
des letzten Dorfes am Fuße des Gebirges auf meinem Wege um eine
tibetische Schutzmannschaft bis Meti, nachdem ich gegen sein Gerede auf
meiner Absicht bestanden hatte, direkt nach Westen an den Yangdse und
nach Weihsi zu gehen.
Als ich am 24. August aufbrach, hatte sich nebst zwei Polizeisoldaten
eine malerische Bande von fünf mit Lanzen, Schwertern und zwei Gewehren
bewaffneten Tibetern bei mir eingefunden. Zunächst folgte ich nach Süden
dem Wege nach Hsiao-Dschungdien und Lidjiang am Fuße eines niedrigen
Kalkrückens hin in einem weiten, von mehreren Dörfern belebten, aber
sonst recht kahlen, jetzt von Halenia elliptica, einem Enziangewächs mit
gespornten Blütenblättern, weithin blauen Talweg, dessen Bach mir entgegen
und in den See von Dschungdien fließt, dann bog ich rechts von
ihm ab imd erreichte zur Mittagsrast das Heimatdorf meiner Bedeckung,
Beischaogo, von wo diese einen Stier als Tragtier für ihr Gepäck mitnahmen.
Auch an dieser westlichen Seite ist der Talhang recht kahl, ein keineswegs
hoher, aber steiler, fast geradliniger Absatz dürren Kalkgesteins, aus dessen
Kerben flache Schwemmkegel sich gegen den Bach hin ausbreiten, darüber
eine schmale Ebene und erst über dieser der waldbedeckte Rücken des
eigentlichen Scheidegebirges zwischen der Senkung von Dschungdfen und
dem Djinscha-djiang, aus dem sich in der Breite von Dschungdien der
auffallende Dschere, eine breite Kuppe mit einem östlich darangesetzten
abgestumpften Kegel, zu etwa 4500 m erhebt, an dessen Lehnen ich einmal
Wasserfälle gesehen zu haben glaube. Bei Beischaogo fehlt bereits der
äußerste Absatz und unser Weg steigt etwas innerhalb seiner Linie in
weichem Tonschiefer nach Westen an. Ein vorzüglicher Ausblick bot sich
von einer Stelle des breiten, welligen Rückens, der hier von unserem Wege
auch nach Süden zu einem tiefer in ihn einschneidenden Tale absetzt.
Das ganze alte Seebecken bis über Hsiao-Dschungdien hinaus ist zu
übersehen, durch Schotterbänke gestuft, durch einen niedrigen braunen
Rücken, jenseits dessen der Dschungdjiang-ho .aus dem Quertal unterhalb
der Naturbrücke heraustritt, getrennt vom Becken von Dschungdien, und
im Hintergründe die Gliederung des Abfalles des Piepun, der leider selbst
im Regen versteckt war, und des nördlich daranschließenden Hochlandes.
An unserer Seite bedecken schwarzgrüne, oft von Bartflechten grau verschleierte
Tannenwälder alles weithin. In ihren Lichtungen breiten sich
schwappende Moore, in denen friedlich die schönen Jak grasen; Alpenrosen,
Weiden, Spiraeen, Swertia calicina von 75 cm Höhe mit 4V2 cm
großen, rein weißen Blüten und die neue. Saussurea uliginosa gedeihen dort.
Ein gewaltiger tibetischer Moloß, schwarzzottig und durch ein rotes Woll-
band um den Hals noch furchtbarer gemacht, reißt beinahe den langen
Pfahl um, an dem er bei einer Almhütte festgebunden ist; so lange er uns
sieht, springt er tief bellend an ihm empor und der Zorn macht ihm die
blutroten Augen aus den Höhlen treten. Wir haben nicht mehr viel zu
steigen zum N g u k a -la , der in 4125 m Höhe zwischen etwa 100 m höheren
Kämmen liegt. Senecio pleopterus, 1’20 m hoch, mit großen Fiederblättern
und dreiblütigen Körben in großen Ebensträußen, hochwüchsige Sturmhüte
(Aconitum scaposum und Franchetii), zwei große Rittersporne, die wahrscheinlich
beide neu sind, und die weiße Ranunkulazee Beesia calthifolia
blühen im Tannenwald. Düster ist die ganze Gegend, nicht nur die Wälder,
sondern auch das dunkelgrüne Gestein, ein vulkanischer Tuff, das Laub
der Alpenrosen, Rhododendron recurvum, und der bewölkte Himmel
verstärkt diesen Eindruck. So sanft der Abhang gegen Osten ist, so steil
fällt die Scheidekette von hier nach Westen zum Yangdse ab. Der Weg
ist eine ununterbrochene, im Zickzack angelegte und doch noch überaus
steile Treppe aus den eckigen Blöcken des harten Eruptivgesteins, über
die ich, der ungeheuerlichen Einladung meiner Polizisten, doch im Sattel
zu bleiben, spottend, zu Fuß hinabsteige. Nur das Klirren der Hufeisen
und die Rufe der Maultiertreiber stören die Ruhe des tiefdunklen, triefenden
Urwaldes. Ein Johannisbeerstrauch (Ribes acuminatum) wächst hoch auf
den Bäumen als Epiphyt, das winzige Polypodium Sikkimense in den Moospolstern
der Stämme und die nicht viel größere neue Pimpinella muscicola in
solchen, die die Felsen bedecken. Der Riß, durch den wir absteigen, verliert
an Steilheit, reiner Stecheichenwald tritt an Stelle des hier beinahe
schon hygrophil zu nennenden Mischwaldes, der Weg bleibt am nördlichen
Talhange und erreicht das über einer felsigen Ecke nur mehr 3125 m hoch
gelegene Dorf Meti. Es sind wohl nahsi-tibetische Mischlinge, die diese
Häusergruppe bewohnen, während eine andere weiter unten den Lissu
gehört. Hoch oben ist das Tal, in dessen enge, aber weniger steil abfallende
Sohle wir hinabsteigen, von einem Kalkband begleitet, das als
scharfer Grat noch weit gegen den Djinscha-djiang vorspringt. Dumpfe, abgeschlossene
Winkel am Bache sind von artenreichem Busch erfüllt, der
ulmenähnlichen Euptelea pleiosperma und weiter unten, schon subtropisch,
Alangium Chinense, Chionanthus retusa und Machilus Ichangensis. Das Gebirge
jenseits des Flusses ist wesentlich niedriger als das eben überschrittene,
doch fällt es zuunterst auch steil ab. Der Yangdse kommt, indem er ein
Doppelknie bildet, auf uns zu, wir verfolgen ihn abwärts und suchen, da wir
schon einen tüchtigen Marsch hinter uns haben und es zu regnen beginnt,
nach wenigen Kilometern Unterkunft in einem Hause des kleinen Dörfchens
Tsondyo. Durchs Dach tropfte es bald auf die zum Trocknen ausgebreiteten
Moose und die übrigen Habseligkeiten, und als ich mich durch Lageveränderung
nicht mehr des Regens erwehren konnte, mußte ich ein Zeltdach
auspacken und auf das Schindeldach des Hauses breiten lassen. Eine