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Kaiser in Italien nicht wieder, das Land z ^ erfiel in eine MenÖir e
unabhängiger Staaten, unter denen sich einzelne Städte zu mächtigen
Republiken emporschwangen, andre zwar schwach blieben,
doch ihre Freiheit behaupteten. Der italiänische Handel
blühete, Reichthum und erweiterte Kenntniss waren seine Früchte.
Immer zahlreicher, strebsamer, unabhängiger von dem lähmenden
Einfluss der Geistlichkeit, erhoben sich die Universitäten.
Jetzt entwickelte sich auch die National-Lit eratur. Dante
(geb. 1265, gest. 1321) eröffnete sie wie die Sonne den jungen
Tag, bald folgten ihm Pet rar c a (geb. 1304, gest. 1374) und
B o c c a c c i o (geb. 1313, gest. 1375), beide schon eifrigst und mit
Ei-folg bestrebt, das Studium der Alten aufs neue zu erwecken.
Im Gebiet der philosophischen Speculation überstrahlte
schon früher Alberts des Grossen jüngerer aber noch vor ihm entschlafener
Zeitgenosse und Schüler, der Italiäner Thomas von
A q u i n o , seinen Meister. Mit ihm erstarb freilich, wenn nicht
das Interesse der Italiäner an der scholastischen Philosophie, was
sich bei Dante noch so lebendig zeigt, doch die Theilnahme an
ihrer ferneren Entwickelung. Die drei berühmtesten Italiäner unter
des Thomas Schülern, die drei Augustiner Egidi o Colonna
aus Rom, Agostino Trionfo aus Ancona und J a copo de
V i t e r b o, folgten doch nur den Fusstapfen ihres Lehrers und
waren im Grunde mehr Theologen als Philosophen; auch widmeten
sie den grössern Theil ihrer Thätigkeit nicht ihrem Vaterlande,
sondern der Universität zu Paris. Dort wirkte auch der letzte
Scholastiker, der sich nach Thomas von Aquino durch selbständige
Forschung auszeichnete, der Franciscaner Duns Scotus.
Mit ihm entwickelte sich der Kampf der sogenannten Scotisten
und T h omi s t e n, genährt durch die Eifersucht der beiden Orden,
denen ihre Meister angehört hatten; und in leeren Wortgefechten
dieser versiegte endlich die ganze Scholastik.
Einen bewundernswürdigen Vorkämpfer fand im entlegenen
England auch die Phys i k an dem unglücklichen Roger Bacon
(geb. 1214, gest. um 1294), der seine grossen Entdeckungen im
lierker büsste, und mit dessen Tode seine Wissenschaft auf lange
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Zeit gleich einem Meteor wieder erlosch. Auf den Gang der Wissenschaft
im Ganzen gewann er wenig Einfluss, weil sein Hauptwerk,
das Opus majus, von seinem Orden unterdrückt und streng
verboten, erst im Jahr 1733 wieder ans Licht kam. Die Medic
i n , wiewohl durch arabische Einflüsse fast mehr gehemmt als
gefördert, fand dagegen in Italien, wenigstens nach gewissen Seiten
hin, immer noch eine unverkennbare Pflege. Man suchte den
Stein der Weisen oder eine g e g e n jede Krankheit, besonders auch
gegen die Armuth heilsame Quintessenz, und fand statt ihrer manches
auch als Heilmittel schätzbare chemische Präparat. Raimundus
Lnllus (geb. 1235, gest. 1315), ein Spanier der sich
lange Jahre in Italien aufhielt, und den wir schon (Band II, beite
350) als den Uebersetzer der Kyraniden kennen lernten, Arnaldus
de Vi l lanova (gest. 1313), der Commentator des Regimen
sanitatis Salernitanum (Band HI, Seite 502) und Petrus de
A p o n o oder Abano (geb. 1253, gest. 1316), der berühmteste
Zauberer seiner Zeit, waren die Koryphäen dieser seltsam erspriesslichen
Verirrung der Medicin, aus der sich nach und nach die
wahre Chemie entwickelte. Andre Zweige der Medicm, die
nicht ganz vernachlässigt wurden, wie namentlich die eigenthche
A p o t h e k e r k u n s t und die-Chirurgie, übergehe ich, um noch
der L andwi r thSchaf t zu gedenken, stets einer treuen Amme der
Botanik. Auch sie fand, wie wir bald sehen werden, in Itahen
an Petrus de Crescentiis zum ersten mal nach Palladius
wieder einen würdigen Vertreter, einen Mann beides, der Wissenschaft
wie der Praxis, der, was Albert der Grosse für die generelle,
Matthäus Sylvaticus für die specielle Botanik geleistet hatten, nicht
ohne Bereicherung zusammenfasste und in weitere Kreise, in welche
die Werke jener nicht drangen, verbreitete. Er gehört zu den
Wenigen, welche auch in dieser dürren Zeit die Botanik nicht ungefördert
Hessen. Auch zu Reisen in ferne Länder gaben
die Handelsverbindungen der Italiäner vielfältigen Anlass. Statt
vieler Reisender erinnere ich nur an Einen, der allein für viele
gilt, an Marco Polo.
Es war also eine im Ganzen der geistigen Bewegung überaus