
größten Teil ausgelaufen, aber das sollte nichts machen, er hatte nicht
mehr lange zu reichen.
So reiste ich am nächsten Tage mit schwerem Herzen weiter, wieder
durch frischgrüne Kiefernwälder, abseits des Flußtales hin am Fuße der
hohen, mit dunklen Tannen- und Fichtenwäldern bestandenen Kuppen
der nördlichen Fortsetzung des Tjata-schan. Über einen niedrigen Sattel,
einem Bächlein entlang sanft abwärts geht es ins Tal des Bapadji, des
Flüßchens von Bödö, dem der Weg dann am rechtsuferigen Hange aufwärts
folgt. Talauswärts öffnet sich ein Blick in die Yangdse-Schlucht;
zwei große Höhlennischen in den rot-grauen Kalkfelswänden des Hsüetschou-
schan sehen jenseits des Flusses herab. Aufwärts hat unser Seitental in
seiner Tiefe steilere Wände, doch zieht - diesseits etwa 100 rn über der
Sohle eine sanfter geneigte Terrasse hin. An ihrem Hange zwischen hochgestuften
Reisfeldern liegt die nächste Nachtstation, Waschwa, weiter aufwärts
auf ihr selbst die sieben Dörfer von Bödö um 2500 m Höhe, 15 km
vom Djinscha-djiang entfernt, auf kleinen Vorsprüngen schon von ferne deutlich
sichtbar, obwohl sie nur aus niedrigen braunen Holzhäusern bestehen,
über deren Dächer die hohen Getreidetristen weit hinausragen. Die ganze
Strecke gehört noch der Kiefern- und Eichenwaldstufe an, die strauchige,
groß- und starr-, etwas dornigblättrige Photinia prionophylla und Itea
Yunnanensis finden sieh häufig. Aber auch.auf der Terrasse von Bödö
sind, wie bei Haba, die feuchtigkeitsliebenden Gesträuche sehr verbreitet.
Debregeasia longifolia, ein Strauch aus der Maulbeerfamilie mit ganz
schmalen, oben dunkelgrünen, unten weißfilzigen Blättern, oft von Rosen
durchschlungen, neigt sich über die schlammigen und steinigen, von Zäunen
eingeengten Wege,- die man zu Pferde nur sich tief duckend benützen
kann. Dazwischen leuchten überall die großen, goldgelben Blüten des
strauchigen Hypericum Hookerianum, während die dunkelgelben Ähren der
Elsholtzia flava weniger auffallen. Lebhaft grüner Rasen faßt alle Wasserläufe
ein. Schuidjia heißt die in der Mitte gelegene Häusergruppe von Bödö (von
den Chinesen verunstaltet „Bedi“), wo ich geeignete Unterkunft bei, wie
hier überall, sehr freundlichen Nahsi fand. Die Dachziegel über meiner
Galerie waren an der Unterseite mit ihren außerhalb der Zauberbücher
sehr seltenen Hieroglyphen bemalt. Unglücklich war nur zunächst der Mafu,
denn es waren keine Bohnen für die Pferde zu finden, und den Hafer, den
die Leute brachten, kannte er nicht. „Wir müssen erst sehen, ob sie das
fressen“ meinte er. „Ich möchte ein Pferd sehen, das keinen Hafer frißt“.
„O ja, sie fressen ihn sehr gut“, kam er ganz erstaunt zurück.
Von einem „heiligen Orte der Moso“ ist keine Rede, auch Missionär
K ok, ein guter Kenner der Gegend, stellt eine solche Bedeutung entschieden
in Abrede; dafür sollte der Ort für den Naturfreund heiliggesprochen
werden. Ein weißer Fleck, sogar in sternenhellen Nächten weit in die
Landschaft leuchtend, ober den Dörfern am Fuße des dunklen Hochwaldes
der Berghänge, fesselte schon von weitem meine Aufmerksamkeit. Ich
hatte schon eine Vorahnung, was es sei, trotzdem B a co t s ganz nebensächliche
Erwähnung eines „depöt calcaire“ mir gar nicht in Erinnerung
war, und besuchte ihn auch noch am 4. August nachmittags. Ein kleiner,
kalter Bach versickert dort in tiefen, prächtig blauen Tümpeln zwischen
blumenbestandenen Sinterrändem, und darunter hat er die herrlichsten
Sinterbecken ausgewittert, eine ganz wundervolle Naturerscheinung, auch
von ungewöhnlichen Ausmaßen, denn die ganze Gruppe ist ungefähr 40 m
hoch und mehrfach breiter. Die höchsten Beckenwände sind etwa 2 m
hoch, andere besonders im unteren, flacheren Teile der Gruppe nur eben-
soviele Dezimeter, die Becken selbst sehr verschieden groß, aber nicht
tief, mit gewölbtem bis halbkreisförmigem Außenrand; alle enthalten,
wenigstens jetzt, kein Wasser, doch ist der Sinter durch und durch feucht
und ließ mich nach mehrfachen Versuchen, Stücke abzuschlagen, mit zer-
schundenen Fingern, stumpfem Meißel und zerspringendem Hammer unverrichteter
Dinge abziehen. Und von diesem wunderschönen, feinen, horizontalen
Rillengefüge, das alle Außenwände gliedert, hätte ich zu gerne
eine Pròbe mitgenommen. Glücklicherweise zeigen sie die Lichtbilder, die
mich auch die ganze Gruppe photogrammetrisch konstruieren lassen, vorzüglich.
Von außen und unten drängen sich schon einzelne Büsche herein,
und angrenzende Teile derselben Herkunft sind schon lange grau, zerfallen
und verwachsen. Nach der Bänderung an Wegrändern aufgeschlossener
Stellen scheint das ganze Terrassenland, auf dem Bödö steht,
aber auch der Boden von Waschwa in dieser Weise aus dem Berge gequollen
zu sein.
Den 5. August benützte ich zum Besuche des Berges S c h u su tsu
über den Dörfern, des Eckpfeilers des Gebirges Piepun, das gegen
Dschungdien hinzieht. Wegen des mangelhaften Verständnisses des Führers
für meine Zeichensprache kam ich nur bis ungefähr 4000 m, aber doch war
der Ausflug sehr hübsch und gestattete unter den wenig höher streichenden
Wolken hie und da Ausblicke für photogrammetrische Zwecke. Auf dem
Rückweg wurde es bald dämmerig, und auf den kaum handbreiten Dämmen
zwischen den Reisfeldern und verschiedenen, oft sehr tiefen Wassergräben
hatte mein sonst sehr ungeschlachtes Pony, wie ich mich am
nächsten Tage überzeugen konnte, wahre Seiltänzerkunststücke aufzuführen,
nur einmal lag es in einem Reisfeld, ich kam aber nicht aus dem Sattel.
Auskünfte über den Weg nach Hsiao-Dschungdien besagten, daß er
sehr schmal und schlecht sei und daß ich bis auf den Paß für meine
breiten Kisten sechs einheimische Tragtiere aufnehmen müsse ohne die