
gefundenen Primula sonchifolia reichen bis an Schutthalden, Blockwerk
und Felsen der Grate. Zu Fuß erstieg ich den 4325 m hohen Hauptgipfel
Holoscha, der nach Norden in steiler Wand abfällt und einzelne Schneedecken
trug. Polster-Kreuzblütler, Vveiße Brayn Forrestii, neue großblütige
rosa Solms-Laubachia minor und gelber Goldlack, der neue Cheiranthus
acaulis, und die winzige, ebenfalls neue Lagotis incisifolia begannen auch
hier schon aufzublühen. Die Rundsicht war in der Ferne lehrreich und
klar, aber bei bedecktem Himmel nicht gut beleuchtet. Bis ins Lolo-Land
sieht man nach Osten, weit über Muli im Westen und die schönen
gezackten Schneeberge gegen Dadjienlou („Tatsienlu“) im Norden, ein
ununterbrochenes Hochgebirgsland, in dem noch vieles unerforscht ist.
Nahblicke sind durch wenig niedrigere Kuppen stark verstellt. Die Rückkehr
erfolgte wieder nach Liuku.
Von herrlichem Wetter begünstigt, konnten wir die schöne Landschaft
am Abstieg nach Kwapi genießen. Der nächste Weg am felsigen Steilhange
hin ist für die Karawane ungangbar, daher muß ein großer Umweg
gemacht werden. Den steilwandigen walderfüllten Kessel schließen vielfach
senkrechte Kalkfelsen ein; tief unten sieht man auf einem Rücken zwischen
Wäldern das Yamen mit den Nebengebäuden, von Mauern umgeben, im
Hintergründe überragt von der etwa 4350 m hohen, dreigipfeligen, hellgrauen
Felskante Yinimi. Der Weg steigt noch ab in ein. Tälchen nach Helugö
und dann wieder gegen 500 m zum 2775 m hoch gelegenen Yamen an.
Der Fürst, der uns sqjhon seit mehreren Tagen erwartete und den Weg
nach Lowa hatte herrichten lassen, ließ uns mit Böllerschüssen empfangen,
die im Hofe gerade hinter uns abgegeben wurden, - glücklicherweise als
wir schon von den Pferden- gestiegen waren. Sein schmales Gesicht trägt
den Ausdruck des Opiumgenießers. Er zeigte uns seinen kleinen Sohn
„Fritz“ und brachte gleich das Patenzeugnis des deutschen Konsuls dazu
bei. Seine Residenz ist fest und mehr im tibetischen Stile erbaut, aus
Yünnanfu hat er sich aber dazu Glasfenster kommen lassen. Trotz seines
Opiumrauchens ist er noch recht intelligent, bemüht sich, sich europäisch
zu benehmen, ißt Brot, dessen Herstellung sein Koch dem des französischen
Konsuls von Dschöngdu abgeguckt hat, und gab uns ein Gastmahl mit
Messer und Gabel, bei dem von besonderen einheimischen Leckerbissen
eine Gallertalge aus einem Hochgebirgssee, eine kleine Nostoc-Art, in
Zuckertunke vorgesetzt wrurde. Der chinesische Lehrer seiner Kinder,
der auch geladen war, bemühte sich krampfhaft, das Spanferkel mit dem
Messerrücken zu schneiden. Ein frecher Kerl war unser Begleitsoldat von
Yenyüen, der uns schon unterwegs Ungelegenheit zu machen begonnen
hatte und auch eine Kleinigkeit gestohlen zu haben scheint; er wollte
einen kleinen Lolo-Hirten als Führer mitnehmen und als dieser sagte, er
könne nicht von seiner Herde weg, ihn gleich prügeln. Jetzt holte er sich
einen Hinauswurf, als er vom Tussu nebst einem Trinkgeld auch noch
Opium verlangte. Ein Zehntel des Ertrages der Goldmine von Wali unten
am Yalimg gebührt diesem als einheimischem Fürsten, der von der chinesischen
Regierung anerkannt und mit den Geschäften eines Bezirksbeamten
betraut ist („Tussu“). In dieser Eigenschaft' war er vor einigen Jahren
zur Unterwerfung der schwarzen Lolo herangezogen worden, und seine
Kämpfe mit ihnen hat er durch einen chinesischen Maler als Deckenfresken
verewigen lassen. Zierlich und in bunten Farben sind seine Leute und
die Lolo treffend gekennzeichnet, aber in echt chinesischer Perspektive
und den unmöglichsten Stellungen und Übertreibungen.
Zunächst suchten wir nun die Umgebung von Kwapi ab. Die Lage
ist keine feuchte, das Hygrometer zeigte bei Tag meist um 30% Wasserdampfgehalt.
Die Berghänge sind so steil, daß die Höhenstufen der Vegetation
in der Landschaft überall als verschiedenfarbige Gürtel ins Auge
stechen. Der subtropische unten bei Helugö graugrün und kleinblätterig,
Acer Paxii, Cornus oblonga, Quercus spathulata und die neue cocciferoides, Vitex
Yunnanensis, Melia Toosendan und anderes enthaltend, darüber der warmtemperierte
der lichtgrünen Föhrenwälder mit unserer Stieleiche ganz
ähnlicher Quercus dentata, dann der temperierte dunkler grüner und bunter
Mischwälder und der kalttemperierte mit schwarzgrünen Tannen, die sich
vom hellen Kalkgestein der Hochgebirgsstufe besonders scharf abheben.
Am schönsten entwickelt ist jetzt eigentlich der Unterwuchs der Kiefernwälder,
große und farbenprächtige Blumen drängen sich in bunter Abwechslung,
das niedrige schmalblätterige Sträuchlein Rhododendron ledoides,
die schöne neue lilafarbene Salvia pinetorum, Pleione Yunnanensis, die große
Roscoea -Chamaeleon und andere. Die braunfilzige Stecheiche Quercus aqui-
folioides wächst besonders um das Yamen zu Bäumen von mindestens
25 m Höhe aus, deren Blätter dann rund und dornenlos sind. Im Walde
versteckt gähnen tiefe Klüfte und unergründliche Löcher im Kalkfels, dessen
Moosdecke meine besondere Aufmerksamkeit auf sich zog. Das schön gefiederte,
flach ausgebreitete Cleistostoma ambiyuum, Meteorium helminthocladum
mit walzenförmig gedunsener, Meteoriopsis reclinata und Trachypodopsis
crispatula mit sparrige'r Beblätterung kriechen weithin mit goldfarbenen
Ästchen, Neckera brachyclada ist grüner und bildet ähnliche Polster,
Pleuropus fenestratus viel, tiefere. Lonicera Yunnanensis und Marsdenia
oreophila schlingen als Lianen an den Bäumen.
Der See, aus dem die genossenen Nostoc herstammten, soll hoch im
Gebirge inmitten großer Wälder zwei Tagereisen weit, aber nur zu Fuß
erreichbar liegen. Er zog mich wohl an, aber bevor ich mich für ihn oder
einen hohen Urgesteinsgipfel entschied, der von jenseits des Yalung winkte