
dürre Bastion des Küdü, rechts davon in die Tiefe der Yangdse-Schlucht,
aus der, wie zwei verzogene Augen, die schon im Vorjahre bemerkten
Höhlen heraufglotzen, und darüber auf die Bergkette Hsüedschou-schan
— Halao-schan, nur einen in der Yangdseschlinge endenden Ast der
zweiten Hauptkette, die zwischen Hsüedschou-schan und Küdü vom
Strome durchbrochen wird. Zwar wollte ich ja einen Gipfel besteigen
und eine ganze Rundsicht für die Karte aufnehmen, aber ich dachte mir:
sicher ist .sicherer, und opferte gleich hier einige Platten mit in kaltem
Winde erstarrenden Fingern. Leider sind sie, wie 1915 manche Landschaftsaufnahmen,
des Alters der Platten' halber recht schlecht gelungen.
Ein Steig führt tatsächlich auf dem breiten Rücken nach rechts ab,
den ich verfolgte. Sogar Li, dem die Berge gar nicht gefielen, hatte
.beim schönen Ausblick zunächst die Augen aufgerissen, jetzt saß er aber,
in seinen Lolo-Mantel gehüllt, im Winde und erklärte, es sei ihm „beau-
e°up fr°id“. Auf meine Anweisung, daß dagegen das Sitzenbleiben nicht
das beste Mittel sei, kam er aber, von W usoling begleitet, wieder nach.
Nach gegen zwei Stunden führt der Weg in eine Mulde an der Südwestflanke,
wo ich bei einer Quelle an einem prächtigen Plätzchen in 4175 m
Höhe das Zelt aufschlug. Der Boden freilich war so schwammig, daß ich
flache Steine unter die Zeltstangen legen mußte, damit sie nicht einsinken.
Knorrige, aber hohe, weiß und rosa großblütige Alpenrosensträucher,
die absterbenden Ästchen mit schwarzen (Älectoria acanthodes) und gelblichen
(Nephromopsis Delavayi) Flechtenzotten bedeckt, umstehen das Zelt,
mcht viel tiefer ragen die dunkelgrünen Spitzen der obersten Tannen auf,
und darunter ist alles Wald, das verworrene Winkelwerk der von verschiedenen
Richtungen kommenden Tälchen und dazwischenliegenden Rücken
überziehend. Ferner im Nordwesten scheint die Sonne auf die smaragdgrünen
Wiesen, die heute die alten Seebecken unter Dschungdien erfüllen.
Niedrig streichen die Wolken, und Sonnenstrahlen malen, immer wechselnd,
leuchtende Flecken und goldene Ränder in ihr rasch bewegtes Gefüge. Dafür
gab es Ärger mit den Leuten; einer, der Soldat gewesen war und den ic h '
probeweise aufgenommen hatte, verkroch sich mit den Mafus in eine
nahegelegene Hütte und war durch alles Rufen zu keiner Arbeit zu
holen; als er mir später verweigerte, das Pferd zu putzen, denn das habe
ihm Kok nicht gesagt, warf ich ihn prompt hinaus. Li war wirklich
etwas bergkrank, und als mein Kopfwehmittel angeblich wirkte, hatten es
am nächsten Morgen alle nötig, weshalb ich sie verärgert daheim ließ.
Es war der 23. Juni, als ich allein auf den Kamm stieg und ihn gegen
Südosten verfolgte. Hin- und hergebogen, aber wenig, verzweigt, führt er,
mehrere nur unbedeutende Erhebungen tragend, schon weit über der
Baumgrenze dahin. Kristallinische Gesteine und Tonschiefer, unter dem
tiefer unten am Hange anstehenden Kalk hervortretend, sind in sehr steilem
und auch senkrechtem Einfall im allgemeinen nord-südlich gerichtet, aber
auch verschieden gebogen. Deutlich ist die windgefegte Südwestseite von
der geschützteren Nordostseite zu unterscheiden. Hier gibt es noch Holzpflanzen,
' die bis zur Kammlinie selbst dicht geschlossene Zwergstrauchformationen
bilden, besonders Weiden, Alpenrosen (Rhododendron com-
plexum) und zuletzt Cassiope, der nordisch-himalaische Erikazeen-Typus
mit bärlappähnlichen, aufstrebenden Stämmchen, hier C. selaginoides. Verläuft
der Kamm gerade, so schneiden sie auf der höchsten, wenn auch
keineswegs scharfkantigen Linie ebenso geradlinig ab, während sie gegenüber
erst wieder tiefer unten beginnen und der oberste Teil des Hanges
dort fast nur mit wenigen Kräutern bestanden ist, die Kanten der Schieferund
Kalkschieferfelsen selbst aber mit Flechten, deren viele mit jenen
unserer Alpen übereinstimmen; besonders aufgefallen sind mir aber die
die Felszacken des Grates krönenden kopfgroßen Polster des seltenen,
sonst himalaischen und andinen Acroscyphus sphaeropkoroides mit weißgrauen,
drehrunden, korallenartig verzweigten und aufrechtgestellten
Ästchen. Auf Schritt und Tritt gab es zu sammeln, so erreichte ich erst
nach etwa vier Stunden einen bedeutenderen, 4450 m hohen Gipfel. Von
dort sah man noch ebensoweit den Fuß des Schneeberges T ja ta - s c h a n ,
aber eine glatte Wolkenschicht schnitt ihn kaum 500 m über meinem
Standpunkte ab. Ihn ernstlich anzugehen, war nicht mehr möglich, die
Gipfel vorher waren auch kaum höher als meiner, der schon den gewünschten
Ausblick bot. Im Westen imd Nordwesten dehnt sich das
waldbedeckte, grüne Dschungdien-Hochland mit einigen frischen Wiesen,
darüber sieht man die breite Yangdse—Mekong-Kette mit ähnlichen Formen,
erst weiter im Norden von dem dunklen, klotzigen, kleine Gletscher tragenden
Bema-schan bei Dungdschuling wesentlich überragt, und jenseits
die Schneeberge an der tibetischen Grenze gegenüber Atendse, leider
wieder alle abgeschnitten von einer Wolkenschicht, rechts, im Norden,
näher, jenseits der niedrigen, breiteren Strecke meines Kammes, über die
der Weg von Bödö nach Hsiao-Dschungdien führt, das vielspitzige Gebirge
Piepun mit seinen braunen Sandsteinvorlagen, weiter rechts die schon
gestern überblickten Gebirge um den Nordteil der Yangdse-Schleife. Über
allem wieder ferne zahllose unentwirrbare Spitzen des Tibeterlandes von
Djiatschrin und Konkaling gegen die Batangstraße, manche noch mit Schnee
bedeckt. Der Pflanzenwuchs ist hier auf Urgesteinen noch viel geschlossener
als auf gleichgelegenem Kalk. Weiß und purpurne Farben herrschen vor:
Androsace Delavayi, ähnlich unserer glacialis, mehrere Primeln, Saxifragen,
das ganz niedrige, groß- und dunkelblütige Rhododendron prostratum und
die etwas ähnliche, dicke Polster bildende Diapensia putpurea, ein Typus,