
großes Schneefeld erfüllte ihn noch, und unweit seines Randes schlug ich
in 3900 m Höhe das Zelt auf. Die Träger gingen ein Stück zurück, wo
sie es wärmer zum Übernachten fanden und bessere Weide für die Pferde.
Hier oben aber zogen die Nebel hin und her, durch die letzten niedrigen,
zerzausten Tannen fauchte der Wind und peitschte den Regen an die
Zeltwände, aus allen Karen stürzen und rauschen die Schneewässer herab,
und schaurig möchte die frostige Einsamkeit manchem geschienen haben,
der nicht in solcher Liebe zu den Bergen groß geworden ist wie ich. Die
sonderbarste aller Primeln, das als eigene Gattung abgetrennte Omphalo-
gramma Souliei mit einzelner, haariger, 6 cm langer, nickender, verschieden
getont violetter bis purpurner Blüte mit schief vorgestrecktem, meist sechszipfeligem
Saume spiegelt sich hier in allen Moortümpeln, die Weiden blühen
duftend, Rhododendron Saluenense mit großen purpurnen flachen Blüten,
sanguineum mit dunkelpurpur, gelb- und rotorange wechselnden fleischigen
Glocken, repens, ein kleinblättriger Gitterstrauch mit einzelnen großen,
grellroten klettert an den Felsblöcken, und die dicken, Polster der Diapensia
purpurea dazwischen sind jetzt mit purpurnen Blüten übersät, die neue
Diapensia acutifolia mit weißen. In Mengen auch sind die kleinen weißen
Glöckchen der Cassiope-Arten geöffnet, eine dritte, kleine und zarte, C. pal-
pebrata, kommt hier zu den zwei weiter verbreiteten, C. pedinata und
selaginoides, und dazwischen noch ein Bastard. Pinguicula alpina und
winziger Ranunculus hyperborens wächst unter den Alpenrosen. Die Träger
unten nahmen es am nächsten Morgen mit dem Aufbruch keineswegs eilig
und ich stieg im Regen voraus zum 500 m höheren Si-la, dessen Ostseite
noch ein wenig unterbrochenes Schneefeld war, an dessen Rande nur die
kleine Primula bella blühte. Wie die beladenen Tragtiere und meine Pferde
über den stellenweise recht steilen und unterhöhlten Schnee, Felsbänder
und nachgebende Schutthalden ohne Schaden heraufkamen, weiß ich nicht;
mir konnten sie dabei sicher nicht nützen, und daher überließ ich sie den
Tibetern, die sich damit auskennen. An den steilsten Stellen mußten alle
Lasten natürlich von den Leuten auf den Rücken * genommen werden. Alles
war von Wässerchen überronnen und die Flechten auf den überhaupt meist
untergetauchten Steinen waren so schön reingewaschen, daß sie in grellbunten
Farben von ferne zu erkennen waren; fast alle erwiesen sich als
neu, Verrucaria cupreocervina, lonaspis alpina und Handelii, Staurothele
Sinensis, Lecanora cinereopolita, Lecidea caloplacodes und chondrospora nebst
macrocarpa. Unten bei der Brücke, die ein Balken bildet, im S a o a -lum b a ,
schlug ich das dritte Lager. Nicht nur die Ponies, sondern auch stehende
Leute konnten hier unsichtbar werden in dem Hochwuchs, den die Voralpenflur
jetzt zeigte, Eutrema lanceifolium, Draba surculosa und Cardamine
polyphylla als Vertreter der Kreuzblütler, Ranunculus Stevenii, Meconopsis
106. Am Aufstieg zum Si-la, 3450 m.
107. Omphalogramtna Souliei und Rhododendron sanguineum unter
Bambus (Arundinaria melanostachys) an einem Moortümpel beim Lagerplatz
Dotitong am Si-la, 3900 m. Rückw. Rhododendron Saluenense.