
beide noch später einem Baumkletterer Arbeit machten. Zum Auswinden
naß kam ich mittags zurück.
Die Einwohner von Bahan sind Ludse, aber auch einige Tibeterfamilien
vom Mekong her haben sich hier niedergelassen. Sie haben nebst Großvieh
auch Nußbäume mitgebracht, und es war mir interessant zu hören,
daß die um die Häuser heute schon üppig fruchttragenden Bäume nicht
von den wilden des Salwintales abstammen, sondern eingeführt sind. Die
Ludse haben keine Almwirtschaft, daher die Unberührtheit ihrer Wälder,
aber auch die Weglosigkeit ihrer Berge. Sie sind ein birmanisches
Volk, nach ihrer Überlieferung vom Djiou-djiang her eingewandert.
Meist klein und unansehnlich, grundehrlich, stehen sie auf sehr niedriger
Kulturstufe. Sie haben keine Schrift und ihre Sprache ist sehr arm, alle
Ausdrücke für Abstraktes fehlen ihr, zum Beispiel schon für „Farbe“
haben sie kein Wort. Sie versperren ihre Häuser nicht, wenn sie ausgehen,
lassen ihr spärliches Vieh ungehütet auf der Weide, waschen sich
ebensowenig wie alle anderen hier, und sind sehr leicht zu Christen
zu machen. Sie sollen immun sein gegen die schwarzen Blattern, wenn
sie befallen werden, mit einigen Pusteln und kaum etwas Fieber herumlaufen,
während die Tibeter darunter und auch unter Dysenterie mehr,
leiden als wir. Eine große Mauerbresche gab meinem Zimmer die nötige
Lüftung, durch sie und das kleine, aber unverschließbare Fenster zog aber
auch die feuchte Luft von den tiefhängenden Nebeln und leisem Regen
herein, und sie hat wohl trotz der in 2580 m Höhe sehr gemäßigten
Temperatur mitgeholfen, mich sehr bald im Fieberfrost aufs Bett zu
werfen. Wenn ein Windstoß den Nebelschleier da und dort zerriß, lugten
über dem bewaldeten Rücken Alülaka gegenüber einzelne hohe, dunkle
Felszähne der Salwin—Irrawadi-Scheidekette hervor, an denen noch Schneeflecken
leuchteten. Sie war das Ziel meiner Sehnsucht, das zu erreichen
ich mir kaum erhofft hatte, und doch hatte mir hier Genestier gleich
Mut auf mehr gemacht, indem er eine Reise an den Irrawadi-Oberiauf
selbst als möglich erklärte. Dort drüben mußte- viel für mich zu holen
sein, gänzlich unerforschtes Gebiet, Dschungel und Palmenwald sollen es
wesentlich vom Salwin-Tale unterscheiden/ Er hatte seinerzeit, mit
Gril lïèr es den Versuch gemacht, weiter südlich nach Indien zu queren,
am Klima und Nahrungsmangel aber war das Unternehmen gescheitert
und todkrank mußten sie vom Djiou-djiang, dem oberen östlichen Irrawadi,
zurückkehren. Nur dem Prinzen von O r l é a n s war es unter vielen Schwierigkeiten
g e lu n gen, nach Indien durchzukommen. Botanische Sammlungen
von dieser Reise scheint er aber so viel wie keine mitgebracht zu haben.
Zu sehr zog mich der Reiz des Unbekannten — das Land da drüben
war auch ein weißer Fleck in der Karte —, als daß ich den Versuch aus
irgend einem Grunde hätte lassen können. Glücklicherweise war ich bald
wieder erholt, denn Eile tat not: Wenn der chinesische Beamte in Tscha-
mutong von meinem Plane erfahren hätte, so hätte er sicher meine Reise
in dieses verpönte Grenzgebiet zu verhindern gewußt; er brauchte nur
den Fährleuten zu verbieten, mich über den Fluß zu setzen.
ZUM IRRAWADI-OBERLAUF
Die Lissu. Einbaum-Fähre. — Klettereien im Tjiontson-lumba. — Die Entdeckung
von Taiwctnia. — Verzögertes Vordringen. — Brückenbau. pjl Über den Tschiangschel
(4075 ffinBgn Ein steiler Abstieg, Gefährliche Seilbrücke^H Bei den Djioudse in
der Irrawadi-Schlucht. — Erkrankt zurück über fünf Pässe. — Fernblicke. — Gomba-la
und Tsukue. — Subtropenflora am Salwin.
Zwei Wege führen von Tschamutong an den Djiou-djiang, beide von
Europäern noch nicht betreten. Den einen, auf dem man Tschamutong
selbst nicht berühren muß, wählte ich als Hin-, den anderen als Rückweg.
Fünf meiner Leute vom Mekong begleiteten mich weiterhin, die
übrigen zehn Träger waren Tibeter und Ludse aus der Gegend von Bahan,
der zuletzt gefundene Führer eine zweifelhafte Persönlichkeit von düsterem
Blick und dem wohlklingenden und vielsagenden Namen K r u (Esel), der
sich mit einer Schuld an den Missionär an den Djiou-djiang geflüchtet
und erst kürzlich wieder zurückgetraut hatte, als er hörte, daß jener versetzt
sei. Mit weniger Trägem auszukommen, wäre nicht möglich gewesen,
denn die Leute mußten auch ihre Lebensmittel für 15 Tage mitnehmen; was
für mich einigermaßen entbehrlich war, Petroleumlampe, Feldtisch und
Stuhl und vieles andere, hatte ich schon in Tsedjrong zurückgelassen.
P. O dvrard hatte die Freundlichkeit, ein Barometer und Thermometer zu
beobachten und die Stände aufzuschreiben als Basis für die Berechnung
der Höhen meines Reiseweges.
Am 26. Juni morgens brach ich auf und sandte vom Alülaka-Rücken
Lü mit den Pferden wieder zurück, denn die folgenden 1200 m Abstieg
zum Flusse selbst wird niemand reiten, und weiterhin ist an ihre Mitnahme
überhaupt nicht zu denken, er aber mußte die bisher gesammelten
Pflanzen umlegen, zu denen ich ihm eine etwaige größere Ausbeute der
ersten zwei oder drei Tagfe noch zurückschicken wollte. Auf diesem Rücken
haben sich kürzlich einige Familien Lissu angesiedelt, die vom Mekong
und dem unteren Salwin gekommen sind; sie sind die besten Jäger im
Lande, verfolgen tagelang den Hirsch oder Bären, bis sie ihn treffen, aber
auch auf die Karawanen, auf jeden Fremden, der uneingeführt zu ihnen
kommt, schnellen sie in ihrem eigentlichen Lande ihre Giftpfeile aus den
Büschen. Am Salwin breiten sie sich entschieden nach Norden aus, und,