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NACH LIDJIANG MIT BESUCH DES DSANG-SCHAN
Krieg Yünnans gegen Peking. — Widerstände gegen die Abreise. — Koch und Karawane.
— Der pflanzenfahrende Kohlenflöz von Lühogai. — Der Dali-Marmor. — Mohammedaner.
— Auf dem Dsang-schan. — Seefahrt.
ES war ein Zusammenwirken von mir günstigen, anderen ungünstigen
Umständen, das die Verwirklichung meiner kühnsten Träume im
Sommer 1916 ermöglichte. Nach der Rückkehr war kernen Monat lang
die beschauliche Ruhe im Städtchen Yünnanfu erhalten geblieben. Anfangs
Dezember hatten wir unserem Landsmann M a iw a l d das letzte Geleite
gegeben. Ein Typhusfieber hatte seinen Leib, dessen Fetthülle das im Osten
so übliche übermäßige Essen und Trinken für Injektionen undurchdringlich gemacht
hatte, vorzeitig dahingerafft. Er wurde am Hange des Tschangtschung-
schan auf einem Begräbnisplatze der chinesischen Protestanten bestattet.
Das war der einzige erwähnenswerte Vorfall in unseren Kreisen. Ausflüge,
oft weite Tagesritte, und ein dreitägiger Jagdausflug des Konsuls nach
Dschungduilung bei Yanglin, an dem ich mich vom 4. bis 6. Februar beteiligte,
vergrößerten meine Sammlungen aus der Gegend.
Im Dezember war Präsident Y ü a n s c h i k a i daran, für eine Kriegserklärung
an Deutschland sich von den Alliierten die Kaiserkrone zu kaufen.
Formell mußte er sich natürlich zum Kaiser w ä h le n lassen, so gab er
seine Anweisungen dafür an die Provinzen heraus. In Yünnan wurden
diese Geheimbefehle später veröffentlicht: mit Geld und Beamtenstellen
nicht zu sparen, die gegenteilig Gesinnten rechtzeitig einzusperren usw.
Die früheren Adelstitel sollten wieder eingeführt werden, neue Orden und
Münzen waren schon geprägt und die Krönungsfeierlichkeiten festgelegt.
Uns Deutschen wäre es sicher nicht gut gegangen, denn Y üanschikai war
ein fremdenfeindlicher Militarist. Da reiste im stillen General T s a i -w o nach
Yünnan, ein aus der antimonarchistischen Revolution wohlbekannter Führer
des Südens, und bestimmte mit Leichtigkeit den Tutschün T a n g -j i -j a o
dazu, zu Weihnachten in einem durch den Abmarsch seiner Truppen nach
Nordosten unterstützten Ultimatum von Y üanschikai Aufgabe seiner Absicht
zu verlangen, als dies aber keinen Erfolg hatte, zur Erhaltung der
Republik an Peking Krieg zu erklären. Die englische Regierung bot ihm
zwar durch ihren Generalkonsul 3,000.000 Dollar an, damit er davon abstehe,
er aber wies sie mit schwer geheuchelter Entrüstung ab, und
schneller, als man meinen konnte, besetzten die Truppen Yünnan’s, dem
sich bald der ganze Süden anschloß, Suifu, dessen Besatzung und Behörden
bei der Nachricht, von ihrer Annäherung geflohen waren, und andere Orte
in Setschwan. Sozusagen ganz China kam in Unordnung. In Yünnanfu
wurden jedesmal, wenn ein höherer Offizier mit einigen Truppen auszog,
festlich die Straßen beflaggt, draußen in der Provinz aber, die als eine der
sichersten bekannt gewesen war, begannen Banden desertierter Soldaten
raubend umherzuziehen und erleichterten das Reisen keineswegs; auch
gingen die Preise bedeutend in die Höhe. Aber T sa i-wo hatte auf lange
Zeit einen Eintritt China’s in den europäischen Krieg unmöglich gemacht
und sich dadurch unbewußt aktives Verdienst um die Fortsetzung meiner
wissenschaftlichen Arbeit in China erworben. Auf dem Yolu-schan bei
Tschangscha in Hunan hat man ihm einen mächtigen Obelisk als Denkmal
gesetzt, das auch für uns eine Bedeutung hat.
Der große Reichtum und die Eigenart der Flora des Salwingebietes,
die in ihrer Entwicklung bei meinem Besuche nur allzu vorgeschritten
gewesen war, hatten schon an Ort und Stelle den Plan entstehen lassen,
wenn irgend möglich, selbst den nächsten Sommer dort zuzubringen, andernfalls
aber zwei tüchtige Sammler über diese Zeit dort arbeiten zu lassen.
Nachdem die Behörden schon im Vorjahre meine Reise, zuletzt aus w'ohl-
verständlichen Gründen, mit scheelen Blicken betrachtet hatten, mußte ich
damit rechnen, daß sie mich in jeder Weise werden hindern wollen, auch
nur in die Nähe des in Aussicht genommenen Gebietes zu kommen, und
meinen Plan vor allem unbedingt geheimhalten. Um mich nicht von
Anfang an verdächtig zu machen, mußte aber die Abreise von Yünnanfu
doch offen geschehen, und zunächst erwirkte mir Konsul W e i s s für die
beiden Sammler für das Gebiet des Tussu von Yedsche einen Paß, den
ich ihnen mitgeben wollte, wenn ich sie allein ausschicken mußte. Schon
dieses Schriftstück auszustellen, sträubten sich die Behörden anfangs, und
dann fiel es recht fragwürdig aus: es stand darin, man solle sie nicht in
die Nähe der Gegend lassen, wo die Grenze zwischen China und Birma
nicht festgelegt ist, und, wenn sie anderes tun als botanisieren, es dem
Fremdenamt berichten. In einem Rundschreiben an die mir bekannten
Missionäre teilte ich diesen die Aufgabe der Leute eingehend mit und
ersuchte sie, sie ihnen öfters' in Erinnerung zu rufen imd ihnen zu ihrer
Ausführung behilflich zu sein, und so konnte ich mir auch von diesem
Unternehmen Erfolg versprechen, wenn es den Sammlern nur einmal
gelungen war, in das dem Yedsche-Tussu unterstehende Ludsedjiang zu
kommen. Daß der Erfolg aber nicht an den eigener Tätigkeit heranreichen
kann, darüber war ich mir nach F o rrest s und besonders S chneiders
Erfahrungen, im klaren.
Dem neuen Fremdenkommissär, der bei seinem Besuche im Konsulate
die Ergebnisse seines Nasenbohrens an die Wände schnellt, bis er schließlich