48 B u c h XII. Kap. 1. §. 1. Buch XIL Kap. 1. 4. 49
nicht zu stolz! Auch uns wird die Zukunft solcherlei Befangenheiten
nachzuweisen nicht ermangeln.
Cap. 3. De divisione plantae secunda, per suas
p a r t e s integrales essentiales sibi, quae officiales dic
u n t u r , et ad officia aniniae sunt deputatae. — Ohne
sich irgendwo vollständig darüber auszusprechen, unterscheidet
Albert dreierlei Arten der Pflanzentheile: 1) p a r t e s integrales
e s s e n t i a l e s , welche jeder höhern Pflanze, jedem Baum, jederzeit
zukommen und zur Erhaltung des Individuums dienen, weshalb
er sie auch officiales, Organe, nennt; 2) partes accident
a l e s essentiales, die zwar auch den meisten höhern Pflanzen,
doch nicht beständig zukommen, und nicht die Erhaltung des Individuums,
sondern der Art bezwecken, wie Blätter, Blüthen, Früchte,
Samen; 3) p a r t e s accidentales non essentiales, die sich
weder auf Erhaltung der Art, noch des Individuums beziehen, wie
die Dornen. Von den ersten handelt Albert in diesem, von den
zweiten im folgenden Tractat, von den dritten erst später gelegentlich
Lib. IV, tract. III, cap. 3.
Unter den i n t e g r i r e n d e n wesent l ichen Pflanzentheil
e n giebt es Einen, der der Möglichkeit nach (potentia) alle übrigen
in sich enthält, den P f lanz en s a f t . Die übrigen sind wirklich
(actu) besondere Pflanzentheile. Davon nachher. A) Vom
P f l a n z e n saft . Hier stossen war bei Albert zuerst auf die alte
empedokleäsch-aristotelische Lehre von den vier Elementarqualitäten,
der Wä rme , Feuchte, Kälte und Trockene, aus deren
Mischung alles Körperliche bestehen soll. Konnte sich das schwache
Gewebe dieser Hypothesen auf die Dauer nicht halten, so sollten
wir doch vom historischen Standpunkte aus nicht übersehen, dass
ältere Physiker und Physiologen einer solchen gleichsam schwebenden
Brücke bedurften, um über die breite Kluft, welche die
Chemie noch nicht ausgefüllt hatte, hinweg zu kommen; ja man
sollte sich gestehen, dass wir noch jetzt dergleichen Brücken nicht
selten ohne uns deuthch ihrer Schwäche bewusst zu sein, benutzen,
und dass sie sich mit der Zeit wohl ändern, doch nie ganz aufhören
werden, weil die Natur unerschöpflich, der Durst sie zu
ergründen unauslöschlich ist. Um jedoch meine Leser nicht zu
ermüden, gehe ich über alles, was sich auf die Elementarqualitäten
bezieht, so kurz wie möglich hinweg. Aus dem vierten Buch der
Meteore setzt Albert als bekannt voraus, dass kein Nahrungssaft
durch die W ä rme der Verdauung vollendet wird, ohne durch die
T r o c k n e eine Veränderung zu erleiden. Je nach der Complexion
der Pflanzen und Pflanzentheile, die er zu ernähren hat, wird er
selbst daher ein anderer. In der Wurzel ist er am rohesten, beim
Uebergang in die höhern Pflanzentheile verdickt verfeinert schärft
er sich, und nimmt mehr und mehr den Geschmack des zu ernährenden
Theils an. Und nun bediente sich Albert aller-Sinnesorgane
nach Art chemischer Keagentien, um uns über die mannichfache
Verschiedenheit der Pflanzensäfte zu belehren. Die dabei durchgängig
vorwaltende Verwechselung secernirter und excernirter Säfte
mit dem wahren Nahrungssaft, wollen wir der Kindheit der Wissenschaft
zu gut halten. Verdaueten doch gewisse Physiologen
diesen alten Sauerteig bis heute noch nicht.
B) Von den wi rkl ichen Pflanz enthe i l en. Sie werden
eingetheilt in 1) o r g a n i s c h e Glieder (membra officialia) und
2) S imi l a rgl i ede r (membra simiHa). Zu jenen gehören die Knoten,
die Wurzel, die Saftwege, das Mark und die Rinde; zu diesen
das Holz und, bei krautartigen Pflanzen, das Fleisch. — a) Die
wahren Knoten, auch Malleoli genannt, halten den Saft auf, damit
er besser verdaut werde. Zum Beweise dient die Verbesserung
der Wildlinge durch einen Einschnitt von einer Seite bis aufs
Mark. Indem der Saft durch die darnach erzeugte Narbe gehemmt
wird, macht er bessere Früchte. Nicht alle Pflanzen haben gleich
viel Knoten, der Scirpus ist sogar knotenlos. Die Getreidearten
haben in der Regel vier Knoten zu vier speciell erörterten Stufen
der Verdauung. Auch die aus den Knoten entspringenden Blätter
verfeinern sich stufenweis. — b) Die Wur z el dient der Pflanze
nicht allein als Mund, sondern zugleich als Herz, indem sie dem
angezogenen Saft (succo attracto. Cod. Bas., abstracto Editt.) die
erste Lebenswärme und weitere Bewegung mittheilt. Daher -fault
die Pflanze, wenn sie Wasser durch einen andern Theil als die
Mej^er, Gesch. d. Botanik. IV, 4
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