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sagt, mit steio-ender Vorzüglichkeit; dann wiederum nach sechs
Jahren die Historia purgantium mit 220 Abbildungen. Von ihnen
sagt Treviranus eben so wahr: „Hier finden sich ebenfalls fast
lauter neue Abbildungen, die sowohl was die Zeichnung als was
den^ Holzschnitt betrifft, leicht die schönsten sind, welche man bis
dahin hatte, selbst die von Conrad Gesner, welche Haller doch
höher stellt, nicht ausgenommen. Sie übertreffen diese, so weit
sie nicht von Camerarius herrühren, in meisterhafter Darstellung
des Habitus, der wegen Kleinheit der Gesammtfigur bei Gesner oft
undeutlich ist. Auch sind sie, was die Anordnung der Blätter und
Blüthen betrifft, einsichtsvoller behandelt, und in dieser Rücksicht
z. B. Figur 33(J, 339, 387, 491 wahre Meisterstücke. Aber sie
entbehren grösstentheils eines entschiedenen Vorzugs der gesnerschen,
nämlich der Darstellung der Blüthen- und Fruchttheile in
natürlicher, also gegen das Gesammtbild vermehrter Grösse." Die
Abbildungen aller drei Werke gingen dann über in die Pemptaden, ^
theils durch eigne eben so vorzügliche theils durch fremde bis auf
1305 Abbildungen in der ersten, bis auf 1344 in der zweiten Ausgabe
vermehrt.
Viele der von Dodoens zuerst abgebildeten und beschriebenen
Pflanzen sind aus Gärten genommen, in deren Reichthum an Seltenheiten
schon damals die Niederländer, durch ihre Handelsverbindungen
begünstigt, sich auszeichneten; aber sehr viele gehören
zur n i e d e r 1 än d i s c h e n F 1 0 r a, die vor Dodoens noch vonliceinem
der bessern Botaniker berührt war. Auch er versäumt nicht, wie
seine Vorgänger, bei jeder Pflanze zu untersuchen, ob sie den
Alten schon bekannt gewesen sei, ist dahei aber vorsichtiger wie
die meisten, und beschreibt jede Pflanze, auch die, welche nach
seiner Meinung schon von den Alten beschrieben waren, ohne Anstand
so, wie er sie vor sich sah, treu wie Bock, präcise wie Fuchs,
und meist ausführlicher wie irgend einer seiner Vorgänger. Ja
er machte sogar den ersten rohen Versuch einer wissenschaftl
i c h e n Anordnung der P f l anz en, worüber man in den Vorreden
zu den dreissig einzelnen Büchern seiner Pemptaden merkwürdigen
Andeutungen begegnet. Viele grössere Gattungen und
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Familien, selbst manche nicht sehr ins Auge fallende Verwandtschaften
der Pflanzen erkannte er schon recht gut; allein er Hess
sich von zwei oft unvereinbaren Principien zugleioh leiten, von der
Gestalt der Pflanzen und von dem medicinischen oder ökonomischen
Nutzen, welchen sie gewähren, und auf diesen legte er noch
hohem Werth als auf jene. Daher stehen die Hülsenfrüchte bei
ihm mitten zwischen den Getreidearten und den übrigen Gräsern,
und der Buchweizen am Ende der Getreidearten; daher steht Corydalis
noch immer wie bei seinen Vorgängern neben Aristolochia
u. s w. Er selbst erklärt sich darüber sehr bestimmt in der Vorrede
zur ersten Pemptade: „Stirpium historiam meditanti, de ordine
non exigua accessit sollicitudo. Nam quemadmodum artes omnes
ac scientiae, si methodico aliquo ordine describantur, non exiguum
ornatus ac lucis inde referunt, sie et stirpium historiae ab hoc
plurimum gratiae ac decoris accedere posse haud dubium." Darauf
geht er die Anordnungen bei seinen Vorgängern durch, erklärt
die des Dioskorides, welche die Pflanzen nach der Art ihrer Wirksamkeit
gruppire, für die beste, hält sie jedoch nach so vielen
neuen Entdeckungen nicht mehr für ausreichend, sondern findet
mehr Abtheilungen nöthig, und fährt dann fort: „Dedimus autem
operam, ut, quae vel facúltate vel parte aliqua praecipui usus simiks
sunt, conjungerentur; tum etiam ne forma figuraque respondentes,
quantum foret possibile, abinvicem divellerentur." Er hatte also
das volle Bewusstsem der Aufgabe eines Systems der Pflanzen,
was selbst Gesnern, der sein grosses Werk alphabetisch ordnen
wollte, wenn er auch in anderer Hinsicht höher stand, noch gefehlt
zu haben scheint. Die alte Unterordnung der Botanik unter die
Medicin, welche aufzugeben ihm noch der Muth fehlte, Hess ihm
zu wenig Raum zur Ausführung seiner Idee. Gesetzt aber, er
hätte diese Schranken gesprengt, dennoch würde ihm ein System
der Pflanzen überhaupt noch weniger wie Gesnern gelungen sein.
Im engern Kreise der Gattungen und FamiHen mag ein angeborener
und vielfach geübter Takt den Mangel einer durchdringenden
Kenntniss der Organisation der Pflanzen für die naturgemässe
Anordnung derselben zuweilen ersetzen; und er hat in solchen
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