84 B u c h XII. Kap. 2. §. 8. B u c h XIL Kap. 2. §. 8. 85
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Albert den Grossen als Botaniker beurtheilen und — natürlich yerurtheilen.
Ich wiederhole zum Schluss nur noch, was ich in meiner
öfter genannten Abhandlung über Albert den Grossen vor ein und
zwanztg Jahren gesagt habe. „Fassen wir die mannichfachen
Widerwärtigkeiten zusammen, die Albert als Botaniker erfahren,
so muss man gestehen, dass die ganze Literaturgeschichte kaum
einen zweiten Fall der Art aufzuweisen hat. Nicht genug, dass
sein höchst verdiensthches Werk von den Pflanzen in sieben starken
Büchern, obgleich zweimal gedruckt, sehr früh in gänzliche
Vergessenheit gerieth; nicht genug, dass einer seiner jüngern Zeitgenossen
P e t r u s de Crescentiis, vielleicht der einzige, der
fhn zu schätzen und mehr als billig zu benutzen verstand jn
vollem Maasse den Ruhm erndtete, der seinem Meister so schmähg
entging: nein, was noch schlimmer war, eins der elendesten Bücher,
welche''die Finsterniss jemals ausbrütete, ward ihm untergeschoben,
galt für das seinige bis auf den heutigen Tag, und zog ihm die
tiefste Verachtung zu, obgleich der unbekannte Verfasser sich nicht
die geringste Mühe gegeben, durch Nachahmung des Stils, Beziehuno
en auf ächte Schriften Alberts und dergleichen seinen Betruo
zu bemänteln, so dass ihn schon eine oberflächliche Vergleichuno
wenn sie jemals angestellt wäre, unfehlbar hätte entlarven
müssen.
Zweites Kapitel.
Die Enkyklopädiker des XIIL Jahrhunderts.
§. 8.
B a r t h o l o m ä u s Anglicus.
Gleichzeitig mit Albert dem Grossen lebten drei Männer, ein
Engländer B a r t h o l omä u s Anglicus, ein Niederländer Tho-
¡ ^ T ^ e schon vor Petrus de Crescentiis auch sein eigener Schüler T h o ma s
d e C a n t i p r a t o dasselbe Werk, obgleich massiger benutzt hatte, wusste ich
damals noch nicht.
mas de Cant iprat o und ein Franzose Vincent ius Bellov
a c e n s i s , deren jeder, wiewohl nach verschiedenem Plan und
ungleich an Umfang und Ausdehnung, eine E n k y k l o p ä d i e der
W i s s e n s c h a f t e n hinterliess, worin auch die Botani k Platz
fand. Die Werke der beiden ersten waren im Mittelalter viel verbreitet
und von grosser Wirksamkeit, was man von A l b e r t s naturwissenschaftlichen
Arbeiten, die zu hoch über ihrer Zeit standen, und
durch ihre speculative Tendenz abschreckten, leider nicht behaupten
kann. Das Werk des dritten verbreitete sich seines ausserordentlichen
Umfangs wegen erst mit der Erfindung der Buchdruckerkunst in
weiteren Kreisen. Dadurch dass alle drOi die Wissenschaften ihrer
selbst wegen, und folglich auch die Botanik nicht bloss in Beziehung
auf Heilmittellehre behandelten, schliessen sie sich an Albert an,
und verdienen im Verein mit diesem als Epoche machend bezeichnet
zu werden. In Hinsicht der Behandlung lassen sie sich mit
Albert nicht vergleichen. Denn abgesehen von wenigen eigenen
Bemerkungen, begnügten sie sich Excerpte aus ältern Werken zu
Mosaikbildern zusammen zu arbeiten. Die Reihenfolge, in der ich,
abweichend von Andern, über sie sprechen Wierde, hoffe ich durch
das zu rechtfertigen, was ich über ihr Leben und ihre Werke
zu sagen habe.
Von Ba r tholomäus Anglicus wissen wir nicht vielmehr,
als dass der Verfasser eines noch vorhandenen und oft gedruckten
Werks de pro p r i e t a t i b u s r e rum in der Mehrzahl der Handschriften
seines Werks diesen Namen führt, üeber sein Zeitalter
gehen die Meinungen weit aus einander. Die ältern englischen
Literarhistoriker, Leland, Baläus, Pitseus, und mit ihnen auch noch
Wading (annales Minorum) und Fabricius (biblioth. lat. med. et
inf. aetat.), nennen ihn B a r t h o l omä u s de Glanvilla, und bezeichnen
das Jahr 1360 als das seiner Blüthe; Andre setzen ihn
bis 1486, bis 1500 herab, bei Grässe (Lehrbuch der Literargeschichte
des Mittelalters) steht sogar 1630, was indess ein Druckfehler
statt 1360 sein mag. Sein weit höheres Alter lässt sich
aber auf mehrfache Weise darthun. Die wolfenbütteler Bibliothek
besitzt einen Codex unter dem Titel: Multifarius, extxactum de
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