
gerade in der Tiefenlinie des Tales, wo wir es in seinem obersten Teile
queren. Jenseits'auf der Fläche ist unser Nachtlager in T ie n s c h e n g gw a n
in trockener Gegend, und nur rotlehmiges Trinkwasser kann beschafft
werden, ganz wie in dem in der Form sehr ähnlichen Karstland westlich
von Yenyüen in Setschwan. Und noch etwas erinnert an jene Gegend:
der Büffelkarren bis Bantjiao als Beförderungsmittel, den ich — außer
noch in den Städten Yünnanfu und Möngdse — nirgends mehr in Südchina
gesehen habe. Seine eckigen Räder an der einzigen ungeschmierten
Achse hört man weithin über die öden Flächen kreischen, in denen der
niedrige Dornbusch den Schall nicht hemmt, auch ein Gegenstück zu den
melancholischen Klängen des illyrischen Karstes. Im kleinen wiederholen
sich die Verwitterungsformeil in den Sohlen der Erosionsgräben. Da ist
die Roterde weggeschwemmt und mannshohe, spitze, graue Kalksteinkegel
stehen frei, die Seiten rund und glatt und verschieden gekerbt, ausgeschliffen
vom Wasser der Wolkenbrücke, oft abenteuerlich durchlöchert und manche
unten ganz durchgeschliffen oder abgewittert und umgefallen. Ackerbau
und Aufbereitung stehen auf sehr niederer Stufe. Neben Handmühlen ist
eine Steinwalze im Gebrauch, die, von einem Büffel im Kreise gerollt,
auf einem ganz flachen Kegel die Körner mahlt. Auf den Hofmauern und
Hausdächern blüht das von den Felsen des oberen Yangdse-Tales her
wohlbekannte Dendrobium clavatum. Der Weg nähert sich einmal dem
Flußtale, bleibt dann aber wieder auf der flachen Höhe nebenan, die Ausblick
auf die kiefernbewaldete Berggruppe ganz von Yünnan-Hochland-
Art jenseits des Flusses im Norden gewährt, und steigt erst nach einer
guten Strecke, an den Karren des Mudji-schan vorbei, nach Magai in
der weiten, aber großenteils auch verkarsteten Talebene von L u lia n g
hinab. Ein ansehnlicher Teil der Ebene, von der genannten Stadt bis zum
Fuße des steilen Berges an der Ostseite des Tales, wird von einem See
eingenommen, der in D avies’ Karte nicht ersichtlich ist, wohl aber in
S tielers Handatlas angedeutet. Ständig dürfte allerdings nur ein rundlicher
tieferer Teil von ungefähr 5 km Durchmesser am Bergfuße sein, das übrige
aber Lagune, welche die Landzungen um die Mündungen kleiner Bäche
umspült und vielleicht gelegentlich vom übertretenden, sonst daran vorbeifließenden
Flusse gespeist wird. In seiner Umgebung liegen auf fruchtbarem
Schlammboden mit Grundwasser die Reisfelder. Abends fand ich in Magai
meinen Mafu im Hofe sitzen und sich mit einem dicken schwarzen Faden
eine alte Wunde am Fuße zunähen, was sogar die umherstehenden
Chinesen heiter stimmte.
Am nächsten Tage verließ ich nun das aufgenommene Land und betrat
ganz jungfräuliches. Nur geologisch war die Gegend teilweise nur südlich
meines Weges von L eclere untersucht worden. D avies’ gewissenhafte Karte
läßt die Gegend weiß, die Entfernungen an der durchgezogenen Straßenlinie
entsprechen keineswegs den Tatsachen, und die Ausfüllungen in anderen
Karten" sind bloße Schemen. Trotz der politischen Unsicherheit konnte ich es
mir nicht versagen, wieder die Wegaufnahme zu beginnen, nachdem ich bis
hierher nur einige Ergänzungen in die Karte angedeutet halte. Ich wandte nur
die Vorsicht an, die Aufnahme in ein eigenes Notizbuch zu zeichnen, damit
nicht die Zuschauer beim Pflanzeneinlegen etwas davon zu sehen bekommen.
So ritt ich gleich morgens voraus auf die Bergkette hinauf, die nun zu überschreiten
ist. Den Blick auf den See nahm ich von oben auf und konnte
nach dem einen Bild seine damalige Form genau ermitteln. Das Gebirge,
das im höchsten Teile nördlich des Überganges ungefähr 2500 m erreicht,
zieht nach Nordosten; es/ gehört somit dem sinischen Streichen an, das
man überall in Mittel- und Südchina findet. Es wird dort in einem Bergwerk,
Dungschan, Schwefel gewonnen und durch Tragtierkarawanen, deren
ich eine begegnete, fortgeschafft. Das Tal des Beida-bo ist hier als weite,
grüne und anscheinend bebaute Furche bis gegen Djüdjing zu übersehen. Am
Berghange, großenteils Kalk, unten auch mit Kohle in südöstlichem Einfall,
finden sich auffallend viele schmal pyramidenförmige Wacholderbäumchen,
Juniperus Formosana, eine noch stärker stechende Art als unsere. Ich wartete
lange auf die Karawane, dann sah ich ein, daß sie einen anderen Weg
gegangen sein müsse und ritt allein, wie ich war, weiter. Es geht nur wenig
hinab in eine Senkung mit Kalkhügeln, die wieder in Reihen aufragen.
Bei einem Teehause konnte ich einen Führer finden, der mir den Weg bis
auf den nächsten, von üppigem wintergrünem Eichenwald bestandenen Sand-
steinrücken zeigte, wo wieder Kohle ansteht. Jenseits fand ich bald die
Karawane gerade im Aufbruch von der Mittagsrast und holte rasch das
Essen nach. Wieder liegen unter uns gleichlaufende Ketten und Furchen,
jene vielfach durchbrochen, diese von Hügeln, auftauchenden Schichtköpfen,
teilweise ausgefüllt und die klare Übersicht dadurch gestört, immer wieder
abwechselnde Kalk-, Sandstein- und Mergelschichten. In der Ferne im Osten
sieht man über ihnen den Beling-schan, das Wahrzeichen von Loping und der
ganzen Gegend, am Ende einer kurzen Zackenkette verhältnismäßig hoch
aufragen. Der Weg folgt seit dem ersten Rücken einer Höhenlinie, von
der die Gewässer entgegengesetzt, von Nordosten nach Südwesten ablaufen,
und kreuzt erst in der letzten Senkung einen von rechts kommenden
Bach.
S id su n g ist ein kleines Städtchen an einem Flusse, der ebenfalls von
Südwesten kommt und dessen Talweg sich abwärts, links vom Fuße des
eben überschrittenen Gebirges, rechts von flachen, breiten, nur wenig
erhöhten Rücken begrenzt, immer mehr erweitert. Vor uns ragen einige
kleine Kalkhügel, wenigstens teilweise aus senkrecht aufgestellten Schichten