
Ferne sind die Berge so hoch, daß sie in die Wolkenbänke ragen, vorne
aber ist alles niedriger als unser Standpunkt, eine weite Mulde im ganzen,
aber erfüllt mit lauter ziemlich gleich (um 3500 m) hohen, beinahe wagrecht.
geschichteten, bewaldeten Kämmen und buckeligen Flächen, dazwischen tief
und schmal eingeschnitten die Flußtäler, ferner eine den Wald überragende,
plötzlich in einer scharfen Ecke abbrechende Kette südlich von Yungning,
dahinter ein heller hoher Felsberg, wohl der Hsüetschou-schan in der Yangdse-
Schleife. und links einige dunkle Zacken des im übrigen verhüllten Riesen-
Gebirges von Lidjiang. Vor uns im Westen ragt eine auffallende Bergnase aus
der Tiefe, der Schidsi-schan, der die Lage von Yungning, unserem nächsten
Ziele, bezeichnet, An zwei Lolo-Dörfern vorbei geht es 1200 m tief sehr steil
hinab, dann eine gute Strecke auf kaum merkbarem Steige zwischen Gerolle
und großem Blockwerk in einem Wildbachbett hinaus, wo auf dem
Pferde zu bleiben Selbstmordversuch wäre. Gewitterregen prasselten nieder,
und in der Dämmerung erst kamen wir an die ganz vereinsamte Fähre
in der zwischen Kalkfelsen mit Tropfsteinen schön bebuschten Schlucht
des W o lo-ho, der hier, mit dem Flusse von Yenyüen vereinigt, nach
Norden dem Litang-Flusse zuströmt. Ich war 'daran, einen Meineid zu
schwören, daß dies meine letzte Reise in fernen Gebirgen sein soll, aber
ich ahnte nicht, wie ich mich noch mit den Regenzeiten yünnanesischer
Hochgebirge befreunden werde. In etwa einer Stunde gelangten wir ins
Dorf Woloho, ordneten nur mehr die reiche Ausbeute nach Standorten
zusammen, denn, hat man einmal darüber geschlafen, ist die dazu nötige
Erinnerung schon getrübt, und legten sie erst am nächsten Vormittag ein.
Auf lehmig-rutschigen Wegen steil hinauf, erreichten wir abends
Ftnnadi, ebenfalls ■ ein Chinesendorf, doch noch von Lolos umgeben. Wir
mußten an die Regenzeit glauben, als wir weiter über einen 3300 m
hohen, breiten, mit Fichtenwäldern bedeckten Rücken aus Sandstein und
Kalk ritten, in den ein Bachlauf kaum einschneidet. Einen Schritt weiter
ist die Entwicklung der Mattenflora in dieser niedrigeren Lage gediehen,
indem in Menge, aber jetzt noch ganz niedrig, schon der blaue Strobi-
lanthes versicolor blüht, blaue Iris Bulleyana und eine kleine goldbraune
Orchidee, die neue Oreorchis erythrochrysea; im Abstiege kommen wir durch
fast reine Wälder aus Pinus Armand*, der großen blaugrünen Kiefer mit 20 cm
langen und 12 cm dicken Zapfen, mit Dschungelunterwuchs und treffen unten
einen ganzen Hain einer gegen 3 jn hohen unverzweigten Mahonia (Alexandri)
mit großen dornigen Fiederblättern und fingerig gestellten gelben Blüteüähren.
Zwei Flüßchen, von Norden und Nordwesten, vereinigen sich, und in einem
bebauten, aber doch ziemlich dürren Becken liegt das zerstreute Moso-
Dorf Gaitiu. Bald verlassen wir wieder das Flüßchen, das von Yungning
in weitem Nordbogen herkommt, und folgen, ganz allmählich ansteigend,
einem Seitenbache, dem Ausflusse des Sees von Tschoso. Auf Sandstein
fanden wir hier und später noch öfter sehr bezeichnende Wälder aus
Zitterpappeln, Pinus Yunnanensiß und der großblätterigen Quercus dentata,
die Stämme dieser mit Drynaria Delavayi oft ganz überzogen, einem Farn,
der einem vergrößerten und besonders verbreiterten Engelsüß ähnlich sieht,
aber unter solchen Laubblättem noch wenig gelappte, jetzt schon braune
Nischenblätter trägt, die den Baumstamm dicht bedecken und Wasser und
Nahrung für die- dicken kriechenden Wurzelstöcke festhalien. Bald wird
das Tal fast eben, seine Sohle flach und immer breiter, von schwarzem
Moorboden erfüllt, der dichte grüne Wiesen ernährt. Da wächst die schlanke
gelbe Iris Forrestii in breiten Beständen zwischen den roten Himmelschlüsseln,
deren Blütezeit jetzt beginnt. Es ist eine Reihe von Arten, die
dem südwestlichen China eigentümlich sind, mit auf hohem Schaft in
mehreren Quirlen übereinanderstehenden Blüten, die einen flach ausgebreitet,
die anderen mehr glockenförmig, rosa bis karminrot, hier Prímula
Beesiana. Das breite Tal kommt links vom See, an einem Seitenbache
liegt das Yamen des Moso-Fürsten von Tsch o so , für den wir von
Kwapi eine Empfehlung hatten, ein hölzernes Gehöft, wo uns der alte
Hausherr freundlich aufnahm.
Den nächsten Tag (17. Juni) beguckten wir den Regen von unseren
mit Blättern aus einer englischen Zeitschrift, meist Reklamebildern, austapezierten
Zimmern aus und ließen die Preßpapiere in den Lauben, über
die sich die große braune Lache im Hofe auszudehnen drohte, am Feuer
trocknen. Am 18. aber kam die Sonne etwas durch und wir befuhren in
Einbäumen den See. Zwischen Waldbergen eingebettet, ist sein Wasser
tiefblau, blau erscheinen auch die Steine auf seinem Grunde und die aufsteigenden
Luftblasen. Algenzotten schwappen an ‘den untergetauchten
Kalksteinen, und, sie in Formalin zu sammeln und das Plankton zu fischen,
war meine Arbeit. In Menge schwimmen über schwanken Stielen die ansehnlichen
weißen Blüten der neuen Boottia crispa auf der Wasseroberfläche,
und auch die Untersuchung der Moorwiesen ergab noch manches Interessante.
Von der festen Wiese — in der allerdings, ehe ich michs versah,
das Pferd auch bis zu den Vorderknien einbrach — dem Sumpfe zu lassen
sich drei Pflanzengürtel unterscheiden, ein Kranz von Iris Forrestii mit Anemone
rivularis, einer Artemisia, Eriyeron praecox, Potentilla Griffithii, Pote-
rium filiforme, einem Schwingelgras, einem kleinen Veilchen und unserem
Hornklee, dann auf schwarzer Erde Massen des Gänsefingerkräutes, Hirtentäschel,
Wegerich, drei kleine Knöteriche, Scheingräser, Lysimacliia parvifolia,
Gnaphalium multiceps, Salvia plebeia, ein kleiner Enzian, Pedicularis densispica,
also ungefähr dasselbe wie an Reisfelderrainen, und auf nassem Schlamin
zumeist Boripa Islándica (palustris), Senecio oryzetorum, Melden und Both