
abends, schneite bis 200 m über dem Dorfe herab, war kalt, nebelig und
ganz abscheulich dunkel, und den Ärger vergrößerte, es, daß die Nächte
dazwischen sehr oft prachtvoll klar waren und in hellem Mondschein die
schneebedeckten Berge herum und der Hauptgipfel," der über den Sattel
zwischen Hosayigo und Ünlüpe gerade noch ins Wohnhaus hereinschaut,
in den dunklen Himmel glänzten. Es war mir sogar zu naß, um in
eigener Person den Pilzen nachzugehen, die unter solchen Umständen in
den Wäldern ums Dorf natürlich üppig sproßten. Ein Einheimischer
brachte mir täglich einen ganzen Korb voll, im ganzen über 100 Arten
Hutpilze. Ich ließ sie auf einer Bambusmatte über Holzkohlenfeuer
trocknen, vermerkte die Farbe und Form dazu und ließ sie dann, wenn
sie hart und dürr geworden waren, in der Luft des Zimmers wieder die
richtige Weiche annehmen, um sie zwischen Papier in etwas flachere
Form zu bringen. Andere Exemplare solcher, die im Trocknen unansehnlich
zu werden versprachen, legte ich in Alkohol, und, wenn auch
ein guter Teil der Arbeit und des Geldes vergeblich aufgewendet sein
wird, denn Hutpilze nach präparierten Exemplaren zu bestimmen ist sehr
schwer, so hat doch ein anderer Teil Erfolge gebracht, die um so
wertvoller sind, als in den chinesischen Gebirgen sich noch niemand
damit befaßt hat. Als besonders interessant erwies sich die ganz unscheinbare
Moosflora der Heidewiesen und Brachäcker um Lidjiang, denn
Brachymeniopsis gymnostoma stellt eine neue Gattung dar, Aongstroemiopsis
julacea war bisher nur aus den Hochgebirgen Javas bekannt und Asto-
miopsis Sinensis gehört zu einer Gattung, von der nur zwei Arten in den
Anden gefunden waren. D s c h a o hatte mir 4 5 0 Nummern von Blütenpflanzen
gesammelt und sehr schön getrocknet, was sich in seiner Wohnung
natürlich leicht machen ließ. Was für ein Lohn , mit ihm ausgemacht war
und wie viel davon er schon durch K o k bekommen hatte, erinnerte
er sich nicht mehr, aber er gab zu, daß ich es noch wisse. Ich ließ alle
Sammlungen in Lidjiang verlöten und mußte dazu zweimal im schlimmsten
Wetter dorthin reiten, denn dies muß ganz genau überwacht werden,
damit es auch lückenlos geschieht, weil mangelhaft verlötete Blechkisten
schlechter sind als keine, und die Holzkisten nagelte ich immer selbst zu,
um nicht die Chinesen die Nägel totsicher in die Blecheinsätze hineintreiben
zu lassen.
Erst am 8. Oktober heiterte es sich auf, es begann das schöne Herbstwetter,
und nun hieß es, an die Arbeit gehen. Am 9. erwartete ich noch
die amerikanische zoologische Expedition, Herrn und Frau A n d r ew s und
Herrn H e l l e r vom zoologischen Museum in New York, von deren Eintreffen
in Lidjiang ich gehört hatte. Sie bezogen den Tempel, und als ich
sie dort auf suchte, da erstaunte ich zunächst über den Empfang: „Haben
Sie reine Hände?“ —, „da kommen Sie gerade zu einer Blutvergiftung!“
klärte sich die Sachlage. Ich half nun Frau A ndrews, das Geschwür,
das sich ihr Matm vielleicht durch Arsenikvergiftung an einer Fingerwurzel
zugezogen hatte, zu öffnen, und es war bald wieder geheilt.
Sie waren erfahrene Jäger, auch Frau A ndrews machte die Reise in
Männerkleidem und zu Pferde, und sie hat im Reisewerk (R. Ch. & Y. B.
A ndrews, Camps and Trails in China, New York & London 1918) lustig geschildert,
wie sich in Lidjiang die Missionsschwestern beim Erblicken der
gar nicht recht fromm gekleideten weißen Frau die Köpfe zerbrachen.
Das Gespräch bewegte sich nun natürlich in erster Linie um guten Jagd-
grund, und da war von. meiner Seite guter Rat teuer, denn darum hatte
ich mich nie bekümmert und mußte mich nach dem Hörensagen und der
unmaßgeblichen Beurteilung der bereisten Gegenden richten. Wider alles
Erwarten wurde A ndrews’ und H ellers Beute hier am Yülung-schan außerordentlich
reich.
Um meine Landesaufnahme zu vervollständigen, hatte ich mir einen
kleinen Gipfel zum Ziele genommen, der den besten Überblick über die
Schneekette und die Gebirge östlich davon gewähren mußte. Er liegt
in der Bergkette östlich des Ndaku-Weges gerade gegenüber der großen
Schlucht Lokü, fällt von Ngulukö aus als ganz flaches, weißes Schuttdreieck
auf und heißt L o ja tso . Nachdem mich schon einmal ein Schöner
Morgen zu seinem Besuche verlockt hatte, der aber ergebnislos war,
da mittags durch eine Wolkenmauer nur mehr einmal da vind einmal
dort einzelne Spitzen heraustraten und so wohl gepeilt, aber nicht photographiert
werden konnten, zog ich am übernächsten Tage, dem 12. Oktober,
noch einmal los und hatte diesmal das Glück, daß es ein Prachttag blieb.
Vom Hauptwege Lidjiang—Ndaku, der am Waldrande erreicht wird, biegt
man bald wieder rechts ab über eine der schmalen, wenige Schritte
langen, gebüschbedeckten Querkanten, die, von Sauglöchern durchbohrt,
die vielleicht ehemals vom Gaba-Eissee ausgegangene, in die Lidjiang-
Ebene mündende Klamm jetzt in mehrere getrennte Schlünde zerlegen.
Durch Kiefernwaldland und üBer Matten ist bald der Fuß der Bergkette
erreicht, und bis zur halben Höhe noch kann man durch eine Art Holzriese
reiten. Durchs Stecheichengestrüpp erstieg ich dann die 3 6 2 5 m
hohe Kuppe gleich nördlich des weißen Dreieckes, im ganzen drei Stunden
vom Dorfe. Die ganze Kette des Yülung-schan entfaltet sich gegenüber.
Schneeweiß starren die Riesengipfel in die blaue Luft, schneidige Kanten,
wenig von Felsen durchsetzt, die jetzt auch alle verzuckert sind. Nördlich
des S a ts e to („Likiang-Pik“) und etwas nach Westen ragt der zweite
Hauptgipfel, Dyinaloko, zu 'mindestens derselben Höhe ( 5 4 5 0 m) empor.
Wie ein Riesenpanzer, nur Von den Quellbächen des Beschui ein wenig