenaufschluß westlich von Lühogai
konnte ich noch einige Karbonpflanzen dazusammeln. Lebendes gab es
auch weiterhin wenig Neues. Nur einmal kam ein Regenguß, sonst war
es heiß, oft windig und staubig. Größere Truppen neu eingezogener
Soldaten in sauberen, weil neuen Uniformen' begegnete ich. Gewehre
hatten sie keine, denn erstens hatte man nicht für jeden eines und
zweitens fürchtete man, daß sie sie verkaufen. Meinem Koch, dem
ich eingeschärft hatte, Amtspersonen nur zu sagen, ich gehe für den
Sommer nach Lidjiang, konnte ich dies nicht oft genug in Erinnerung
rufen, er protzte allzu gerne damit, daß wir bis Weihsi und Dschungdien
reisen.
In Dali traf ich am 12. Mai ein und wurde alsbald vom Beamten,
der im Vorjahre in Dschungdien dieselbe Stelle innegehabt hatte, besucht.
In einem gigerlhaften europäischen Anzug mit unglaublich hohem Vatermörderkragen
kam er Zigaretten rauchend herein, und die Unterhaltung
verlief ziemlich stumm, da mein Diener gerade abwesend war. Hier erreichte
mich ein Brief des Bischofs von Yünnanfu d e .G o r o s t a r z u , von dem ich
mich dort schriftlich verabschiedet und dabei dem Wunsche Ausdruck
gegeben hatte, bei seinen mir mm schon bekannten Missionären
ebenso anzukommen, wie im Vorjahre auf Grund seines Empfehlungsschreibens.
Sein Brief jetzt besagte, ich möge mich besser nur im Notfälle
an sie wenden, denn er zweifle, daß die christliche Gesinnung mancher
durch die Begleitumstände des Krieges nicht doch gelitten habe. Ich
hatte nun aber die Vermittlung der Missionäre in meinem Arbeitsgebiete
durchaus nötig und muß sagen, daß ich unter den obwaltenden Umständen
keine entgegenkommendere hätte erwarten können; sie hätten
mir auch ihre Gastfreundschaft angeboten, wenn sie nicht die Furcht vor
ihren weltlichen Behörden davon abgehalten hätte.
Am 15. Mai unternahm ich einen Aufstieg auf den D s a n g -sc h a n ,
der im Westen der Stadt als lange Kette parallel mit dem See steil aufsteigt.
Düster sind seine Farben, Glimmerschiefer und Gneis bilden den Kern,
dazwischen wird in halber Höhe des Berges der berühmte Dali-Marmor
gebrochen. Beim Schleifen der Stücke erscheint, wie beim Querschneiden
einer Adlerfamwurzel, die bunte, meist rotbraune und grüne Maserung,
die oft ohne Anwendung von Phantasie als Figuren von Menschen und
Tieren, Bäumen, Seen, Wolken usw. gedeutet werden kann. Die Chinesen
versehen d a n n die Platten mit der Aufschrift, was die Zeichnung bedeuten
soll, oft freilich helfen sie' auch dieser selbst durch Malen nach,
dies sind aber dann die weniger wertvollen Stücke. Die einzelnen Platten
werden meist zu mehreren in Holzrahmen befestigt und an die Wände
gehängt, oder einzeln als Tischplatten verwendet oder auch zu Blumentöpfen
und ähnlichem zusammengefügt. An den keine halbe Stunde von
der Stadt entfernten Fuß des Berges gelangt man über einen der vielen
sanften Alluvialkegel, die sich aus seinen kurzen und steilen, parallelen
Schluchten bis gegen den See hin ergossen haben. Weithin sind sie
bedeckt mit Gräbern aus dem Mohammedaneraufstande, der in der zweiten
Hälfte des vorigen Jahrhunderts viele Jahre hindurch das Land entvölkerte
und von Dali aus schließlich niedergeschlagen wurde durch den heute in
einem Tempel dort als Gott verehrten General Ma. Die wieder sehr
zahlreichen heutigen Mohammedaner sind sehr still, benützen nur selten
arabische Aufschriften (in Amidschou, an der Bahn sah ich solche) und
nur einmal — vor wenigen Tagen in Hsiagwan — begegnete ich einem,
der einen roten Fes trug. Die Hänge des Dsang-schan sind bis weit
hinauf entwaldet, der Aufstieg in der Sonne ist kein Vergnügen. Bis über
einen weithin weiß leuchtenden Tempel, etwa 600 m über der Stadt,
konnte ich reiten, dann schickte ich meinen Kuli mit dem Pony zurück
und stieg mit einem als Holzsammler des Berges kundigen Pendi-Burschen1
als Führer zu Fuß weiter. Einen Weg gibt es eigentlich nicht, sondern
es ist eine geradlinige, äußerst steile, durch die gestrüppbedeckte Humusschicht
bis auf den gestuften Fels eingerissene Holzriese, die ich benützen
mußte. Ein kleines schwefelgelbes Rhododendron (trichocladum) und ein
großes feuerrotes (neriiflorum) sind es hauptsächlich, mit deren Blüten
der ganze Hang übersät ist, und dazwischen zeigen sich überall die
l „Pendi“ ist ein chinesischer Ausdruck für Eingeborene, der keinen üblen Beigeschmack
bat. In diesem Falle war es wohl ein Mindjia.